Rz. 18

M hätte 1.125 EUR Unterhalt für F1 aufzubringen. Ihm blieben 1.875 EUR aus dem der Kindesunterhalt (326,50 EUR) und auch der Unterhalt für F2, die das Kind betreut, aufzubringen wäre. Solche Unterhaltspflichten können Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit des M haben.

 

§ 1581 Leistungsfähigkeit

Ist der Verpflichtete nach seinen Erwerbs- und Vermögensverhältnissen unter Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande, ohne Gefährdung des eigenen angemessenen Unterhalts dem Berechtigten Unterhalt zu gewähren, so braucht er nur insoweit Unterhalt zu leisten, als es mit Rücksicht auf die Bedürfnisse und die Erwerbs- und Vermögensverhältnisse der geschiedenen Ehegatten der Billigkeit entspricht. Den Stamm des Vermögens braucht er nicht zu verwerten, soweit die Verwertung unwirtschaftlich oder unter Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse unbillig wäre.

 

Rz. 19

Eine weitere Unterhaltspflicht kann eine sonstige Verpflichtung i.S.v. § 1581 sein.

 

BGH, Urt. v. 7.12.2011 – XII ZR 159/09

Eine sonstige Verpflichtung in diesem Sinne ist auch eine weitere Unterhaltspflicht. Zwar darf nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei der Bemessung des Bedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen eine Unterhaltspflicht gegenüber einem nachfolgenden Ehegatten nicht berücksichtigt werden (BVerfG FamRZ 2011, 437). Darauf, dass die Unterhaltspflicht erst nach der Scheidung entstanden ist und sie mit der geschiedenen Ehe und deren Lebensverhältnissen nicht vereinbar ist, kommt es bei der Bestimmung der Leistungsfähigkeit aber nicht an.

a) Kindesunterhalt als sonstige Verpflichtung

 

Rz. 20

Zunächst kann der Kindesunterhalt berücksichtigt werden. Die Frage, ob eine Herabstufung in die erste Einkommensgruppe zu erfolgen hat, kann hier zunächst dahinstehen.

b) Ehegattenunterhalt für F2 als sonstige Verpflichtung?

aa) Kein Nachrang der F2

 

Rz. 21

Eine nachrangige zweite Ehefrau könnte unberücksichtigt bleiben. Die neue Ehefrau muss also vorrangig oder zumindest gleichrangig sein.

 

BGH, Urt. v. 7.12.2011 – XII ZR 159/09

Allerdings muss es sich bei dem hinzugetretenen Unterhalt um eine dem Geschiedenenunterhalt zumindest gleichrangige Verpflichtung handeln (Urt. v. 7.12.2011 – XII ZR 151/09).

 

§ 1609 Rangfolge mehrerer Unterhaltsberechtigter

Sind mehrere Unterhaltsberechtigte vorhanden und ist der Unterhaltspflichtige außerstande, allen Unterhalt zu gewähren, gilt folgende Rangfolge:

1. […]
2. Elternteile, die wegen der Betreuung eines Kindes unterhaltsberechtigt sind oder im Fall einer Scheidung wären, sowie Ehegatten und geschiedene Ehegatten bei einer Ehe von langer Dauer; bei der Feststellung einer Ehe von langer Dauer sind auch Nachteile im Sinne des § 1578b Abs. 1 Satz 2 und 3 zu berücksichtigen,
3. Ehegatten und geschiedene Ehegatten, die nicht unter Nummer 2 fallen,
4. […]

bb) Gleichrang oder Vorrang der F2

 

Rz. 22

 

BGH, Urt. v. 7.12.2011 – XII ZR 151/09

Ist die geschiedene Ehefrau […] gleichrangig, sind im Rahmen der Billigkeitsprüfung des § 1581 BGB grundsätzlich auch die neu hinzugekommenen Unterhaltsverpflichtungen zu berücksichtigen.

 

Rz. 23

F2 ist wegen Kinderbetreuung sogar vorrangig (§ 1609 Nr. 2), F1 also nachrangig. Ein Unterhaltsanspruch der F2 kann sich auf den Unterhalt der F1 auswirken (anders bei Vorrang der F1 vgl. Fälle 38 und 39, siehe § 11 Rdn 1, 32).

 

Rz. 24

 

BGH, Urt. v. 7.12.2011 – XII ZR 151/09

Die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen gegenüber einem geschiedenen Ehegatten wird somit auch durch sonstige vor- oder gleichrangige Unterhaltspflichten beeinflusst. Das gilt insbesondere bei nachehelich hinzugekommenen Unterhaltspflichten für einen neuen Ehegatten oder die Mutter eines nichtehelich geborenen Kindes nach § 1615l BGB.

Ist der Unterhaltsanspruch des neuen Ehegatten gegenüber dem Unterhaltsanspruch eines geschiedenen Ehegatten vorrangig, ist es im Rahmen des § 1581 Satz 1 BGB erst recht geboten, diesen Unterhaltsanspruch im Rahmen der Leistungsfähigkeit gegenüber dem geschiedenen Ehegatten zu berücksichtigen.

Allerdings führt der bei gleichrangigen Ehegatten gewählte Weg der Dreiteilung aller vorhandenen Einkünfte zunächst lediglich zu einer annähernden Angleichung der Lebensumstände der geschiedenen und der neuen Ehefrau.

Im Einzelfall erlaubt die nach § 1581 BGB gebotene Billigkeitserwägung allerdings auch davon abweichende Ergebnisse, die neben dem Rang auf weitere individuelle Umstände gestützt werden können.[1] Als weiteres Billigkeitskriterium ist insbesondere zu berücksichtigen, ob der Mindestbedarf eines Unterhaltsberechtigten gedeckt wird.[2]

 

Rz. 25

Um Auswirkungen des Unterhaltsanspruchs der F2 auf die Leistungsfähigkeit des M feststellen zu können, ist zunächst der Bedarf der F2 zu ermitteln. Es ist ein bezifferter Unterhaltsanspruch zu ermitteln.

[1] Vgl. insoweit Gerhardt/Gutdeutsch, FamRZ 2011, 772, 773 f.; Gutdeutsch, FamRZ 2011, 523, 525; Schwamb, FamRB 2011, 120, 123 und Maier, FuR 2011, 182, 184.
[2] Vgl. BT-Drucks 16/1830 S. 24; Götz/Brudermüller, NJW 2011, 801, 807.

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