I. Überblick

 

Rz. 26

Bei der Behandlung Reisekosten eines Rechtsanwalts müssen drei verschiedene Fälle auseinander gehalten werden. Zu unterscheiden ist zwischen

dem Anwalt, der am Gerichtsort ansässig ist (siehe Rdn 29 ff.),

dem im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalt, der seine Kanzlei aber außerhalb des Gerichtsorts hat (siehe Rdn 32 ff.),

und

dem nicht im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalt (siehe Rdn 37 ff.).
 

Rz. 27

Hinsichtlich der Höhe der Reisekosten gilt für den beigeordneten Anwalt nichts Abweichendes. Der beigeordnete Rechtsanwalt kann frei wählen, ob er zu einem vom Gericht angeordneten Termin mit der Bahn oder seinem eigenen Kfz fährt (Nrn. 7003, 7004 VV). Es ist keine Vergleichsberechnung hinsichtlich der Bahn- und Kfz-Kosten durchzuführen. Es sind nicht nur die Kosten des günstigeren Verkehrsmittels zu erstatten.[34]

 

Rz. 28

Der Anwalt kann gegebenenfalls vor Beginn einer Reise deren Notwendigkeit nach § 46 Abs. 2 S. 1 RVG feststellen lassen. Diese Feststellung ist für das Festsetzungsverfahren bindend.

[34] LAG Niedersachsen AGS 2011, 553 = NJW-Spezial 2011, 605 = RVGreport 2011, 465 = AE 2011, 259.

II. Der beigeordnete Anwalt ist am Gerichtsort ansässig

 

Rz. 29

Hat der beigeordnete Anwalt seine Kanzlei am Gerichtsort, fallen für die Wahrnehmung gerichtlicher Termine keine Reisekosten an, da es insoweit an einer Geschäftsreise (Vorbem. 7 Abs. 2 VV) fehlt.

 

Rz. 30

Soweit es zu auswärtigen Terminen kommt, etwa einem auswärtigen Sachverständigentermin, einem Termin vor einem Rechtshilfegericht o.Ä., erhält der Anwalt seine Reisekosten aus der Landeskasse, ohne dass es einer Erweiterung der Beiordnung bedarf.

 

Rz. 31

Das Gleiche gilt, wenn nach Beiordnung das Verfahren an ein anderes Gericht abgegeben oder verwiesen wird und der Anwalt dorthin reisen muss.

III. Der beigeordnete Anwalt ist im Gerichtsbezirk niedergelassen, hat seine Kanzlei aber außerhalb des Gerichtsorts

 

Rz. 32

Hat der Anwalt seine Kanzlei zwar im Gerichtsbezirk, nicht aber an dem Ort, in dem sich das Gericht befindet (§ 27 Abs. 2 BRAO), kommt eine einschränkende Beiordnung nicht in Betracht. Nach § 76 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 121 Abs. 3 ZPO bzw. § 78 Abs. 3 ZPO kann lediglich die Beiordnung eines nicht im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts abgelehnt werden, wenn ansonsten Mehrkosten auf die Landeskasse zukämen. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass ein im Gerichtsbezirk niedergelassener Anwalt immer beizuordnen ist, selbst wenn dadurch gegenüber einem am Gerichtsort ansässigen Anwalt Mehrkosten in Form von Reisekosten entstehen.[35]

 

Rz. 33

Ein im Gerichtsbezirk niedergelassener oder wohnhafter Anwalt muss daher uneingeschränkt beigeordnet werden. Unschädlich ist die Beiordnung "zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts", weil das nur den Gesetzeswortlaut wiederholt.

 

Rz. 34

Unzulässig ist dagegen die Einschränkung "zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts".[36]

 

Rz. 35

Ist der Anwalt uneingeschränkt oder zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts beigeordnet worden, so sind die gesamten Reisekosten zu übernehmen, sofern sie notwendig waren, was bei der Teilnahme an der mündlichen Verhandlung immer der Fall sein dürfte.

 

Rz. 36

Wird gesetzeswidrig – was häufig vorkommt – eine Einschränkung vorgenommen, etwa "zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts", muss dagegen sofortige Beschwerde nach § 127 Abs. 2 ZPO (i.V.m. § 76 Abs. 1 oder § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG) eingelegt werden, da anderenfalls die unzutreffende Beiordnung nach Ablauf eines Monats rechtskräftig wird (§ 127 Abs. 2 S. 3 ZPO i.V.m. § 76 Abs. 1 oder § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG) und für das spätere Festsetzungsverfahren bindend bleibt.[37] Strittig ist, wer insoweit beschwerdeberechtigt ist. Nach zutreffender Ansicht sind insoweit sowohl der Anwalt[38] als auch der bedürftige Beteiligte[39] beschwerdeberechtigt.

 

Beispiel 19: Reisekosten des Anwalts aus dem Gerichtsbezirk (uneingeschränkte Beiordnung)

Der Anwalt vertritt seinen Mandanten in einem Verfahren vor dem FamG A und hat seine Kanzlei in dem 30 km entfernten B, das im Bezirk des FamG A liegt (Wert: 6.000,00 EUR). Er wird dem Mandanten ohne Einschränkung im Wege der Verfahrenskostenhilfe beigeordnet und nimmt am Termin zur mündlichen Verhandlung teil.

Die Beiordnung war ohne Einschränkung auszusprechen, da B im Bezirk des FamG A liegt. Da auch die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung notwendig war, erhält der Anwalt seine Reisekosten aus der Landeskasse.

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV, § 49 RVG   347,10 EUR
  (Wert: 6.000,00 EUR)    
2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV, § 49 RVG   320,40 EUR
  (Wert: 6.000,00 EUR)    
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
4. Fahrtkosten Pkw, Nr. 7003 VV, 2 × 30 km × 0,30 EUR/km   18,00 EUR
5. Tage- und Abwesenheitsgeld, Nr. 7005 Nr. 1 VV   25,00 EUR
  Zwischensumme 730,50 EUR  
6. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   138,80 EUR
Gesamt   869,30 EUR
 

Beispiel 20: Reisekosten des Anwalts aus dem Gerichtsbezirk (eingeschränkte Beiordnung)

Wie vorangegangenes Beispiel 19; jedoch ist der Anwalt zu den Bedingungen eines in A ansässigen Anwalts beigeordnet worden.

Da die Beiordnung mit Einschränkung erfolgt ist, ...

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