Rz. 1

Das Wort Inkasso entstammt der italienischen Sprache[1] und bedeutet das Einziehen von fälligen Forderungen – vor allem bei Wechseln, Schecks, Wertpapieren und Rechnungen – durch Dritte, die für das Inkasso eine Vergütung (Inkasso-Provision) erhalten.[2] Es ist als solches zunächst neutral und besagt nichts darüber, wer das Einziehen der Forderungen übernimmt.

 

Rz. 2

Der Gläubiger hat diese Aufgabe ursprünglich selbst erledigt. In Zeiten von Prepaid-Gesellschaften und einer sehr großen Nähe zwischen den Vertragsparteien einer Leistungsbeziehung warf die Einziehung der Gegenleistung keine besonderen Probleme auf. Doch die Zeit brachte es mit sich, dass diese Tätigkeit immer schwieriger wurde, weil sich einzelne Schuldner dem Forderungsausgleich entzogen und es dem moderneren Wirtschaftsverkehr zu eigen wurde, neben Bargeschäften auch Geld- und Warenkreditgeschäfte vorzunehmen, was Risiken mit sich brachte, die sich in Einzelfällen eben auch realisierten. Neben kaufmännischen Fragen stellten sich nun auch rechtliche und psychologische Fragen und im Laufe der Zeit auch immer mehr technische Aufgaben und datenschutzrechtliche Probleme.

Es entsprach den bodenständigen kaufmännischen Interessen des vom rasenden wirtschaftlichen Aufschwung gekennzeichneten 19. Jahrhunderts, sich gegen die wirtschaftlichen Risiken der Kreditgewährung und Vorleistung abzusichern. Ziel war also, Tätigkeit und Risikovorsorge unternehmerisch auszulagern. Der Nährboden für eine neue Dienstleistungssparte. Zunächst nahmen sich Inkassodienstleister dem an, weil die Forderungen in der Regel unstreitig waren und sich keine vertiefenden Rechtsfragen stellten.

Heute bedienen auch Rechtsanwälte den Markt[3] und die Inkassodienstleister sind zu ebenbürtigen Rechtsdienstleistern[4] geworden, weil eben auch die Beitreibung "im Wesentlichen" unstreitiger Forderungen eine Vielzahl von Rechtsfragen zur wirksamen Forderungsbegründung, zum Datenschutz, zur gerichtlichen Titulierung oder auch in der Zwangsvollstreckung mit dem Schuldner in seinen rechtlichen Beziehungen zu Dritten[5] aufwirft. Gleichwohl wird Inkasso weiterhin mit der Beitreibung im Wesentlichen unstreitiger Forderungen in hohen Fallzahlen verbunden.[6] Wenn Inkasso in der Kritik steht, ist meist das in seinen Grenzen nicht fassbare und auch bisher nicht präzisierte "Masseninkasso" gemeint. Wie das Rechtsdienstleistungsregister[7] vermittelt, ist dies aber nur ein kleiner Ausschnitt der Branche. In Deutschland sind nicht mehr als fünf bis zehn registrierte Inkassodienstleister mit mehr als 250 Mitarbeitern tätig, die also nach der europarechtlichen Definition nicht mehr zu den Kleinen und mittleren Unternehmen gehören (KMU). Die Wirklichkeit zeigt also eine hohe Wahrnehmung für die Tätigkeit einiger weniger großer Unternehmen bei einer insgesamt sehr breit gefächerten Verteilung von Unternehmensgrößen, Tätigkeitsfeldern und Bearbeitungsformen.

 

Hinweis

In neuerer Zeit wurde die Frage aufgeworfen, ob der Gläubiger, jedenfalls aber bestimmte Gruppen von größeren Gläubigern, nicht verpflichtet ist, die Aufgabe des Einziehens von Forderungen (wieder) selbst wahrzunehmen.[8] Eine Forderung, die auch immer wieder von Verbraucherschutzorganisationen erhoben wird. Der BGH[9] hat dem eine klare Absage erteilt: Gerät der Schuldner in Zahlungsverzug, ist auch in rechtlich einfach gelagerten Fällen die Beauftragung eines Rechtsanwalts zweckmäßig und erforderlich. Ein Mandat zur außergerichtlichen Vertretung muss im Regelfall dabei nicht einmal auf ein Schreiben einfacher Art beschränkt werden. In einer arbeitsteiligen Wirtschaftsordnung kann auch nichts anderes gelten. Jeder Schuldner muss dafür Sorge tragen, dass er bei Fälligkeit leisten kann. Jedenfalls formal wird dies auch von niemandem ernsthaft in Zweifel gezogen.

Nichts anderes gilt für die gleichwertige Beauftragung eines Inkassodienstleisters.[10] Hierauf wird an anderer Stelle vertiefend einzugehen sein, ebenso wie die davon zu unterscheidende Frage des Konzerninkassos, bei der der Gläubiger die Aufgabe – vermeintlich – wieder selbst wahrnimmt, sich dabei aber Inkassokosten erstatten lässt. Auch wird zu zeigen sein, dass Inkasso heute durchaus nicht nur von spezialisierten Inkassodienstleistern, sondern auch von Rechtsanwälten wahrgenommen wird,[11] was die Gleichstellung nicht nur rechtfertigt, sondern vor dem Hintergrund von Art 3 und 12 GG auch verfassungsrechtlich fordert.[12] Die Wirklichkeit der rechtsbesorgenden Dienstleistung zeigt also eine Gleichwertigkeit der Forderungseinziehung unstreitiger Forderungen durch verschiedene Rechtsdienstleister. Für den Schuldner ist auch nicht erheblich, an wen er möglicherweise zahlen muss oder durch wen der Gläubiger vertreten ist, sondern für welche Kosten er überhaupt einzustehen hat.

Heute zeigt sich ein Bild, in dem Rechtsanwälte und Inkassodienstleister gleichermaßen Inkassodienstleistungen im Sinne des § 2 des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) erbringen, aber auch anderen Tätigkeiten na...

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