Rz. 282

Es kommt immer wieder vor, dass ein Verwalter unter Überschreitung seiner Befugnisse Aufträge für die Gemeinschaft erteilt und bezahlt.[399] Manchmal stellt sich auch bei der Durchführung einer Maßnahme heraus, dass der beschlossene Umfang nicht ausreichte; der Verwalter beauftragt erforderliche Folgemaßnahmen, ohne die Erweiterung vorher beschließen zu lassen.[400] Die Gemeinschaft wird durch die Vertragsabschlüsse wirksam verpflichtet, denn die Vertretungsmacht des Verwalters gem. § 9b Abs. 1 S. 1 WEG besteht ungeachtet einer etwa fehlenden Befugnis im Innenverhältnis; das ist ein wesentlicher Unterschied zum alten Recht. Somit entfällt auch die früher virulente Haftung des Verwalters als Vertreter ohne Vertretungsmacht gem. § 179 Abs. 1 BGB.

 

Rz. 283

Die Gemeinschaft kann vom Verwalter die Rückzahlung unbefugt ausgegebenen Geldes verlangen. Der Anspruch ergibt sich aus Auftragsrecht als Herausgabeanspruch gem. § 670 BGB (→ § 10 Rdn 193), aber auch als Schadensersatzanspruch gem. § 280 BGB, weil die unbefugte Auftragsvergabe eine Vertragsverletzung durch den Verwalter darstellt.[401] Theoretisch muss der Anspruch sogar im Vermögensbericht vermerkt werden (→ § 8 Rdn 141).

 

Rz. 284

 

Beispiel

Der frühere Verwalter X beauftragte für die WEG jahrelang ein (ihm gehörendes) Hausmeisterunternehmen mit zahlreichen Arbeiten (Reparaturen, Reinigung, Gartenpflege usw.). Die WEG behauptet, dass die Arbeiten überteuert waren oder nicht geleistet wurden. In den Verwaltungsunterlagen finden sich diesbezüglich keine aussagekräftigen Belege. X beauftragte ferner ohne Berechtigung Rechtsanwälte und schloss Versicherungen ab. Die WEG verlangt von X die Erstattung der Zahlungen i.H.v. 45.000,00 EUR. – Mit Erfolg. Die WEG musste nur die Ausgaben vortragen; danach war es Sache des X, konkret vorzutragen und zu beweisen, für welche Leistungen er welche Zahlungen erbrachte. Diesen Beweis konnte X nicht erbringen, weil er gegen seine Buchführungspflichten verstoßen hatte. Hinsichtlich der Hausmeisterarbeiten usw. hätte er für jede Ausgabe/Buchung einen schriftlichen Beleg als Nachweis des Geschäftsvorfalls vorlegen müssen, mit nachvollziehbarem Bezug zu der betroffenen Wohnanlage sowie zur Höhe der jeweiligen Forderung; diesen Anforderungen genügte seine Buchhaltung nicht, Hinsichtlich der Beauftragung der Rechtsanwälte und des Abschlusses der Versicherungsverträge hätte X nachweisen müssen, dass er zu den Vertragsabschlüssen berechtigt war bzw. dass der WEG daraus kein Schaden entstand. Weil X in allen Punkten beweisfällig bleibt, haftet er auf Rückzahlung.[402]

 

Rz. 285

Wenn der Verwalter das Geld für Erhaltungsmaßnahmen (oder für andere prinzipiell nützliche Zwecke) verwendete, die Ausgabe also der Gemeinschaft zugute kam, stellt sich die Frage, ob er dem Rückzahlungsanspruch die bei der Gemeinschaft eingetretene (Ersparnis-)Bereicherung (§ 812 BGB) entgegenhalten kann. Es geht um das bekannte Problem der aufgedrängten Bereicherung, mit dem sich Lit. und Rspr. seit eh und je schwertun. Im Jahr 2019 entschied der BGH, dass jegliche Ersatzansprüche von Wohnungseigentümern, die der Gemeinschaft rechtsgrundlos eine Bereicherung aufdrängten (indem sie Instandsetzungsarbeiten am Gemeinschaftseigentum – konkret: einen Fenstertausch – durchführen ließen) ausgeschlossen sind, selbst wenn die Arbeiten objektiv notwendig waren (→ § 12 Rdn 19). Ungeachtet der an dieser Entscheidung zu übenden Kritik müssten die sie tragenden Erwägungen auch im Verhältnis des Verwalters zur Gemeinschaft gelten Der BGH entschied indes gegenteilig: Demnach können einem Verwalter, der eigenmächtig Erhaltungsmaßnahmen durchführen ließ, gegenüber der Gemeinschaft Ersatzansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder Bereicherungsrecht zustehen.[403]

 

Rz. 286

Den Rückzahlungsanspruch kann gem. § 9b Abs. 2 WEG der Vorsitzende des Verwaltungsbeirats geltend machen. Dies wird in der Praxis jedoch nur selten vorkommen. Im Normalfall setzt die Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Verwalter einen entsprechenden Beschluss der Gemeinschaft voraus. Zu einem solchen Beschluss kommt es aber i.d.R. allenfalls dann, wenn die Gemeinschaft sich von dem Verwalter bereits getrennt hat und die Eigentümermehrheit zum Streit mit ihm entschlossen ist. Der Normalfall sieht anders aus: Es ist fast die Regel, dass Verwalter mehr oder weniger viel Geld ohne Beschluss der Gemeinschaft ausgeben; der Mehrheit ist das aber egal, weil sie entweder prinzipiell desinteressiert oder mit der Maßnahme einverstanden ist und kein Interesse an einer besonderen Versammlung (gehabt) hätte. Zu einer Beschlussfassung über die Geltendmachung von Ersatzansprüchen kommt es auch wegen der unvermeidlichen zeitlichen "Streckung" des ganzen Vorgangs nicht. Die Wohnungseigentümer erlangen von den streitigen Ausgaben meistens erst im Zuge der Jahresabrechnung Kenntnis; und auch das nur, wenn sie die Abrechnung kritisch prüfen, denn normalerweise wird der Verwalter die unberechtigten Ausgaben nicht gerade mit die...

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