a) Inhaltliche Grenzen

aa) Beiordnung als Maßstab der Vergütung

 

Rz. 61

Der Umfang der Beiordnung bezeichnet den Umfang der zu erwartenden Vergütung aus der Staatskasse. Er richtet sich nach dem Beiordnungs- und Bewilligungsbeschluss (§ 48 Abs. 1 RVG). Grundgedanke ist, dass jede Tätigkeit, die einen neuen oder einen höheren Gebührenanspruch auslöst, der Erweiterung von Bewilligung und Beiordnung bedarf. Wird das übersehen, bleibt es bei der Vergütung für denjenigen Teil des Streitstoffs, auf den sich die Bewilligung/Beiordnung bezog.

bb) Nicht von der Beiordnung erfasste Angelegenheiten

 

Rz. 62

Die Bewilligung/Beiordnung erstreckt sich nicht auf Angelegenheiten, die mit dem Hauptverfahren nur zusammenhängen (§ 48 Abs. 5 RVG). Diese Grundregel wird durch Beispiele erläutert (§ 48 Abs. 5 S. 2 Nr. 1 bis 4 RVG). Fälle dieser Art sind insbesondere:

(1) Änderung des Antrags, Widerantrag

 

Rz. 63

Soll die Klage/der Antrag anders begründet oder erweitert werden oder wird Verteidigung gegen eine erweiterte Klage/einen erweiterten Antrag erforderlich, muss die Erstreckung der Verfahrenskostenhilfe beantragt werden. Die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe und die Beiordnung gelten nicht für eine nachträgliche Antragsänderung.[61] Die Bewilligung wie auch die Beiordnung sind nur für bestimmte Beteiligtenrollen erfolgt. Es bedarf der Erstreckung, wenn Widerantrag erhoben oder Verteidigung gegen einen Widerantrag notwendig wird. Ausgenommen ist nur die Verteidigung gegen den Widerantrag in Ehesachen und in LPart-Sachen, aber nicht der Widerantrag selbst (§ 48 Abs. 5 S. 2 Nr. 4 RVG). Es kann vorkommen, dass die Verfahrenskostenhilfe mit Beiordnung auf der Antragsgegnerseite bewilligt ist. Wird Scheidungswiderantrag erhoben und dafür kein Verfahrenskostenhilfeantrag gestellt und nimmt der ursprüngliche Anspruchsteller den Antrag zurück, können ungedeckte Terminsgebühren entstehen, weil ohne ausdrückliche Bewilligung und Beiordnung zwar die Verteidigung gegen den Widerantrag, nicht aber der Widerantrag selbst gebührenrechtlich abgedeckt ist.

[61] BGH AnwBl. 2006, 75 = NJW RR 2006, 429 = AGS 2006, 38 m. Anm. Mock.

(2) Rechtsmittel, Anschlussrechtsmittel

 

Rz. 64

Erfasst ist immer nur ein Rechtszug. Für das Rechtsmittelverfahren muss ein eigener Antrag gestellt werden.[62] Die Beiordnung für die Berufung (in Familiensachen: Beschwerde) umfasst die Rechtsverteidigung gegen die Anschlussberufung/-beschwerde, aber nicht die Anschlussberufung (in Familiensachen: Anschlussbeschwerde) selbst, § 48 Abs. 2 S. 1 RVG. Grundsätzlich muss in der 2. Instanz die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse erneut vorgelegt werden (§ 117 Abs. 2 ZPO i.V.m. §§ 113 Abs. 2, 76 Abs. 1 FamFG). Nur bei einem unmissverständlichen Hinweis, dass sich die Situation gegenüber der 1. Instanz nicht geändert hat, kann von der erneuten Vorlage einer Erklärung abgesehen werden. Die Erklärung, es hätte sich "nichts wesentliches" geändert, reicht also nicht aus.[63]

[62] BGH, Beschl. v. 23.4.2015 –VII ZA 1/15, BeckRS 2015, 08998; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, § 48 Rn 99 ff.
[63] Vgl. BGH NJW 2001, 2720.

(3) Eilverfahren

 

Rz. 65

Die einstweilige Anordnung ist ein selbstständiges Verfahren (§ 51 Abs. 3 S. 1 FamFG). Für jede einstweilige Anordnung muss ein eigener Bewilligungs- und Beiordnungsantrag gestellt werden (§ 48 Abs. 5 S. 2 Nr. 2 RVG). Das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung/eines Arrestes ist kostenrechtlich zusammen mit dem Abänderungsantrag (Abänderung, Aufhebung) eine gebührenrechtliche Angelegenheit (Vorb. 1.4 FamGKG KV; § 16 Nr. 5 RVG). Wenn eine Abänderung nach unten oder die Aufhebung beantragt wird, ist also ein Antrag auf Bewilligung/Beiordnung des Anwalts, der im Bewilligungsverfahren oder in einem früheren Abänderungsverfahren schon beigeordnet war, nicht erforderlich. Wird dagegen eine Abänderung nach oben (also verfahrenswerterhöhend) beantragt, entspricht dies den Regeln für eine Klageerhöhung, bedarf also einer Erweiterung der Bewilligung/Beiordnung und muss daher beantragt werden.

 

Rz. 66

In den obigen Fällen (s. Rdn 63 ff.) können Gerichtskosten bezüglich des Anschlussrechtsmittels und in den weiteren Fällen (s. Rdn 65) Kosten durch die Vollziehung der Eilentscheidung bei Gericht entstehen. Auf diese Gerichtskosten soll § 122 Abs. 1 ZPO angewandt werden, um die bedürftige Partei vor Gerichtskosten zu schützen.[64]

Die Beiordnung muss in der einstweiligen Anordnung immer beantragt werden, weil eine anwaltliche Vertretung nicht geboten ist (§ 114 Abs. 4 Nr. 1 FamFG). Streitig ist, wie Anträge auf Verlängerung von Eilanordnungen zum Gewaltschutz zu behandeln sind, die für einen bestimmten Zeitraum ergangen waren. Es handelt sich um eine neue Angelegenheit, es muss daher die Bewilligung und Beiordnung erneut beantragt werden.[65]

[64] AnwK-RVG/Fölsch/Schafhausen/N. Schneider/Thiel, § 48 Rn 54.
[65] A.A. AG Kreuznach AGS 2008, 596 m. abl. Anm. N. Schneider; ebenso: Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, § 16 RVG Rn 102 (vgl. § 1 Rn 29 m.w.N).

cc) Vollstreckung und Beiordnung

 

Rz. 67

Bewilligung und Beiordnung müssen für die Vollstreckung (Zwangsvollstreckung) gesondert beantragt werden. Das gilt für die Vollstreckung aus Hauptsachetiteln; für die Vollziehung von Arresten und e...

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