A. Allgemeines zur Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs

I. Vorüberlegungen im Prozessverfahren

1. Allgemeines

 

Rz. 1

Nach § 2317 BGB handelt es sich beim Pflichtteilsanspruch um einen Geldanspruch, der mit dem Erbfall entsteht. Fällig wird der Pflichtteilsanspruch mit Geltendmachung gegenüber dem Pflichtteilsschuldner, d.h. gegenüber dem Erben oder, wenn die Voraussetzungen des § 2329 BGB vorliegen, gegenüber dem Beschenkten.[1] Der Pflichtteilsberechtigte kann seinen Pflichtteilsanspruch auf verschiedene Art und Weise geltend machen. Er kann, wenn der Nachlass bereits bekannt ist und wenn insbesondere über den Wert der einzelnen Nachlassgegenstände hinreichend Informationen vorliegen, sofort eine Zahlungsklage erheben. Dieses Vorgehen empfiehlt sich insbesondere dann, wenn sich lediglich Geldmittel im Nachlass befinden oder die Bewertung der Nachlassgegenstände unproblematisch ist. Hat der Pflichtteilsberechtigte dagegen wenig Informationen über den Nachlass und ist der Pflichtteilsschuldner außergerichtlich auch nicht bereit, dem Pflichtteilsberechtigten durch Erfüllung seiner Auskunftspflicht einen umfassenden Überblick über den Nachlass zu geben, dann kann der Pflichtteilsberechtigte zunächst Auskunftsklage erheben und erst danach den Zahlungsanspruch geltend machen. Hierbei besteht allerdings die Gefahr der Verjährung des Zahlungsanspruchs und dass durch zwei getrennte Verfahren letztlich höhere Prozesskosten entstehen, da sich diese aus zwei getrennten Streitwerten berechnen.

 

Rz. 2

Alternativ hat der Pflichtteilsberechtigte auch die Möglichkeit, eine Stufenklage zu erheben. Bei der Stufenklage kann der Pflichtteilsberechtigte je nach Bedürfnis unterscheiden, ob er Auskunft, Wertermittlung, eidesstattliche Versicherung und schließlich den Zahlungsanspruch geltend macht oder ob er sich auf einzelne Stufen beschränkt, z.B. die Wertermittlung und danach im Anschluss den Zahlungsanspruch geltend macht. Bei der Stufenklage ist darauf zu achten, dass dem Pflichtteilsberechtigten möglicherweise nicht mehr alle Ansprüche zustehen. Hat der Pflichtteilsschuldner einmal Auskunft über den Nachlass erteilt, so besteht seitens des Pflichtteilsberechtigten i.d.R. kein weitergehender Auskunftsanspruch auf Ergänzung des Nachlassverzeichnisses (vgl. § 9 Rdn 33). Er hat nach der erteilten Auskunft lediglich die Möglichkeit, deren Richtigkeit und Vollständigkeit eidesstattlich versichern zu lassen. Aufbau und Inhalt der Stufenklage sind daher gut zu überdenken. Ferner sollte nicht unberücksichtigt bleiben, dass die jeweils einzelnen Stufen gesondert durch Teilurteil entschieden werden müssen und dass durch jede weitere Stufe sich das Verfahren länger hinziehen wird. Im Verhältnis zur einzelnen Geltendmachung von Auskunfts-, Wertermittlungs- und Zahlungsanspruch werden bei der Stufenklage (Sonderfall der objektiven Klagehäufung)[2] die Prozesskosten aus einem Gesamtstreitwert ermittelt.[3]

 

Rz. 3

Ein weiterer Vorteil der Stufenklage ist, dass der Zahlungsanspruch (Leistungsklage) grundsätzlich nicht verjährt, wenn sich die Auskunftserteilung über einen längeren Zeitraum hinzieht.[4] Hierbei gilt es jedoch zu beachten, dass bereits im Vorfeld die Möglichkeit in Betracht gezogen werden muss, dass der Erbe (aufgrund der Vorschrift des § 2329 BGB) möglicherweise nicht in vollem Umfang für den Pflichtteilsanspruch haftet. Ist eine solche Möglichkeit absehbar, dann sollte der Pflichtteilsberechtigte in jedem Fall einen Feststellungsantrag gegen den Beschenkten in Erwägung ziehen (vgl. hierzu Rdn 280).

 

Rz. 4

Hat der Pflichtteilsberechtigte zunächst nur einen Auskunftsantrag gestellt, so kann er diesen auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung erweitern, wenn sich im Rahmen der Auskunftserteilung berechtigte Hinweise ergeben, dass die Auskunft nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erstellt wurde. Hierbei handelt es sich grundsätzlich um eine zulässige Klageerweiterung i.S.d. § 264 Nr. 2 ZPO.[5] Das Gleiche gilt, wenn eine Auskunftsklage erst im Prozess durch einen Leistungsantrag erweitert wird,[6] oder aber auch beim Übergang vom Auskunfts- zum Leistungsanspruch. Der Streit um eine Auskunftsverpflichtung geht dann in den Streit um die Zahlungsverpflichtung voll über.[7]

[1] Zur Fälligkeit und Verzinsung des Pflichtteilsanspruchs vgl. Rißmann, ZErb 2002, 181.
[2] BGH NJW 1994, 3102.
[3] Zöller/Greger, ZPO, § 254 Rn 5.
[4] BGH MDR 1992, 1180.
[5] Vgl. Kuchinke, NJW 1957, 1175.
[6] BGH NJW 1979, 925.
[7] RGZ 40, 7; BGHZ 52, 169.

2. Aufklärungs- und Hinweispflicht des Gerichts nach § 139 ZPO

 

Rz. 5

Nach § 139 ZPO trifft das Gericht eine Aufklärungs- und Hinweispflicht. Nach dem Grundgedanken des § 139 ZPO muss das Gericht darauf hinwirken, dass alle für die Entscheidung erheblichen Informationen beigebracht und offensichtliche Lücken im Parteivorbringen geschlossen werden. Die im Rahmen der materiellen Prozessleitung obliegende Aufklärungs- und Hinweispflicht ist eine zwingende Verfahrensvorschrift.[8] Bestand Anlass für einen Hinweis, dann liegt ein Verfahrensfehler wegen Verletzung der Prozessleitungspflicht vor und das Urteil kann in der Berufung bzw. Revision aufgehoben werden.[9] Die seitens des Gerichts erga...

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