Rz. 21

Die Fristen bei der Invaliditätsentschädigung sind eines der Problemfelder, mit denen sich die Gerichte immer wieder im Bereich der privaten Unfallversicherung beschäftigen müssen. Nach § 7 I (1) Abs. 2 AUB 94 bzw. Ziff. 2.1.1.1 AUB 2008 muss die Invalidität innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten sowie spätestens vor Ablauf einer Frist von weiteren 3 Monaten ärztlich festgestellt und geltend gemacht sein. Im Ergebnis bedeutet dies daher folgendes:

innerhalb von 12 Monaten nach dem Unfall Eintritt der Invalidität (siehe Rdn 35 ff.)
innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall ärztliche Feststellung der Invalidität (siehe Rdn 37 ff.)
innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall Geltendmachung der Invalidität (siehe Rdn 48 ff.).

Die Fristenberechnung erfolgt dabei taggenau gem. §§ 186 ff. BGB.

 

Praxistipp

Die AUB 2014 sind von der 12-Monats-Frist für den Eintritt der Invalidität abgerückt und verlangen nunmehr, dass die Invalidität innerhalb von 15 Monaten seit dem Unfall eingetreten und ärztlich festgestellt sein muss, Ziff. 2.1.1.2 AUB 2014. Weiterhin ist die Invalidität innerhalb von 15 Monaten ab dem Unfall geltend zu machen, Ziff. 2.1.1.3 AUB 2014. Auch wenn diese Neuerungen zum Vorteil des Versicherungsnehmers sind, gilt für den Anwalt: Lassen Sie sich die Bedingungen geben!

 

Rz. 22

In den anderen AUBs, z.B. in den AUB 99 und 2008, ist die Frist in Punkt 2.1.1.1 geregelt. Der BGH hat nunmehr auch entschieden, dass die Fristenregelung in Nr. 2.1.1.1. AUB 2002, nach der die Invalidität innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall von einem Arzt schriftlich festgestellt und geltend gemacht werden muss, auch unter Berücksichtigung des vorangestellten Inhaltsverzeichnisses den Anforderungen des Transparenzgebots genügt und damit wirksam ist (vgl. BGH, Urt. v. 20.6.2012 – IV ZR 39/11, zfs 2012, 581 = VersR 2012, 1113). In der Rechtsprechung (OLG Hamm VersR 2008, 811), aber auch im Schrifttum gab es hiergegen Bedenken. Mit der jetzigen Rechtsprechung des BGH ist dies hinfällig. Die Verfasser halten dies jedoch für bedenklich. Zwar ging es hier nicht direkt um die Psychoklausel, jedoch im Zusammenhang mit den einzelnen Teilbereichen der ärztlichen Invalidität ist es seitens der Verfasser für den verständigen Versicherungsnehmer nicht zu durchschauen, welche Teilgutachten einzuholen sind (hierzu später vgl. Rdn 99). Es empfiehlt sich daher, in den jeweiligen Bedingungen die Fristen nachzulesen. Teilweise weichen die Fristen auch zugunsten des Versicherungsnehmers von den oben genannten Fristen ab, so dass der Versicherungsnehmer teilweise auch noch länger Zeit hat, die Ansprüche geltend zu machen. In der Mehrzahl der Versicherungsverträge sind jedoch die oben genannten Fristen bei der Invaliditätsentschädigung entscheidend.

 

Rz. 23

Das Tückische an diesen Fristen ist, dass es sich hierbei um keine Obliegenheiten nach Eintritt des Versicherungsfalls handelt, so dass auch nicht § 28 Abs. 2 u. 3 VVG zur Anwendung kommen, sondern die Einhaltung der Jahresfrist für den Eintritt der Invalidität und die 15-Monats-Frist für die ärztliche Feststellung objektive Tatbestandsmerkmale sind. Konkret heißt dies, dass der Anspruch bei Fristversäumung ausgeschlossen ist, ohne dass es Entlastungsmöglichkeiten des Versicherungsnehmers gibt (vgl. BGH VersR 1978, 1036; OLG Koblenz VersR 2002, 430). Dagegen wird die 15-Monats-Frist für die Geltendmachung der Invalidität als Ausschlussfrist angesehen. Dies bedeutet, wenn der Versicherungsnehmer diese Frist versäumt, ist ein sog. Entschuldigungsbeweis zulässig (vgl. BGH NJW 1982, 2779).

 

Rz. 24

In jedem Fall beherbergen diese Fristen erhebliche Tücken, da sehr viele Ansprüche aus der privaten Unfallversicherung bereits deswegen scheitern, weil diese drei Fristen weder formell noch sonst ordnungsgemäß abgearbeitet sind. § 186 VVG sieht nunmehr eine Hinweispflicht des Versicherers auf diese Pflichten vor. Wenn der Versicherer dies vergisst, kann er sich nicht mehr auf Fristversäumnis berufen (vgl. § 186 S. 2 VVG). In der Mehrzahl der Fälle hatte der Versicherer aber auch schon vor der Einführung des § 186 VVG schriftlich auf diese Fristen hingewiesen. Dennoch wurden sie in etlichen Fällen nicht beachtet.

 

Rz. 25

Die ratio dieser Fristen besteht darin, dass schwer aufklärbare und kaum zu übersehende Spätschäden ausgeschlossen werden sollen. Der BGH hatte die einzelnen AUB-Klauseln zur Prüfung vorliegen und hat entschieden, dass sie auch mit dem AGB-Gesetz vereinbar sind (vgl. z.B. BGH VersR 1998, 175 oder BGH VersR 2005, 639; in dieser Entscheidung hatte der BGH entschieden, dass die Fristenregelung der §§ 1 u. 7 AUB 94 dem Transparenzgebot entspricht). Von daher sind diese Fristen ohne Wenn und Aber zu beachten und gerade von dem Anwalt, der private Unfallversicherungen bearbeitet, als das A und O der Mandatsbearbeitung anzusehen.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge