Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Inhalts- und Billigkeitskontrolle bei vom Arbeitnehmer formulierter Kundenschutzvereinbarung. Keine Bezirksprovision für Arbeitnehmer im Arbeitsverhältnis

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Erstellt der Handelsvertreter bzw. der Angestellte selbst eine vertragliche Kundenschutzvereinbarung, kann die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB nicht eingreifen. Denn die Kundenschutzvereinbarung ist keine Allgemeine Geschäftsbedingung, die formularmäßig oder in einer Vielzahl von Fällen eingesetzt werden soll.

2. Die HGB-Regelung über Bezirksprovisionen gilt nur für Handelsvertreter, denn § 65 HGB nimmt nur Bezug auf § 87 Abs. 1 und Abs. 3 HGB, nicht aber auf § 87 Abs. 2 HGB. Deshalb fehlt die Zuweisung eines bestimmten Bezirks beim Arbeitnehmer - anders als beim Handelsvertreter - und es entsteht kein Anspruch auf Bezirksprovision.

 

Normenkette

HGB §§ 59, 65, 87, 87 Abs. 2-3; BGB §§ 133, 157, 305c Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Nordhausen (Entscheidung vom 30.01.2020; Aktenzeichen 3 Ca 1083/18)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Teilurteil des Arbeitsgerichts Nordhausen vom 30.01.2020 - Az. 3 Ca 1083/18 - teilweise abgeändert und der Tenor zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger einen Buchauszug für die Zeit vom 14.04.2015 bis 14.11.2018 über sämtliche Geschäfte zu erteilen, die zwischen der Beklagten und folgenden Kunden, nämlich

- A..., Makler sowie

- B..., Handelsagentur, C...

zustande gekommen sind und die die Herstellung und Lieferung bzw. Abholung von Etiketten betreffen, die für Kunden vorgesehen sind, die in der Anlage 1 Tabelle 1 Seite 1 bis 7 und in der Anlage 2 Tabelle 1 Seite 1 zur Kundenschutzvereinbarung vom 29.01.2010 aufgeführt wurden.

Der Buchauszug hat Auskunft zu geben über:

a) Auftragsdatum und Auftragsnummer,

b) Auftragsumfang mit Angabe der Warenmenge und des Warenwerts laut Auftrag,

c) Rechnungsdatum und Rechnungsnummer sowie Rechnungsbetrag,

d) Kunden mit Kundennummer

e) Stadium der Ausführung des Geschäfts,

f) Zeitpunkt und Höhe der eingegangenen Zahlungen,

g) den Endkunden, für den die Etiketten gedacht sind sowie

h) Liefer-, Abholdatum, Lieferscheinnummer sowie Spezifikation der ausgelieferten Waren wie Artikelbezeichnung, Menge, Lieferort und Adressat.

2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 14.04.2015 bis zum 14.11.2018 Auskünfte dahingehend zu erteilen,

- welche Etikettenlieferungen an die Firmen D... und E... erfolgt sind und die

- auf eine Vermittlungstätigkeit mit den Firmen A... oder B... zurückzuführen sind,

- welche Warenmenge und welcher Warenwert hierbei geliefert wurde und welcher Betrag hierbei bezüglich der Warenlieferung abgerechnet worden ist.

3. Es wird festgestellt, dass zu Gunsten des Klägers kein Bezirksschutz für das mit den Postleitzahlen aufgeführte Vertragsgebiet gemäß Ziffer IV. der Kundenschutzvereinbarung vom 29.01.2010 (Anlage B1) besteht.

4. Im Übrigen werden Klage und Widerklage abgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 60 % und die Beklagte zu 40 %.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten Rahmen einer Stufenklage um Provisionszahlungen und um die Erteilung eines Buchauszugs und einer Auskunft sowie in diesem Zusammenhang um Umfang und Reichweite einer Kundenschutzvereinbarung. Gegenstand des Berufungsverfahrens sind lediglich die erste Stufe (Buchauszug und Auskunft) sowie Feststellungen im Rahmen einer Widerklage.

Die Beklagte betreibt eine Papierwarenfabrik. Der Kläger ist seit 1989 für die Beklagte bzw. deren Vorgängerfirmen tätig. Aufgabe des Klägers ist es, die von der Beklagten hergestellten Etiketten im Außendienst zu vertreiben. Die im Arbeitsvertrag (Bl. 266 d. A.) vorgesehene umsatzbezogene Leistungszulage wurde mittlerweile unstreitig durch eine Vermittlungsprovision von 3 % des vermittelten Umsatzes (Nettowarenwert) ersetzt. Inklusive des monatlichen Festgehalts von 1.378,00 € brutto bezog der Kläger auf diese Weise in den Jahren 2012 bis 2014 Jahresvergütungen von über 300.000,00 €, in den Folgejahren mehr als 400.000,00 €.

Anfang 2010 waren bei der Beklagten vier Außendienstmitarbeiter beschäftigt. Alle vier Außendienstmitarbeiter und so auch der Kläger waren deutschlandweit im Einsatz. Eine räumliche Gebietszuweisung für die Außendienstmitarbeiter bestand nicht. Die Betreuung der gewonnenen Kunden intern erfolgte durch den Innendienst. Für den Innendienst bestanden keine Provisionsvereinbarungen. Der Kläger erhielt für den von ihm in Deutschland aufgebauten Kundenstamm die vereinbarte Provision für alle Geschäfte mit von ihm vermittelten Kunden, auch für Nachfolgebestellungen der jeweiligen Kunden direkt beim Innendienst.

Anfang 2010 initiierte die Beklagte eine Neuzuordnung der Vertriebsgebiete. Die Beklagte wollte dabei ausweislich der Einladung zu einer Vertriebstagung am 21.01.2010 (Bl. 272 d. A.) die bis dahin räumlich nicht beschränkte Tätigkeit der Außendienstmitarbeiter effektiver gestalten ...

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