Rz. 1499

Ist in einem wirksamen Arbeitsvertrag die Zahlung von Provisionen vereinbart, müssen verschiedene Voraussetzungen für die Entstehung des Anspruchs gegeben sein.

aa) Provisionsanspruch der angestellten Vertriebskraft

 

Rz. 1500

Gem. § 87 Abs. 1 S. 1 Var. 1 HGB i.V.m. § 65 HGB ist für den Erwerb eines Provisionsanspruchs erforderlich, dass ein Geschäft während der Laufzeit des Arbeitsvertrags geschlossen worden und der Geschäftsabschluss ursächlich auf die Vermittlungstätigkeit der angestellten Vertriebskraft zurückzuführen ist. Noch nicht abschließend geklärt ist, was unter dem Begriff des Geschäfts zu verstehen ist. Teilweise wird darunter der Eintritt eines bestimmten geschäftlichen Erfolgs verstanden (LAG Berlin-Brandenburg v. 8.5.2015 – 3 Sa 1915/14, EversOK Ls. 19 – Verkaufsberater für Wohnimmobilie). Genauer ist darunter ein Rechtsverhältnis zu verstehen, das den Dritten zu der Leistung verpflichtet, aus dem sich die Provision der angestellten Vertriebskraft nach dem Arbeitsvertrag berechnet (vgl. dazu Evers, ZVertriebsR 22, 343, 344). Fällig wird der Provisionsanspruch erst mit der Ausführung des Geschäfts durch den Arbeitgeber oder den Kunden, vgl. § 87a Abs. 1 HGB. Mit dem Abschluss des Geschäfts entsteht der Provisionsanspruch zunächst nur aufschiebend bedingt. Der Handlungsgehilfe gem. § 59 HGB erwirbt eine Provisionsanwartschaft (OLG Düsseldorf v. 15.1.1999 – 16 U 2/98, EversOK Ls. 1, 2; Küstner/Thume/Castelletti, HdB-VertR, Bd. III, Kap. 5 Rn 21).

 

Rz. 1501

Erforderlich für die Ursächlichkeit der Vermittlungstätigkeit ist nur, dass die Tätigkeit der angestellten Vertriebskraft die zu dem Abschluss führenden Verhandlungen irgendwie veranlasst oder motiviert hat. Es ist unerheblich, ob zusätzliche Bemühungen des Unternehmers oder Dritter ebenfalls zum Vertragsschluss beigetragen haben. Mitursächlichkeit reicht also aus (BAG v. 11.4.2000 – 9 AZR 266/99, NJW 2001, 772 = EversOK Ls. 6; BAG v. 22.1.1971, BB 1971, 492; BAG v. 4.11.1968, AP Nr. 5 zu § 65 HGB). Sind dem Handlungsgehilfen in der Funktion eines Vertriebs- oder Verkaufsleiters andere Vertriebspersonen zum Zwecke der Schulung, Betreuung und Überwachung gegen Zahlung einer Superprovision zugewiesen, wird er auch für die Geschäftsabschlüsse der ihm unterstellten Vertriebspersonen mitursächlich (vgl. BGH v. 23.11.2011, EversOK Ls. 26 = NJW 2012, 6, vgl. Rdn 1497). Wenn das Geschäft auf die Tätigkeit mehrerer Vertriebskräfte zurückzuführen ist, die unabhängig voneinander oder auch miteinander gearbeitet haben, erwirbt jeder einen Anspruch auf die volle Provision, wenn nicht eine abweichende Vereinbarung besteht (LAG Hamm v. 23.6.1993 – 15 Sa 1269/92, EversOK Ls. = BB 1993, 2236). Deshalb sollte der Arbeitsvertrag stets eine sog. Provisionskollisionsregelung enthalten.

 

Rz. 1502

Außerdem erhält die angestellte Vertriebskraft einen Anspruch auf eine sog. (Kundenschutz-)Provision, wenn der Arbeitgeber mit einem solchen Kunden einen Vertrag geschlossen hat, den der Handlungsgehilfe ihm als Kunden für Geschäfte der gleichen Art zugeführt hat, § 87 Abs. 1 S. 1 Var. 2 HGB. Die angestellte Vertriebskraft muss die Geschäftsbeziehung zwischen dem Unternehmer und den Kunden hergestellt haben, aufgrund derer der Kunde eine Nachbestellung aufgibt. Ausreichend hierfür ist die Mitursächlichkeit des Handlungsgehilfen (LAG Thüringen v. 14.12.2021 – 1 Sa 177/20, EversOK Ls. 45). Für den Anspruch auf Kundenschutzprovision ist es unerheblich, ob der Arbeitgeber zu dem Kunden schon eine Geschäftsbeziehung unterhalten hat, sofern diese Geschäfte anderer Art zum Inhalt hatten. Die Beurteilung, ob es sich um einen neuen oder um einen vorhandenen Kunden i.S.v. § 87 Abs. 1Var. 2 HGB handelt, hat anhand der Produkte zu erfolgen, mit deren Vermittlung die angestellte Vertriebskraft beauftragt wurde und deren Verkauf sie ggf. tätigen soll (BGH v. 6.10.2016 – VII ZR 328/12, EversOK Ls. 11). Lässt der Arbeitgeber verschiedene Markenartikel gleicher Art wie beispielsweise Brillenkollektionen über verschiedene Vertriebskräfte vertreiben, schließt der Umstand, dass ein Kunde mit dem Arbeitgeber bereits wegen anderer Markenartikel dieses Segments Geschäftsverbindungen unterhält, nicht aus, dass die angestellte Vertriebskraft dem Arbeitgeber diesen Kunden für die von ihm vertriebenen Marken zuführt, wenn es ihr durch ihre Bemühungen gelungen ist, den Kunden auch zum Bezug der von ihr vertriebenen Markenartikel zu bewegen. Dabei ist allerdings zu prüfen, ob der Vertrieb der Markenartikel von Seiten der betreffenden Vertriebskraft Vermittlungsbemühungen und eine besondere Verkaufsstrategie im Hinblick auf die Begründung einer speziellen Geschäftsverbindung erfordert (BGH v. 6.10.2016 – VII ZR 328/12, EversOK Ls. 12). § 87 Abs. 1 S. 1 Var. 2 HGB ist abdingbar (LAG Köln v. 31.1.2022 – 2 Sa 486/21, EversOK Ls. 10). Will der Arbeitgeber den gesetzlichen Provisionsanspruch des Handlungsgehilfen nach §§ 87 Abs. 1 i.V.m. 65, 59 HGB abbedingen, muss er dies allerdings ausdrücklich regeln (LAG Thüringen v. 14.12.2021 – 1 Sa 177/20, EversOK Ls. 45)...

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