Rz. 86

Nach der Betrachtung der Akteure der Forderungseinziehung stellt sich die Frage, welche Aufwendungen bei ihnen entstehen und ob der Schuldner die Kosten erstatten muss. Nachfolgend sollen die Fragestellungen im Sinne eines Überblicks skizziert werden, um sie im nächsten Kapitel des Praxisleitfadens dann einer vertiefenden Betrachtung zu unterziehen.

 

Rz. 87

Entscheidet sich der Gläubiger dafür, die Forderungseinziehung durch eine eigene Mahn- und Inkassoabteilung bearbeiten zu lassen, die meist schon ab der Rechnungsstellung tätig wird, hat er einen Aufwand an Personal- und Sachkosten. Hier wird vorschnell und meist ohne vertiefende Begründung davon ausgegangen, dass dieser Aufwand nicht erstattungsfähig ist.[166] Dem kann – wie im nachfolgenden Kapitel dieses Praxisleitfadens näher dargestellt wird – in dieser Generalität auch unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht gefolgt werden. Es wird danach zu unterscheiden sein, wer welche Obliegenheiten hat. Die Obliegenheiten des Gläubigers sind dabei sicher endlich. Er hat dann aber das Problem der konkreten Schadensabgrenzung, d.h. der Unterscheidung zwischen den Kosten, die der Erfüllung seiner Obliegenheiten dienen und die mithin vom Schuldner nicht zu erstatten sind und den Kosten, die sich bereits als ersatzfähiger Verzugsschaden darstellen. Das Problem liegt also weniger in der grundsätzlichen Erstattungsfähigkeit des Schadens als vielmehr in dessen Zuordnung und Berechnung im Rahmen von § 249 BGB.

 

Rz. 88

Problematisch stellt sich die Schadensberechnung dar, wenn der Gläubiger seine Eigenbemühungen vergütet erhalten möchte. Ausgehend davon, dass dies dem Grunde nach möglich ist, stellt sich die Frage nach der konkreten Berechnung zur Höhe. Da das Forderungsinkasso in der Regel innerhalb einer Abteilung erledigt wird, die auch die Rechnungen erstellt und Buchhaltungsaufgaben wahrnimmt, d.h. Aufgaben, die zu den Eigenobliegenheiten des Gläubigers gehören, können nicht die gesamten Kosten in die Betrachtung einbezogen und quasi ein Durchschnittwert gebildet werden. Eine Abgrenzung stellt sich als praktisch kaum möglich dar. Selbst wenn eine solche Abgrenzung gelingt – in dem etwa eine gesonderte Abteilung allein für das Forderungsinkasso nach Verzugseintritt begründet wird –, stellt sich die Frage, welche Kosten im Einzelfall durch den konkret säumigen Schuldner verursacht wurden. In jedem Fall entstehen wieder Verwaltungskosten für die Berechnung des Verzugsschadens.

Zu diesem Fragenkomplex hat der BGH entschieden, dass auch für ein Energieversorgungsunternehmen, das Aufgaben der Daseinsvorsorge wahrnimmt und einem Kontrahierungszwang im Bereich der Grundversorgung unterliegt (§ 36 Abs. 1 Satz 1 EnWG), gilt, dass der Geschädigte den für die Schadensermittlung und außergerichtliche Abwicklung seines Schadensersatzanspruchs anfallenden Arbeits- und Zeitaufwand, auch wenn er hierfür besonderes Personal einsetzt oder die Tätigkeiten extern erledigen lässt, grundsätzlich selbst trägt.[167] Die Personalkosten sind also nicht erstattungsfähig, sondern nur die konkret zuzuordnenden Sachkosten, wie etwa das Porto für ein Mahnschreiben.

 

Hinweis

Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund sind Bemühungen zu sehen, durch die Schaffung einer eigenen Inkassogesellschaft, die für die eigenen Unternehmen wie für Dritte tätig wird, zu einer klaren Berechnungsweise in Anlehnung an sonst zu beauftragende Inkassodienstleister zu kommen. Voraussetzung ist aber immer, dass die Eigenobliegenheiten des Gläubigers erfüllt sind. Das wird im nachfolgenden Kapitel unter dem Stichwort Konzerninkasso zu vertiefen sein.

Vermeintlich einfacher stellt sich die Situation also dar, wenn der Gläubiger nach Ver­zugseintritt einen Rechtsdienstleister einschaltet. Hier entstehen ihm konkret abgrenzbare Kosten im Einzelfall.

 

Rz. 89

Es stellen sich beim Gläubiger unter dem Stichpunkt der Kostenerstattung also die folgenden Fragen, die auch der Schuldner und sein Bevollmächtigter betrachten müssen, wenn sie die Erstattungsfähigkeit von Rechtsverfolgungskosten prüfen:

Welche Anstrengungen gehören zum originären Pflichtenkreis des Gläubigers, d.h. muss der Gläubiger, der das Forderungsinkasso durch eine betriebliche Mahnabteilung verrichten lässt, die damit verbundenen Kosten selbst tragen, oder kann er diese Kosten, ggf. welche, erstattet verlangen? Diesen Fragen wird im nachfolgenden Kapitel nachgegangen.

Gibt es Unterschiede, ob es sich bei dem Gläubiger um eine einzelne Person oder ein Unternehmen und innerhalb der Unternehmen um ein großes oder ein kleines Unternehmen handelt?

 

Hinweis

Hier zeigen sich in Rechtsprechung[168] und Literatur[169] vereinzelt Stimmen, die der Auffassung sind, dass einem "Großgläubiger" generell zuzumuten ist, das vorgerichtliche Inkasso selbst zu betreiben, und ihm deshalb die Erstattung der Kosten sowohl für die Beauftragung eines Rechtsanwaltes als auch eines Inkassodienstleisters versagen wollen. Letztlich ist auch hier die Frage nach den jeweili...

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