Rz. 32

Die Ehe von M und F1 wurde geschieden. Aus der Ehe ist das sechsjährige Kind K hervorgegangen, das von F1 betreut wird. M ist nunmehr mit F2 verheiratet. M hat ein bereinigtes Nettoeinkommen von monatlich 1.900 EUR. F1 hat ein bereinigtes Nettoeinkommen von monatlich 500 EUR; sie kann wegen der Betreuung des Kindes kein höheres Einkommen erzielen. Die neue Ehefrau F2 hat kein Einkommen. F1 verlangt von M Unterhalt.

I. Kindesunterhalt

 

Rz. 33

Der Bedarf von Kindern richtet sich nach der Düsseldorfer Tabelle (DT). Bezüglich der Einzelheiten wird auf Fall 1 (siehe § 1 Rdn 1) verwiesen.

 

Rz. 34

M hat ein bereinigtes Nettoeinkommen von 1.900 EUR. Es kommt deshalb die Einkommensgruppe 1 (bis 1.900 EUR) zur Anwendung. Es sind drei Unterhaltsberechtigte vorhanden. Eine Herabstufung kommt jedoch nicht in Betracht, weil der Kindesunterhalt ohnehin nur der Einkommensgruppe 1 (Mindestunterhalt) entnommen wird.

 

Rz. 35

Kind K ist 6 Jahre alt, es fällt also in die Altersstufe 2. Sein Bedarf beträgt damit grundsätzlich 455 EUR. Das halbe Kindergeld (109,50 EUR) ist bedarfsdeckend anzurechnen. Der Unterhalt für K beträgt somit 345,50 EUR (455 – 109,50 EUR).

II. Ehegattenunterhalt für F1

1. Anspruchsgrundlage

 

Rz. 36

Bei F1 soll im Fallbeispiel ein Anspruch auf Betreuungsunterhalt (vgl. hierzu Fall 19, siehe § 4 Rdn 1) bestehen.

2. Bedarf der F1

 

Rz. 37

Die Dreiteilungsmethode kommt nicht zur Anwendung (vgl. Fall 33, siehe § 9 Rdn 1).

Der Unterhalt ist für beide Frauen getrennt nach dem Halbteilungsgrundsatz zu ermitteln. Die Rangfrage, also die Frage, ob ein Partner vorrangig bzw. nachrangig ist, erlangt erst im Rahmen Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners Bedeutung – also dann, wenn die festgestellten Unterhaltsansprüche vom Unterhaltsschuldner nicht erfüllt werden können.

a) Bedarfsbestimmendes Einkommen des M

aa) Vorwegabzug des Kindesunterhalts?

 

Rz. 38

Die 345,50 EUR (nicht der Tabellenbetrag) Kindesunterhalt sind vom Einkommen des M abzuziehen. Es handelt sich um ein Kind aus der ersten Ehe (zum Fall eines Kindes aus zweiter Ehe vgl. Fall 41, siehe § 12 Rdn 1 ff.).

1.900 (Einkommen M) – 345,50 (Zahlbetrag Kindesunterhalt) = 1.554,50 EUR

 

Rz. 39

Diese 1.554,50 EUR fließen in die Berechnung des Ehegattenunterhalts ein.

bb) Kein Abzug des Unterhalts für F2

 

Rz. 40

Ein etwaiger Unterhaltsanspruch von F2 ist bei der Bestimmung des Bedarfs von F1 nicht vom Einkommen des M abzuziehen. Denn diese Unterhaltslast hat die Ehe von M und F1 nicht geprägt (vgl. Fall 33, siehe § 9 Rdn 1). Die 1.554,50 EUR sind also für den Bedarf der F1 maßgebend.

