Rz. 1

Die Ehe von M und F1, die von langer Dauer i.S.v. § 1609 Nr. 2 war, wurde geschieden. M ist seit einem Jahr mit F2 verheiratet. M hat ein bereinigtes Nettoeinkommen von monatlich 3.000 EUR. Die geschiedene Ehefrau F1 hat aus einer Teilzeittätigkeit – mehr kann F1 nicht arbeiten – ein bereinigtes Nettoeinkommen von monatlich 800 EUR. Die neue Ehefrau F2 ist nicht berufstätig und hat kein Einkommen. Im Falle einer Berufstätigkeit könnte F2 ein Nettoeinkommen von 1.000 EUR erzielen. F1 verlangt von M Unterhalt.

I. Vorbemerkung

 

Rz. 2

Die Fälle 33 bis 48 (siehe Rdn 1 ff.) befassen sich mit der Frage, wie konkurrierende Ansprüche von Partnerinnen (Ehefrau bzw. nichteheliche Kindsmutter) zum Ausgleich zu bringen sind.

II. Ehegattenunterhalt der F1

1. Anspruchsgrundlage

 

Rz. 3

Beim nachehelichen Unterhalt gilt der Grundsatz der Eigenverantwortung. Ein Unterhaltsanspruch besteht nur, wenn ein Unterhaltstatbestand erfüllt ist (vgl. auch Fall 12, § 1 Rdn 150 ff.):

§ 1570 BGB: Betreuungsunterhalt
§ 1571 BGB: Unterhalt wegen Alters
§ 1572 BGB: Unterhalt wegen Krankheit oder Gebrechen
§ 1573 Abs. 1 BGB: Erwerbslosenunterhalt
§ 1573 Abs. 2 BGB: Aufstockungsunterhalt
§ 1573 Abs. 4 BGB: Wegfall einer nicht nachhaltig gesicherten Tätigkeit
§ 1575 BGB: Ausbildungsunterhalt
§ 1546 BGB: Billigkeitsunterhalt

2. Bedarf der F1

a) Die überholte Dreiteilungsmethode

 

Rz. 4

In der Zeit nach der Unterhaltsreform 2008 wurde bei zwei "Partnern" der Unterhalt nach der sog. Dreiteilung ermittelt. Diese Berechnungsmethode und die zugrunde liegende Rechtsprechung von den "wandelbaren ehelichen Lebensverhältnissen" wurden jedoch vom Bundesverfassungsgericht[1] verworfen.

 

Rz. 5

Bei Unterhaltsansprüchen stellen sich immer folgende Fragen:

Welcher Unterhaltstatbestand ist erfüllt (Anspruchsgrundlage)?
Ist der Anspruchsteller überhaupt bedürftig?
Welchen Bedarf an finanziellen Mitteln hat der Unterhaltsberechtigte (beim Kindesunterhalt: der angemessene Bedarf nach § 1610, der in der Düsseldorfer Tabelle seinen Ausdruck findet; beim Ehegattenunterhalt: eheangemessener Bedarf, ggf. Herabsetzung des Bedarfs auf den angemessenen Bedarf nach § 1578b)?
In welchem Umfang kann der Unterhaltsberechtigte seinen Bedarf durch eigene Mittel decken? In welchem Umfang ist er konkret noch bedürftig (ungedeckter Restbedarf/Unterhaltshöhe)?
Ist der Unterhaltsschuldner finanziell in der Lage (Leistungsfähigkeit), den errechneten "Unterhalt", also den Bedarf bzw. den nicht durch Eigeneinkommen gedeckten Restbedarf, zu befriedigen, ohne dass sein eigener angemessener Unterhalt (§ 1581 beim Ehegattenunterhalt bzw. § 1603 beim Kindesunterhalt) unterschritten wird (Selbstbehalt)?
Sonderfragen, je nach Art des Unterhalts (insb. Begrenzung und Verwirkung).
 

Rz. 6

Die Dreiteilungsmethode berücksichtigte den Umstand, dass die finanziellen Mittel infolge eines neuen Partners auf drei Personen zu verteilen sind, bereits bei der Bestimmung des Bedarfs der Beteiligten – eben durch Dreiteilung zwischen M, F1 und F2 statt durch Halbteilung im Verhältnis M und F1 und wiederum Halbteilung im Verhältnis M und F2. Der neue Partner bzw. dessen Unterhaltsanspruch wurde dadurch zu einem "Bestandteil" der ehelichen Lebensverhältnisse, indem man diese Verhältnisse als auch nach der Ehe "wandelbar" erachtete. Eine neue Ehe wurde als Teil der früheren, aber eben wandelbaren Verhältnisse angesehen.

 

Rz. 7

Die Dreiteilungsmethode hat nach wie vor Bedeutung. Denn die Rückkehr zur Bedarfsbestimmung im Zweipersonenverhältnis ändert nichts daran, dass spätestens bei der Frage der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners die Bedürfnisse aller drei Beteiligter wieder zum Ausgleich gebracht werden müssen, was unter Umständen wieder einen Rückgriff auf Überlegungen zur Dreiteilung notwendig macht.

Auch ist der Fall zu bedenken, dass ein Mann während bestehender Ehe einer weiteren Frau nach § 1615l unterhaltspflichtig wird.[2]

 

BGH, Beschl. v. 25.9.2019 – XII ZB 25/19 Rn 33

Ohne rechtliche Relevanz ist die in diesem Zusammenhang von der Rechtsbeschwerde erhobene Rüge, das Oberlandesgericht habe dabei die "Drittelmethode" rechtsfehlerhaft angewandt. Denn das Oberlandesgericht hat sich insoweit lediglich die Kontrollfrage vorgelegt, ob der für den Betreuungsunterhalt angesetzte Betrag über demjenigen liegt, der sich nach Dreiteilung der bedarfsprägenden Gesamteinkünfte der Beteiligten ergibt, und dies zutreffend verneint.

Zudem hat man sich mit der Dreiteilungsmethode zu befassen, wenn die Abänderung eines Titels, dem noch die Dreiteilungsmethode zugrunde liegt, erfolgreich betrieben werden soll. Eine Darstellung der Dreiteilungsmethode bei der Bedarfsbestimmung findet sich im Anhang 1: Die Dreiteilungsmethode (siehe Anhang 1 Rdn 1 ff.).

 

Rz. 8

Das BVerfG hat also eine Bedarfsbemessung unter Einbeziehung des neuen Partners abgelehnt.

 

BVerfG v. 25.1.2011 – 1 BvR 918/10, Leitsatz

Die zur Auslegung des § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB entwickelte Rechtsprechung zu den "wandelbaren ehelichen Lebensverhältnissen" unter Anwendung der Berechnungsmethode der sogenannten Dreiteilung löst sich von dem Konzept des Gesetzg...

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