Rz. 62

Der Versicherer hat nachzuweisen, dass der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall durch einen unachtsamen Umgang mit dem Fahrzeugschlüssel verursacht hat. Dabei hat der Versicherer grundsätzlich den Vollbeweis[87] zu erbringen, so dass er sich grundsätzlich nicht auf einen Anscheinsbeweis stützen kann, sondern einen für die Überzeugungsbildung i.S.d. § 286 ZPO erforderlichen "Mindestsachverhalt" positiv nachweisen muss. Mit anderen Worten ist der Versicherer nur dann zu einer Leistungskürzung berechtigt, wenn feststeht, dass das betreffende grob fahrlässige Verhalten des Versicherungsnehmers für den Diebstahl des Fahrzeugs ursächlich geworden ist.[88] Eine grob fahrlässige Verursachung ist zu bejahen, wenn der Versicherungsnehmer bewusst das Fahrzeug nachmittags unverschlossen vor seinem Haus abstellt sowie den Kfz-Schlüssel und den Kfz-Schein darin zurücklässt und das Fahrzeug über Nacht entwendet wird.[89] Wird der Fahrzeugschlüssel grob fahrlässig im Fahrzeug zurückgelassen, muss vom Versicherer allerdings bewiesen werden, dass durch das Zurücklassen des Schlüssels die Entwendung erst ermöglicht oder zumindest gefördert worden ist. Voraussetzung ist regelmäßig die Verwendung des Schlüssels durch den Dieb.[90] Das Steckenlassen des Schlüssels im Zündschloss ist auch bei einem kurzen Abstellen grob fahrlässig, wenn der Dieb anschließend mit dem Schlüssel das Fahrzeug entwendet.[91] Auch das Zurücklassen des Schlüssels in der Hosentasche der Jeans, die unbeaufsichtigt und unverschlossen in der Umkleidekabine einer Sporthalle verblieben ist, stellt sich als grob fahrlässiges Verhalten dar, das gem. § 81 Abs. 2 VVG zu einer quotalen Leistungskürzung führt.[92]

 

Rz. 63

Bei der Quotenbildung wird es entscheidend darauf ankommen, welcher konkreten Gefährdung das Fahrzeug ausgesetzt worden ist.[93] Hierzu gehört auch, wie lange die Gefahrenlage bestanden hat, und welchen Wert das Fahrzeug besitzt. Die Anforderungen an den Schutz des versicherten Objekts mögen dabei höher sein, je wertvoller dieses ist, bzw. der Anreiz zu einem Diebstahl mag entsprechend steigen. Maßgeblich ist sicher auch der Ort, wo das Fahrzeug abgestellt wurde, und ob dort Sicherungsmaßnahmen vorhanden sind. Häufig wird zugunsten des Versicherungsnehmers allerdings ein sog. Augenblicksversagen zu berücksichtigen sein. Angesichts der Vielzahl der Fallgestaltungen lässt sich nur ein äußerst grobes Quotenraster erstellen. In der Literatur wird i.d.R. ein Kürzungsrahmen von 40–80 % erörtert.[94]

 

Rz. 64

Muster 15.18: Einwände bei der Leistungskürzung beim unachtsamen Umgang mit dem Fahrzeugschlüssel

 

Muster 15.18: Einwände bei der Leistungskürzung beim unachtsamen Umgang mit dem Fahrzeugschlüssel

_________________________ Versicherung AG

_________________________

_________________________

Schaden-Nr./VS-Nr./Az. _________________________

Schaden vom _________________________

Pkw _________________________, amtl. Kennzeichen _________________________

Sehr geehrte Damen und Herren,

in vorbezeichneter Angelegenheit komme ich zurück auf Ihre Leistungsablehnung in Höhe von _________________________ %, die zu beanstanden ist.

1) Es ist kein grob fahrlässiges Fehlverhalten meiner Mandantschaft anzunehmen, welches sich ursächlich ausgewirkt hat. Sie haben für die ursächliche Entwendung des Fahrzeugs mit dem angeblich grob fahrlässig aufbewahrten Schlüssel den Vollbeweis mit einem für die Überzeugungsbildung i.S.d§ 286 ZPO erforderlichen "Mindestsachverhalt" zu erbringen (OLG Koblenz, Urt. v. 13.3.2009 – Az. 10 U 1038/08 = VersR 2009, 1526; OLG Koblenz, Beschl. v. 26.3.2009 – Az. 10 U 1243/08 = VersR 2009, 1527; vgl. auch OLG Naumburg, Urt. v. 14.3.2013 – Az. 4 U 47/12 = zfs 2014, 93). Voraussetzung hierfür ist regelmäßig die Verwendung des Schlüssels durch den Dieb (OLG Jena, Urt. v. 5.8.1998 – Az. 4 U 135/98 = zfs 1999, 23; LG Köln, Urt. v. 15.1.2009 – Az. 24 O 365/08 = SP 2010, 120). Diesen Nachweis haben Sie nicht erbracht. Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass _________________________

2) Selbst wenn mein Mandant tatsächlich grob fahrlässig gehandelt haben sollte, steht Ihnen kein Kürzungsrecht in der begehrten Höhe zu. Maßgeblich sind insoweit die Dauer der Gefährdung, der Wert des versicherten Objekts und die Vorhersehbarkeit bzw. Wahrscheinlichkeit einer solchen Tat (Nugel, Kürzungsquoten nach dem VVG, 2. Aufl. 2012, § 2 Rn 120). Hier ist zu berücksichtigen, dass _________________________. Zweifel wirken sich auch hier zu Ihren Lasten als beweisbelastete Partei aus.

Ich fordere Sie daher auf, Ihre Rechtsposition nochmals zu überdenken und den von meinem Mandanten verfolgten Kaskoschaden vollständig, zumindest aber in Höhe von _________________________ EUR auszugleichen. Hierfür habe ich mir vorsorglich eine Frist notiert bis zum

_________________________ (10-Tages-Frist).

Mit freundlichen Grüßen

(Rechtsanwalt)

[87] BGH, Beschl. v. 13.4.2005 – Az. IV ZR 62/04 = VersR 2005, 1387 zur vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalls; OLG Koblenz, Urt. v. 5.3....

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