Erwerbstätigenbonus des M: 1.554,50 EUR × 10 % = 155 EUR

Bedarfsbestimmendes Einkommen M: 1.554,50 – 155 EUR = 1.399,50 EUR

b) Bedarfsbestimmendes Einkommen der F1

 

Rz. 41

Das bereinigte Nettoeinkommen der F1 beträgt 500 EUR. Der Erwerbstätigenbonus der F1 beträgt 500 EUR × 10 % = 50 EUR. Somit beträgt das bedarfsbestimmende Einkommen von F1 450 EUR (500 – 50 EUR).

c) Halbteilung

 

Rz. 42

Der Bedarf der F1 beträgt ½ aus 1.849,50 EUR (1.399,50 + 450 EUR), also 925 EUR.

3. Ungedeckter Bedarf (Unterhaltshöhe)

 

Rz. 43

Der Unterhaltsanspruch (ungedeckter Restbedarf, also ermittelter Bedarf abzüglich gekürztes Eigeneinkommen) der F1 beträgt 475 EUR (925 – 450 EUR).

4. Leistungsfähigkeit des M

 

Rz. 44

Nach Abzug von Kindesunterhalt und Ehegattenunterhalt verbleiben M nur 1.079,50 EUR (1.900 – 345,50 – 475 EUR). Weder der Ehegattenmindestselbstbehalt gegenüber der geschiedenen Ehefrau (1.280 EUR) noch der Selbstbehalt gegenüber dem minderjährigen Kind (1.160 EUR) ist gewahrt (zu den Selbstbehaltsätzen siehe Nr. 21 der im Einzelfall anzuwendenden Leitlinien bzw. der SüdL, Anhang Nr. 3). Es liegt ein unechter – K und F1 sind nicht gleichrangig – Mangelfall vor.

a) Vorrang des Kindesunterhalts

 

Rz. 45

Der Kindesunterhalt ist vorrangig und vorab zu befriedigen. Nach Abzug dieses Kindesunterhalts verbleiben M, wie oben schon festgestellt, noch 1.554,50 EUR.

1.900 EUR (Einkommen M) – 345,50 EUR (Zahlbetrag Kindesunterhalt) = 1.554,50 EUR.

b) Verteilbare Mittel für den Ehegattenunterhalt

 

Rz. 46

Um den Ehegattenmindestselbstbehalt des M zu wahren, stehen für Ehegattenunterhalt nur 274,50 EUR (1.554,50 – 1.280 EUR) zur Verfügung.

aa) Vorrang der F1

 

Rz. 47

Die Mittel reichen bereits nicht für den Unterhalt von F1. Zudem ist M auch der F2 zum Unterhalt verpflichtet. Dies könnte eine Kürzung des Unterhalts der F1 erforderlich machen.

bb) Nachrang der F2

(1) Grundsatz

 

Rz. 48

F2 ist im Fallbeispiel nachrangig. Ein etwaiger Unterhaltsanspruch wirkt sich grds. nicht auf den Unterhalt der vorrangigen F1 aus.

 

§ 1609 Rangfolge mehrerer Unterhaltsberechtigter

Sind mehrere Unterhaltsberechtigte vorhanden und ist der Unterhaltspflichtige außerstande, allen Unterhalt zu gewähren, gilt folgende Rangfolge:

1. […]
2. Elternteile, die wegen der Betreuung eines Kindes unterhaltsberechtigt sind oder im Fall einer Scheidung wären, sowie Ehegatten und geschiedene Ehegatten bei einer Ehe von langer Dauer; bei der Feststellung einer Ehe von langer Dauer sind auch Nachteile im Sinne des § 1578b Abs. 1 Satz 2 und 3 zu berücksichtigen,
3. Ehegatten und geschiedene Ehegatten, die nicht unter Nummer 2 fallen,
4. […]
 

Rz. 49

F1 ist im Fallbeispiel vorrangig. Sie hat den Rang nach § 1609 Nr. 2 (Kinderbetreuung) während F2 in den 3. Rang fällt.

 

Rz. 50

Die Unterhaltsverpflichtung gegenüber der nachrangigen neuen Ehefrau ist keine sonstige Verpflichtung i.S.v. § 1581 und führt deshalb nicht zu einer Kürzung des ...

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