Leitsatz (amtlich)

1. § 61 VVG setzt voraus, dass das vorsätzliche oder grob fahrlässige Verhalten des Versicherungsnehmers für den Eintritt des Versicherungsfalles kausal gewesen ist. Die Beweislast für die Kausalität obliegt dem Versicherer.

2. Das dauerhafte Verwahren des Kfz-Scheins im Fahrzeug stellt eine grob fahrlässige Gefahrerhöhung dar, die die Leistungsfreiheit des Versicherers zur Folge hat, §§ 23, 25 VVG. Den Kausalitätsgegenbeweis hat der Versicherungsnehmer zu führen.

 

Normenkette

VVG §§ 23, 25, 61

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Urteil vom 25.01.2007; Aktenzeichen 8 O 280/06)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 25.1.2007 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des LG Hannover wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht als Kaskoversicherer der Beklagten die Rückzahlung einer unter Vorbehalt geleisteten Versicherungssumme für einen Kfz-Diebstahl geltend, der zwischen den Parteien streitig ist.

Die Beklagte ist Ersthalterin eines am 10.10.1996 erstmals zugelassenen Pkw Audi S 6 Plus Avant Quattro 4.2, amtliches Kennzeichen ..., der bei der Klägerin haftpflicht- und vollkaskoversichert sowie mit Alarmanlage und Wegfahrsperre ausgestattet ist. Ihr Geschäftsführer, der den Pkw nutzte, verwahrte den Kfz-Schein von Anfang an in der Servicemappe im Pkw. Der Geschäftsführer der Beklagten zeigte am 8.10.2005 bei dem Polizeikommissariat S. den Diebstahl des Fahrzeugs in dem Zeitraum zwischen dem 7.10.2005, 20.00 Uhr bis 8.10.2005 gegen 7.00 Uhr vom unverschlossenen Hof seines Hauses ..., S., an (K 1). Er gab an, in dem Fahrzeug hätten sich u.a. diverse Schlüssel für die Eingangstüren seiner Firma befunden. Es seien insgesamt drei Original-Fahrzeugschlüssel vorhanden (K 7, S. 4). Er händigte der Polizei drei Schlüssel aus.

Am 10.10.2005 (K 2) meldete er den Schaden der Klägerin und füllte am 20.10.2005 das ihm übersandte Schadensformular aus, das er durch die Schadensanzeige vom 28.10.2005 ergänzte (K 3, K 4). Er gab an, vier Originalschlüssel für den Pkw besessen zu haben, von denen einer verloren gegangen sei.

Das Fahrzeug habe eine Laufleistung von 163.000 km gehabt. Ausweislich einer von ihm vorgelegten Rechnung der Firma R. vom 14.1.2004 betrug die Laufleistung seinerzeit 140.104 km (K 10).

In der Vergangenheit machte die Beklagte schon einmal Ansprüche gegen die Klägerin wegen des Diebstahls eines anderen Fahrzeugs in Litauen geltend. In dem deswegen geführten Prozess vor dem LG Hamburg (323 O 170/03) unterlag sie wegen der Verletzung ihrer Aufklärungsobliegenheiten im Hinblick auf die Angaben zu den Fahrzeugschlüsseln (Urt. v. 30.12.2005, K 12).

Die Klägerin zahlte an die Beklagte ausdrücklich unter Vorbehalt den errechneten Wiederbeschaffungswert abzgl. der Selbstbeteiligung i.H.v. insgesamt 10.582,75 EUR (K 5, K 6). Dies ist die Klageforderung.

Laut Untersuchungsbericht des Landeskriminalamtes Niedersachsen vom 1.11.2005 (K 8) wurden an den Schlüsseln keine Kopierspuren festgestellt. Der werkseitige Schlüsselsatz bestehe aus vier Schlüsseln. Der vorgelegte Hauptschlüssel sei ein werkseitig gelieferter Nachschlüssel. Beide werkseitige Hauptschlüssel fehlten.

Die Klägerin hat einen Kfz-Diebstahl bestritten und behauptet, der werkseitige Originalschlüsselsatz bestehe aus vier Fahrzeugschlüsseln. Der Beklagte habe einen werkseitig gelieferten Nachschlüssel sowie zwei Duplikate vorgelegt. Es fehlten zwei Original-Hauptschlüssel. Die tatsächliche Laufleistung des Fahrzeugs habe im Oktober 2005 ca. 170.000 km betragen.

Sie hat sich auf Leistungsfreiheit wegen vorsätzlicher Anzeigepflichtverletzungen der Beklagten im Hinblick auf die Fahrzeugschlüssel und die Laufleistung sowie auf § 61 VVG berufen.

Die Klägerin hat beantragt (Bl. 3, 93 d.A.), die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 10.582,75 EUR nebst Zinsen i.H.v. acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.5.2006 sowie 8 EUR Mahnkosten zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt (Bl. 37 d.A.), die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, am 8.10.2005 habe die Schwiegermutter des Geschäftsführers der Beklagten, die auf demselben Grundstück wohne, gegen 2.30 Uhr ihre Katzen hinaus gelassen und den streitbefangenen Pkw noch auf dem Hof stehen sehen (Lichtbilder Bl. 68 ff. d.A.).

Ihr Geschäftsführer habe die Fahrzeugschlüssel für Dritte unzugänglich im Firmensafe bzw. in seinem Wohnhaus aufbewahrt. Er habe sämtliche Angaben zu den Schlüsseln nach bestem Wissen gemacht. Die der Polizei ausgehändigten Schlüssel seien die von Audi mitgelieferten Exemplare. Etwa drei bis vier Wochen vor dem Diebstahl habe er die Batterien der Fernbedienung beider Schlüssel ausgewechselt und dabei sehr wahrscheinlich einen im Pkw zurückgelassen.

Das Hinterlassen von Fahrzeugschlüssel und Kfz-Schein im Pkw sei nicht ursächlich für den Diebstahl gewesen.

Das LG hat den Geschäftsführer der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 12.1.2007 persönlich zu den Fahrzeugschlüsseln angehört. Auf...

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