Rz. 214

Muss die künftige Forderung bis zum hypothetischen Lebensende des Unfallverletzten kapitalisiert werden, ist die Laufzeit der Sterbetafel (§ 6 Rdn 65 ff.) zu entnehmen.[144]

 

Rz. 215

Zunächst ist die allgemeine Lebenserwartung der Personengruppe, der die verletzte/verstorbene Person angehörte und deren besondere Lebens- und Gesundheitsverhältnisse zu berücksichtigen sind, zu beachten.[145] Die mutmaßliche Lebensdauer eines getöteten Unterhaltspflichtigen ist beim Fehlen individueller Anhaltspunkte (z.B. einer unfallfremden Erkrankung) anhand der vom Statistischen Bundesamt herausgegebenen Sterbetafeln für die Bundesrepublik Deutschland zu ermitteln; dabei ist auf diejenige Sterbetafel abzustellen, deren Erhebungsjahr dem Todestag zeitlich am nächsten ist (siehe Rdn 229).

 

Rz. 216

Vom Statistischen Bundesamt werden in Deutschland in regelmäßigen Abständen sog. "Allgemeine Sterbetafeln für die Bundesrepublik Deutschland" ermittelt und veröffentlicht. Diese Allgemeinen Sterbetafeln berücksichtigen die gesamte deutsche Bevölkerung der Bundesrepublik, und zwar alle Bevölkerungsgruppen ohne irgendwelche Differenzierungen (beispielsweise nach Beruf, Wohnort und Familienstand, Gesundheitszustand). Unterschieden wird ausschließlich nach dem Geschlecht.

 

Rz. 217

Die Sterbetafeln erfassen jedoch nur deutsche Staatsangehörige.[146] Für Staatsangehörige anderer Länder ist hervorzuheben, dass nicht die allgemeinen deutschen Sterbetafeln der Kapitalisierung zu Grunde gelegt werden können, sondern vielmehr auf das Ursprungsland und die dortige Lebenserwartung abzustellen ist.[147]

 

Rz. 218

Sterbetafeln europäischer Länder und Sterbetafeln für das außereuropäische Ausland finden sich in den statistischen Jahrbüchern für das Ausland des Statistischen Bundesamtes, gestützt auf internationale Quellen. Internationale Sterbetafeln sind in § 6 wiedergegeben (Mann: § 6 Rdn 83 f.; Frau: § 6 Rdn 85 f.).[148]

 

Rz. 219

Daneben ist weiteren Einflussfaktoren (vor allem einer individuellen Vorversterblichkeit des Unfallbeteiligten) zusätzlich Rechnung zu tragen (zur Vorversterblichkeit siehe Rdn 526). Diese individuelle Vorversterblichkeit kann sowohl aus den Unfallverletzungen resultieren als auch auf unfallfremden Anlage-Erkrankungen (z.B. einer Krebserkrankung) oder künftig zu erwartenden Beeinträchtigungen (z.B. Berufskrankheiten) beruhen.

 

Rz. 220

Die Kapitalisierungstabellen berücksichtigen nur die durchschnittliche und nicht die individuelle Lebenserwartung. Einer konkret verkürzten Lebenserwartung ist durch Kürzung des Kapitalisierungsfaktors Rechnung zu tragen. Bei Risikoarbeitsgruppen (z.B. Schwerarbeit, Untertagetätigkeit) ist die verkürzte Lebensarbeitszeit mit zu berücksichtigen (siehe auch Rdn 525 ff.).

[144] BGH v. 27.1.2004 – VI ZR 342/02 – DAR 2004, 346 = FamRZ 2004, 777 = IVH 2004, 117 (nur Ls.) = MDR 2004, 810 (nur Ls.) = NJW-RR 2004, 821 = NZV 2004, 291 = r+s 2004, 342 = SP 2004, 190 = SVR 2004, 339 (Anm. Luckey) = VersR 2004, 653 = VRS 106, 413 = zfs 2004, 260 (Die für die zeitliche Begrenzung der Geldrente maßgebliche mutmaßliche Lebensdauer des Getöteten ist im Urteil kalendermäßig anzugeben).
[145] BGH v. 27.1.2004 – VI ZR 342/02 – DAR 2004, 346 = FamRZ 2004, 777 = IVH 2004, 117 (nur Ls.) = MDR 2004, 810 (nur Ls.) = NJW-RR 2004, 821 = NZV 2004, 291 = r+s 2004, 342 = SP 2004, 190 = SVR 2004, 339 (Anm. Luckey) = VersR 2004, 653 = VRS 106, 413 = zfs 2004, 260; BGH v. 25.4.1972 – VI ZR 134/71 – MDR 1972, 769 = VersR 1972, 834; OLG Hamm v. 8.9.1998 – 9 U 86/98 – MDR 1998, 1414.
[146] BGH v. 8.11.2001 – IX ZR 404/99 – BGHReport 2002, 373 = NZV 2002, 268 = openJur 2010, 7009.
[147] BGH v. 8.11.2001 – IX ZR 404/99 – BGHReport 2002, 373 = NZV 2002, 268 = openJur 2010, 7009. Jahnke/Burmann-Jahnke, Handbuch des Personenschadensrechts, 1. Aufl. 2016, Kap. 9 Rn 18f; Küppersbusch/Höher, Ersatzansprüche bei Personenschaden, 12. Aufl. 2016, Rn 490.
[148] Siehe ergänzend Jahnke/Burmann-Jahnke, Handbuch des Personenschadensrechts, 1. Aufl. 2016, Kap. 9 Rn 22 ff.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge