Rz. 43

Gerade zu Beginn des Mandats obliegt dem Rechtsanwalt eine besondere Aufklärungspflicht. Er muss den für seine Bearbeitung notwendigen Sachverhalt aufklären. Dabei trifft den Rechtsanwalt die Pflicht, den Sachverhalt so zu hinterfragen, dass er sich hiervon ein umfassendes Bild machen kann.[30] Hierbei muss der Rechtsanwalt selbst aktiv werden und zwar so weit, dass er eine umfassende Begutachtung der Rechtslage vornehmen kann. Es genügt daher grundsätzlich nicht, wenn er sich von den Mandanten lediglich den Sachverhalt erklären lässt. Den Mandanten trifft im Gegenzug ebenso die Verpflichtung, den Rechtsanwalt bestmöglich über den ihm bekannten Sachverhalt zu unterrichten. Der Rechtsanwalt muss die ihm gegenüber gemachten Angaben nicht auf ihre Richtigkeit hin überprüfen und auch keine eigenen Ermittlungen anstellen.[31] In der Regel darf der Rechtsanwalt auf die Richtigkeit der Behauptungen und Angaben des Mandanten vertrauen. Bestehen jedoch Zweifel an der Richtigkeit, müssen diese überprüft werden.[32]

 

Rz. 44

Aufgrund der Komplexität erbrechtlicher und pflichtteilsrechtlicher Mandate sollte der Rechtsanwalt gerade in diesem Bereich seiner Aufklärungsverpflichtung in besonderem Maße nachkommen. So hat er sich wenigstens über die Familienverhältnisse, über das Vermögen, über alle bisherigen Verfügungen von Todes wegen, über die zu Lebzeiten vom Erblasser vorgenommenen Schenkungen und anrechnungs- bzw. ausgleichspflichtigen Vorempfänge zu informieren.[33]

 

Rz. 45

Anhand der erhaltenen Informationen ist der Rechtsanwalt verpflichtet, den Mandanten über die rechtliche Situation vollumfänglich aufzuklären. Erfolgt dies seitens des Rechtsanwalts nicht, so kann im Falle eines Aufklärungsdefizits eine anwaltliche Haftung entstehen.[34]

[30] BGH NJW 1994, 1472.
[31] BGH VersR 1994, 1344.
[32] BGH NJW 1994, 2293.
[33] Der vorgeschlagene Mandantenfragebogen (siehe Rdn 3) bietet hierfür einen Anhaltspunkt. Er nimmt jedoch nicht die Vollständigkeit aller zu erfragenden Informationen für sich in Anspruch.
[34] Vgl. BGH BRAK-Mitt. 2002, 22.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge