Pflicht zum Aufbau von berufsrechtlichen Compliance-Strukturen

Die Satzungsversammlung hat einen Compliance-Standard für anwaltliche Berufsausübungsgesellschaften beschlossen. Dieser enthält beispielhafte Maßnahmen zur Kontrolle der Einhaltung des anwaltlichen Berufsrechts.

Die 7. Satzungsversammlung der BRAK hat am 8.5.2023 eine Neuregelung der für Berufsausübungsgesellschaften und Sozietäten geltenden Compliance-Regeln beschlossen, deren Missachtung berufsrechtlich sanktioniert werden kann. Der neue § 31 BORA setzt künftig Mindeststandards für die Einhaltung und Überwachung der Regeln des anwaltlichen Berufsrechts und sieht eine Dokumentationspflicht vor. Der Wortlaut der Vorschrift lautet wie folgt

„§ 31 Maßnahmen zur Einhaltung des Berufsrechts

 (1) Berufsausübungsgesellschaften haben laufend ihre konkreten Risiken für Berufsrechtsverstöße zu ermitteln und zu bewerten, insbesondere solche, die sich aus ihrer Zusammensetzung und Organisationsstruktur, ihren Tätigkeitsfeldern sowie ihren Mandaten ergeben.

 (2) Auf Basis der Risikoanalyse nach Absatz 1 stellen Berufsausübungsgesellschaften durch geeignete Maßnahmen sicher, dass berufsrechtliche Verstöße verhindert oder zumindest frühzeitig erkannt und abgestellt werden Auf Basis der Risikoanalyse nach Absatz 1 stellen Berufsausübungsgesellschaften durch geeignete Maßnahmen sicher, dass berufsrechtliche Verstöße verhindert oder zumindest frühzeitig erkannt und abgestellt werden. Geeignete Maßnahmen können insbesondere sein:

  •  die Bestellung einer oder eines Berufsrechtsbeauftragten;
  •  berufsrechtliche Schulungen;
  •  elektronische Systeme zur Vermeidung von Interessenkollisionen;
  •  die elektronische Überwachung von Anderkonten zur Sicherstellung der Verpflichtungen nach § 4 BORA;
  •  eine interne Hinweismeldestelle für berufsrechtsbezogene Beschwerden.

 (3) In Berufsausübungsgesellschaften mit regelmäßig mehr als 10 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten oder anderen Angehörigen eines in § 59c Absatz 1 Satz 1 BRAO genannten Berufs sind die Risikoanalyse nach Absatz 1 und die getroffenen Maßnahmen nach Absatz 2 zu dokumentieren, die Dokumentation ist spätestens alle zwei Jahre zu aktualisieren.“

Eine dringend benötigte Klarstellung

Die Einführung der Norm ist zunächst ausdrücklich zu begrüßen. Durch die Neuregelung des Berufsrechts seit August 2022 ist Rechtsanwälten durch § 59e Abs. 2 BRAO bislang nur ein kryptischer Auftrag hinsichtlich der berufsrechtlichen Compliance erteilt worden:

„Die Berufsausübungsgesellschaft hat durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass berufsrechtliche Verstöße frühzeitig erkannt und abgestellt werden. Wenn an der Berufsausübungsgesellschaft Personen beteiligt sind, die Angehörige eines in § 59c Absatz 1 Satz 1 genannten Berufs sind, ist durch geeignete gesellschaftsvertragliche Vereinbarungen sicherzustellen, dass die Berufsausübungsgesellschaft für die Erfüllung der Berufspflichten sorgen kann.“

Anhaltspunkte für geeignete Maßnahmen hat das Gesetz bislang nicht gegeben, die Gesetzesmaterialien schweigen hierzu gänzlich. Allein ein Compliance-Officer soll nach der Vorstellung des Gesetzgebers keine Pflicht sein, BT-Drs. 19/27670, S. 185. Da das Gesetz seine Anforderung nicht konkretisiert, können Rechtsanwälte und Kanzleien bislang nur versuchen, sich einen Überblick über die berufsrechtlichen Risiken zu verschaffen, um diese gewissenhaft abzudecken.

Dieser Beitrag soll dazu dienen, zumindest die wesentlichen Gefahren darzustellen und welche zusätzlichen Aufgaben durch § 31 BORA hinzutreten.

Berufsrechtliche Risiken in der Anwaltskanzlei

Die zu berücksichtigenden anwaltlichen Risiken sind umfassend und vielfältig. Im Mittelpunkt steht der Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen Anwalt und Mandant und der Schutz des Vertrauens des Rechtsverkehrs in die Integrität des Anwalts durch den Schutz der Unabhängigkeit. Dieser Grundgedanke bestimmt die Sorgfalt, mit der die Berufsträger ihre Tätigkeit ausüben und Mandate bearbeiten. Wesentliche Ausprägungen dieses Grundgedankens sind

  • die Pflicht zur Verschwiegenheit
  • das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen
  • das Tätigkeitsverbot bei Vorbefassung
  • das Verbot der Gewinnbeteiligung Dritter.

Die Mandatsanbahnung

Die Mandatsanbahnung ist der erste Kontakt des Rechtsanwalts mit seinem potentiellen Mandanten. In der Regel wird der Anwalt telefonisch oder per E-Mail kontaktiert. Entscheidend ist in dieser Phase, nicht sofort in eine Beratungssituation einzutreten. Sobald das Anliegen geäußert wurde, ist unverzüglich auf eine Aufklärung der Beteiligten hinzuwirken, um einen Konfliktcheck im Sinne des § 43a Abs. 4 Satz 1 BRAO durchzuführen. Vor der Konfliktprüfung sollte der inhaltliche Austausch über das Mandat auf ein Minimum reduziert werden. Sobald die notwendigen Informationen mitgeteilt oder angefordert wurden, ist die Kontaktaufnahme bis zum Ergebnis der Prüfung zu unterbrechen.

Exkurs: Spam-Ordner und lose Anfragen

Anwälte sind verpflichtet, Mandatsanfragen unverzüglich zu beantworten. Anfragen und Bitten um Mandatsbearbeitung sind daher stets zu beantworten. Vorsichtshalber sollte daher auch der Spam-Ordner regelmäßig auf unbeantwortete Anfragen überprüft werden. Mit der Anfrage eines potentiellen Mandanten wird ein Fall eröffnet, und es ist Aufgabe des Berufsträgers, diesen zu bearbeiten oder zu schließen.

Der Konfliktcheck

Der Konfliktcheck erfordert eine umsichtige und ausführliche Auflistung der Beteiligten. In Klageverfahren wird dies häufig einfacher sein als in Beratungssituationen, da die Parteien feststehen. Jedenfalls sollte der Berufsträger alle relevanten Personen in Mandaten in seine Aktenanlage aufnehmen. Dies sind in der Regel:

  • Kläger,
  • Beklagter,
  • Beigeladener,
  • Geschäftsführer und
  • Gesellschafter.

Die Kollisionsprüfung setzt voraus, dass der Berufsträger überhaupt eine Verschlagwortung seiner Akten vornimmt und die Akten entsprechend anlegt. Sorgfältige Aktenführung ist Voraussetzung des Konfliktchecks.

Aktenanlage

Jedes Mandat muss zur Vermeidung von Interessenkonflikten so angelegt sein, dass die Beteiligten und der Akteninhalt leicht nachvollziehbar sind. Zu einer ordnungsgemäßen Aktenführung gehört auch, dass Beteiligte, die erst im Laufe eines Mandats hinzukommen, in die Prüfung und Aktenanlage einbezogen werden. Denn die Prüfung einer Interessenkollision ist eine fortlaufende Pflicht und entfällt nicht mit der erstmaligen Anlage des Mandats. Ergeben sich bei der Prüfung Überschneidungen, so hat der Berufsangehörige zu prüfen, ob eine Vertretung oder Beratung in widerstreitenden Interessen vorliegt. Wird ein Interessenkonflikt festgestellt, ist die Mandatsanfrage abzulehnen. Liegt kein Interessenkonflikt vor, kann eine Mandatsvereinbarung geschlossen werden.

Im übrigen ist im Rahmen der Aktenanlage zu prüfen, ob Massnahmen im Sinne des GwG zu treffen sind. In diesem Fall ist die Identifizierung des Kunden anhand des Personalausweises vorzunehmen und gegebenenfalls eine Meldung an die FIU zu prüfen.

Grundlage der Mandatsbeziehung – die Vereinbarung

Die Mandatsvereinbarung ist der wichtigste Punkt für die gesamte Mandatsbeziehung. Die Vereinbarung kann zwar mündlich erfolgen, sie sollte aber zu Nachweiszwecken und zur Regelung verschiedener Punkte unbedingt schriftlich abgeschlossen werden. Nur durch eine schriftliche Vereinbarung kann die Mandatsvereinbarung wesentliche Punkte Regeln:

  • Mandatsumfang,
  • Mandatsbeschränkung und Aufklärung über Folgen der Beschränkung,
  • Ausschluss einer steuerlichen Beratung oder der Beratung nach ausländischem Recht,
  • Gerichtsstandsvereinbarung,
  • die Einwilligung in die Beauftragung Dritter (z.B. freie Mitarbeiter).

Ein weiterer Grund, weshalb die Mandatsvereinbarung schriftlich abgeschlossen werden sollte, ist die Möglichkeit, diese so mit der Honorarvereinbarung zu kombinieren.

Die Honorarvereinbarung

Honorarvereinbarungen müssen in Textform abgeschlossen werden und als solche erkennbar sein, § 3a RVG. Es kann so über das vereinbarte Zeithonorar, eine Pauschalvergütung oder die Abrechnung nach Grundsätzen des RVG eine Einigung abgeschlossen werden. Dabei sollte die Honorarvereinbarung auch als solche gut erkennbar benannt werden. Es ist festzulegen, ob brutto oder netto abgerechnet wird, eine Auslagenpauschale anfällt, wie die Tätigkeit wissenschaftlicher Mitarbeiter berücksichtigt wird und das in gerichtlichen Verfahren die Kosten nach RVG die Mindestgebühr darstellen. Schließlich muss zumindest noch der Hinweis enthalten sein, dass sich Gebühren nach RVG nach dem Gegenstandswert richten.

Aufklärung bei Mandatsbeginn und fortlaufende Abrechnung

Ziel der Beratung sollte es sein, von Beginn an so konkret und transparent wie möglich zu sein. Dies gilt bezüglich der Erfolgsaussichten und hinsichtlich der Kosten. Bezüglich der Kosten hat die Rechtsprechung durch das Urteil des EuGH vom 12.1.2023, Rs C 395 21, nunmehr die Pflicht aufgestellt, Verbraucher vor Mandatsbeginn die Lage zu versetzen, die wirtschaftlichen Folgen eines Mandats abzuschätzen. Zudem muss gegenüber Verbrauchern zeitnahe abgerechnet werden. Nur so kann der Verbraucher wirksam geschützt werden und wird von Kosten nicht überrascht. Hinsichtlich der Aufklärung bezüglich der Kosten sollte grundsätzlich bzw. gegenüber Verbrauchern unbedingt, wie folgt vorgegangen werden:

  1. Aufklärung über die Kosten der Beratung (Schätzung Zeitaufwand, Berechnung Prozessrisiko nach RVG, Vereinbarung eines Pauschalhonorars),
  2. Schriftliche Honorarvereinbarung,
  3. Monatliche Abrechnung des erfolgten Aufwands,
  4. Berechnung des Zeitaufwands in 6-Minuten-Schritten (15-Minuten-Schritte sind angreifbar, BGH, Urteil vom 13.2.2020 – IX ZR 140/19),
  5. selbsterklärende Zeiteinträge auf Rechnungen,
  6. nachvollziehbare Kostenherleitung in der Rechnung und
  7. Unterschrift des Anwalts auf der Rechnung.

Neben der Aufklärung hinsichtlich der Kosten und einer durchgängigen Kostentransparenz hat der Berufsträger von Beginn bis zum Ende der Mandatsbearbeitung die Pflicht, den Mandanten fortlaufend über die Erfolgsaussichten zu informieren und Gefahren für die Sphäre des Mandanten, von denen er über das Mandat hinaus Kenntnis erlangt, zu benennen, vgl. BGH, Urteil vom 21.6.2018 – IX ZR 80/17.

Derartige Aufklärungen und Hinweise sollten zu Nachweiszwecken stets schriftlich erfolgen. Telefonate sollten schriftlich zusammengefasst werden. Dies dient nicht nur der eigenen Absicherung. Gerade in längeren Mandaten ist es wichtig, durch eine durchgängige Archivierung stets den Mandatsablauf nachverfolgen zu können. So können sich auch Kollegen im Notfall besser und sicherer einarbeiten.

Datenschutzerklärung

Das Mandat Mustermann wird angelegt. Im Erstkontakt hat unser Berufsträger alle Informationen für den Konfliktcheck erhalten. Eine Prüfung spricht nicht gegen eine Bearbeitung. Mandatsvereinbarung, Honorarvereinbarung werden für den Versand an den Mandanten vorbereitet. Über Kosten und Erfolgsaussichten ist aufgeklärt worden. Doch unser Berufsträger hätte in unserem Beispiel beinahe noch eine wesentliche Aufklärungspflicht vergessen: Aufklärung zum Datenschutz.

Die DS-GVO gilt auch für Anwälte und sie hängt grundsätzlich eng mit der Pflicht zur anwaltlichen Verschwiegenheit zusammen. Im Rahmen der Mandatsanbahnung folgt aus der DS-GVO eine Aufklärungspflicht dahingehend, dass Mandanten über ihre Rechte nach der DS-GVO zu unterrichten sind, Art. 12 DS-GVO. Zusätzlich muss der Mandant auch darüber unterrichtet werden, warum ein Anwalt überhaupt Daten über ihn speichert, Art 13 und 6 DS-GVO. Unser Berufsträger im Mandat Mustermann fügt seinem Anlagen Konvolut nun auch die allgemeine Datenschutzerklärung hinzu, die zumindest einen Verantwortlichen benennt, die Rechtfertigung der Datenverarbeitung angibt (in der Regel Art 6 Abs. 1 lit b) und lit. f)) und dem Mandanten mitteilt, welche Rechte ihm zustehen und wie er diese wahrnehmen kann. Bei Unsicherheiten zu diesem Thema ist die Handreichung der Bundesrechtsanwaltskammer „Fragen und Antworten zur DS-GVO und zum BDSG“ ein sinnvoller erster Schritt zur Annäherung an das Thema.

Zusammenfassung zur Mandatsanbahnung

Die ordnungsgemäße Mandatsanbahnung dient hinsichtlich der Compliance nach § 31 BORA in erster Linie der Vermeidung der Interessenkonflikte nach § 43a Abs. 4 BRAO. Diese werden durch die ordentliche Aktenanlage und Prüfung vermieden. Die Erstellung einer Mandats- und Honorarvereinbarung und einer Datenschutzerklärung dienen der Transparenz und Festlegung der Rahmenbedingungen. Aufklärung im Vorfeld des Mandats und im weiteren Verlauf der Bearbeitung sollten stets schriftlich erfolgen und mündliche Aussagen schriftlich zusammengefasst werden.

Mandatsbearbeitung – Einhaltung der Verschwiegenheit bei Anwälten

Die anwaltliche Verschwiegenheit nach § 43a Abs. 2 BRAO bestimmt die Arbeitsweise von Anwälten wesentlich. Sie strahlt auf Mitarbeiter aus, sie muss bei der Weitergabe von Informationen an Dritte beachtet werden und gilt auch beim Flurgespräch mit Kanzleifremden Dritten.

Der Berufsträger selbst muss in der Regel nur darauf achten, dass er Mandatsinformationen nicht achtlos mit Dritten teilt. Die freundliche Anfrage eines fremden Kollegen einer anderen Kanzlei möchte man zwar kollegialiter beantworten, doch, wenn einem der Kollege und dessen Kanzlei im Zusammenhang mit einem Mandat unbekannt ist, so muss erst die Legitimation der Anfrage und das Recht zur Weitergabe beim Mandaten eingeholt werden. Als „Herr seiner Geheimnisse“ kann der Mandant den Anwalt immer dann wirksam von der Schweigepflicht befreien, wenn damit nicht gleichzeitig Informationen Dritter preisgegeben werden, zu deren Weitergabe der Anwalt bzw. der Mandant keine Freigabe hat.

Verschwiegenheit der Mitarbeiter und Dienstleister

Mitarbeiter, § 43a Abs.2 Satz 4 BRAO, und Dienstleister, § 43e Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BRAO, sind zur Verschwiegenheit zu verpflichten und über die strafrechtlichen Folgen eines Verstoßes zu unterrichten. Dies gilt auch für Praktikanten und Referendare. Dies bedeutet im Grunde auch nur, dass eine unautorisierte Datenweitergabe nicht gestattet ist. Mitarbeiter sollten bei solchen Fragen, die Entscheidung über eine Weitergabe von Daten dem verantwortlichen Anwalt überlassen.

Im Zusammenhang mit Kanzlei-Dienstleistern treffen den Berufsträger noch Sorgfaltspflichten hinsichtlich der Auswahl. Dies bedeutet, dass ggf. Zertifikate oder Referenzen vorgelegt werden sollten. Zumindest dürfen keine offensichtlichen Gefahren von der Beschäftigung eines Dienstleisters ausgehen. Dies ist eine fortlaufende Pflicht. Kommt es zu Verstößen oder Gefahren für die Verschwiegenheit, ist im Zweifel unverzüglich eine Trennung von dem Betroffenen Dienstleister angezeigt.

Dem Dienstleister dürfen Tatsachen nur soweit eröffnet werden, wie sie zur Durchführung der Dienstleistung notwendig sind. Das bedeutet, dass für die meisten Dienstleister gerade kein Anlass besteht, Kenntnisse von Mandaten innerhalb einer Kanzlei zu erlangen. Handwerker, Reinigungskräfte oder Lieferanten müssen bei der Durchführung ihrer Leistung keine mandatsbezogenen Inhalte erfahren. Deswegen sollten Akten und Büroräume so organisiert sein, dass Akten nicht offen einsehbar sind. Sind Aktenrück sichtbar, sollten diese nicht klar benannt, sondern anonymisiert sein (z.B. numerische Aktenzeichen).

Werden mandatsbezogene Dienstleister beauftragt (Dolmetscher oder Gutachter) bedürfen der Einwilligung des Mandanten. Nichtsdestotrotz sollte die Einbeziehung Dritter schon dann in die Mandatsvereinbarung aufgenommen werden, wenn freie Mitarbeiter in der Kanzlei tätig sind.

Ein Sonderfall sind Cloud-Dienste. Hier ist der Berufsträger dafür verantwortlich, dass die Daten geschützt sind. Deswegen ist bei der Auswahl von Cloud-Dienstleistern darauf zu achten, dass die Daten nicht unverschlüsselt in einer Cloud gespeichert werden. Idealerweise sollten die mandatsbezogenen Daten auch nicht deutsche Server verlassen, da sonst geprüft werden müsste, ob im Ausland ein vergleichbares Schutzniveau für Daten herrscht.

Ausweitung der Pflichten durch § 31 BORA

Bislang ist dargestellt worden, welche Abläufe von der Anbahnung bis zur Bearbeitung eines Mandats notwendig sind und welche Risiken bestehen. Diese schrittweise Darstellung der Risiken ist nun auch gesetzlich gefordert, indem § 31 Abs. 1 BORA eine Risikoanalyse fordert, die zu dokumentieren ist, wenn regelmäßig mehr als 10 Berufsträger (auch Berufsträger nach § 59c Abs. 1 Satz 1 BRAO) in einer Berufsausübungsgesellschaft tätig sind. Umfang und Form des Berichts sind nicht vorgegeben. Es erscheint aber sinnvoll, die Schritte eines Mandats in der eigenen Gesellschaft nachzuvollziehen, da diese im Laufe der Zeit verschiedenen Sphären berührt:

  1. Sphäre des bearbeitenden Berufsträgers,
  2. Sphäre der Mitarbeiter,
  3. Sphäre des Standorts des Berufsträgers,
  4. Sphäre der gesamten Berufsausübungsgesellschaft,
  5. Sphäre außerhalb der Berufsausübungsgesellschaft (z.B. Dienstleister; Nutzung von Akten im Home-Office, usw.).

Welche Risiken dabei zu analysieren sind, gibt die BRAO vor, wobei der Schwerpunkt auf § 43a BRAO, da hier widerstreitende Interessen, Tätigkeitsverbote und die Verschwiegenheit erfasst sind. Die Vorschrift des § 31 BORA gibt Vorschläge welche Maßnahmen dazu dienen können, Verstöße frühzeitig zu erkennen:

  • die Bestellung einer oder eines Berufsrechtsbeauftragten;
  • berufsrechtliche Schulungen;
  • elektronische Systeme zur Vermeidung von Interessenkollisionen;
  • die elektronische Überwachung von Anderkonten zur Sicherstellung der Verpflichtungen nach § 4 BORA;
  • eine interne Hinweismeldestelle für berufsrechtsbezogene Beschwerden.

