Rz. 682

Das abberufene Vorstandsmitglied kann auf Feststellung der Unwirksamkeit der Abberufung klagen. Die Wirksamkeit des Widerrufes der Bestellung ist gerichtlich voll überprüfbar. Allerdings ist die Wirkung des Urteils nur ex nunc (§ 84 Abs. 4 S. 4 AktG), d.h., dass bis zur Rechtskraft des Urteils der Widerruf der Bestellung (= der Amtsverlust als Organ) wirksam bleibt. Bis dahin dürfte die Amtsperiode vielfach bereits abgelaufen sein. Dies bedeutet, dass selbst bei einer unbegründeten Abberufung der normale Klageweg regelmäßig nicht weiterhilft.

 

Rz. 683

Eine einstweilige Verfügung nützt nur in Ausnahmefällen. Denn eine einstweilige Verfügung auf vorläufige Aufhebung der Abberufung ist unzulässig (vgl. Happ, Aktienrecht, Kap. 8.11 Rn 3.11; vgl. zu dem ggf. erfolgversprechenderen Urkundsprozess wegen Annahmeverzugslohn unten Rdn 695).

 

Rz. 684

Zulässig ist es indes, Verfahrensverstöße bei Abberufungsbeschlüssen des Aufsichtsrats durch eine einstweilige Verfügung feststellen zu lassen (Spindler/Stilz/Fleischer, § 84 AktG Rn 164, 165). Der klassische Fall für eine einstweilige Verfügung ist gegeben, wenn es an einer wirksamen Beschlussfassung des Aufsichtsrates fehlt; diese Voraussetzung kann im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ohne Weiteres festgestellt werden (vgl. Happ, Kap. 8.11, Rn 3.11; Koch, AktG § 84 Rn 51; Schmidt/Lutter/Seibt, § 84 Rn 52. Keine wirksame Beschlussfassung liegt vor, wenn die Personen, die den Abberufungsbeschluss gefasst haben, am Beschlusstag gar nicht der Aufsichtsrat der AG waren (vgl. OLG Köln v. 28.2.2008, AG 2008, 458). Ein weiterer schwerer Verfahrensfehler mit der Folge der Nichtigkeit des Aufsichtsratsbeschlusses liegt dann vor, wenn ein Teil der Aufsichtsratsmitglieder zur Sitzung nicht eingeladen wurde oder wenn in einer mitbestimmten Gesellschaft die Mitwirkungsrechte der Arbeitnehmer-Aufsichtsratsmitglieder durch unzureichende Information und zu kurze Bemessung der Überlegungsfrist beeinträchtigt waren (vgl. OLG Stuttgart v. 15.4.1985, DB 1985 = AG 1985, 193).

 

Hinweis

1. Bei Mängeln eines Aufsichtsratsbeschlusses ist nach ständiger Rechtsprechung des BGH nicht entsprechend den §§ 241 ff. AktG zwischen nichtigen und anfechtbaren Beschlüssen zu unterscheiden.
2. Aufsichtsratsbeschlüsse, die in verfahrensmäßiger oder inhaltlicher Beziehung gegen zwingendes Recht verstoßen, sind grundsätzlich nichtig (vgl. BGH v. 27.10.2015 – II ZR 296/14).

Nichtigkeit liegt auch dann vor, wenn es überhaupt an einem Abberufungsbeschluss des Aufsichtsrates fehlt (vgl. LG München v. 27.6.1985, AG 1986, 142; OLG München v. 17.9.1985, AG 1986, 234). Eine Sitzung, in der über die fristlose Kündigung (und Abberufung) eines Vorstandsmitgliedes Beschluss gefasst werden soll, kann nicht wirksam mit dem bloßen Tagesordnungspunkt "Vorstandsangelegenheiten" einberufen werden (vgl. BGH v. 29.5.2000 – II ZR 47/99, ZIP 2000, 1336). Allerdings besteht die Möglichkeit, den fehlerhaften und damit unwirksamen Beschl. durch einen später gefassten wirksamen Beschluss analog § 244 AktG zu heilen (vgl. Spindler/Stilz/Fleischer, § 84 AktG Rn 164 und 182; OLG Stuttgart v. 13.3.2008, AG 2003, 211).

 

Rz. 685

Die Abberufung ist auch dann nichtig, wenn ein oder mehrere AR-Mitglieder unwirksam in den Aufsichtsrat gewählt wurden, und es auf diese Stimme(n) bei dem Beschluss über die Abberufung des Vorstandes ankam (vgl. BGH v. 19.2.2013 – II ZR 56/12).

 

Rz. 686

 

Hinweis (zur fehlerhaften Abberufung des Vorstandsmitgliedes)

1. Ein fehlerhafter Abberufungsbeschluss aus formellen Mängeln bedeutet, dass das Vorstandsmitglied weiter im Amt bleibt.
2. Denn § 84 Abs. 4 S. 4 AktG, wonach die Abberufung bis zur Feststellung der Unwirksamkeit wirksam ist, findet bei fehlerhaften Abberufungsbeschlüssen keine Anwendung (vgl. OLG Köln v. 28.2.2008 – 18 U 3/08).
3. Das Vorstandsmitglied kann im Wege der einstweiligen Verfügung verlangen, weiter als Vorstand tätig zu sein.

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