Betrachtet man diese Vorschläge, so fällt auf, dass die Vermeidung von Interessenkollisionen und die Überwachung von Anderkonten bereits Standard sind oder zumindest sein sollten. Neu und bisher eher unüblich sind Hinweisstellen, berufsrechtliche Schulungen und die Bestellung eines Berufsrechtsbeauftragen.

Hinweisstellen können grundsätzlich wohl auch regelmäßige Kanzleigespräche sein, um Mitarbeiter und Kollegen wiederholt für Gefahren zu sensibilisieren.

Die berufsrechtlichen Fortbildungen sind ebenfalls ein sinnvoller Weg für eine Sensibilisierung. Dies kann insbesondere ein Angebot sein, dass für Berufsanfänger angeboten wird, da sie nunmehr grundsätzlich verpflichtet sind, im Berufsrecht fortgebildet zu werden, § 43f BRAO.

Der Berufsrechtsbeauftragte kann eine interne oder externe Stelle sein, die regelmäßig die Berichte anfertigt und diejenigen Maßnahmen dokumentiert, die in einer Berufsausübungsgesellschaft ergriffen werden, um Berufsrechtsverstöße zu vermeiden und zu unterbinden.

Notwendigkeit der Compliance-Struktur und mögliche Sanktionierung

Der Aufbau einer berufsrechtlichen Compliance-Struktur ist dabei kein Selbstzweck. Sie kann einerseits dazu genutzt werden, die Abläufe innerhalb einer Kanzlei regelmäßig zu prüfen und zu optimieren. Andererseits droht bei einer Vernachlässigung hinsichtlich des Aufbaus und der Dokumentation eine Sanktion der Leitungspersonen einer Berufsausübungsgesellschaft nach § 113 Abs. 3 BRAO. Damit sind in der Regel alle Gesellschafter und Geschäftsführer und Aufsichtsratsmitglieder von berufsrechtlichen Sanktionen bedroht, wenn keine nachweisebare Compliance-Struktur aufgebaut wird.

Sinnvoll erscheint hier insbesondere die Etablierung externer Berufsrechtsbeauftragter, um die gesetzlich geforderten Maßnahmen zu prüfen und zu dokumentieren, wenn intern weder Kapazitäten noch die Erfahrung im Berufsrecht bereitsteht.

Fazit

Die Einhaltung der Berufspflichten ist für Rechtsanwälte Arbeitsgrundlage und selbstverständlich. Die Vorschrift des § 31 BORA fordert nun von Berufsträgern in jedem Fall ein, eine Risikoanalyse durchzuführen und Maßnahmen zur Verringerung der Risiken zu ergreifen. Sind regelmäßig mehr als zehn Berufsträger im Sinne des § 31 Abs. 3 BORA in der Gesellschaft tätig, sind Analyse und Maßnahmen zu dokumentieren.

Dass das Gesetz die Leitungspersonen einer Kanzlei auffordert, Maßnahmen zu ergreifen, um Berufsrechtsverstöße zu erkennen und zu unterbinden, ist auch eine Folge der Öffnung der interprofessionellen Zusammenarbeit in Berufsausübungsgesellschaften. Zudem führt auch die Vergrößerung von Kanzleien und die nunmehr mögliche Mehrstöckigkeit dazu, dass die unmittelbare persönliche Verantwortung eines Berufsträgers zwar nicht gesetzlich abnimmt, aber praktisch immer mehr zurücktritt, weil zunehmend mehr Personen in Arbeitsabläufe eingebunden sind und mehr Hände mit einer Mandatsakte in Berührung kommen. Die Vorschrift des § 31 BORA versucht den gesetzlichen Auftrag handhabbar zu machen, indem sie diesen inhaltlichen auszufüllen versucht. Der darin vorgeschlagene Maßnahmenkatalog ist nicht abschließend, sondern nur eine beispielhafte Aufzählung. Risikoanalyse, Maßnahmen und Dokumentation haben zu erfolgen, wenn das Leitungspersonal sich keinen Sanktionen ausgesetzt sehen möchte.

Form der Dokumentation, Umfang und die Art der Maßnahmen wird sich herauskristallisieren. Neben der dadurch unweigerlich anfallenden Bürokratie bringen die Pflichten den Vorteil, dass das Berufsrecht nun zwangsläufig regelmäßig Thema in Kanzleien wird und bleibt. Dies kann die Abläufe verbessern, es stärkt den Schutz der Mandanten und damit letztendlich das Vertrauen in die Anwaltschaft als Ganzes.