Rz. 111

Rechtsanwälte und Inkassodienstleister werden bei Aufträgen nach dem 1.10.2021 zusammengefasst folgende Änderungen beachten müssen, soweit Inkassodienstleistungen erbracht werden. Wird dagegen eine Rechtsdienstleistung erbracht, bleibt es nach Nr. 2300 Abs. 1 VV RVG bei den bisherigen Gebührensätzen, d.h. einer 0,5 bis 2,5-Geschäftsgebühr bei Beachtung einer 1,3-Schwellengebühr:

Bei außergerichtlichen Inkassodienstleistungen betreffend eine unbestrittene Forderung bis 50 EUR wird in § 13 Abs. 2 RVG n.F. eine neue Streitwertgruppe eingeführt, für die die 1,0-Ausgangsgebühr 30 EUR beträgt. Allerdings gilt dies allein für die Geschäftsgebühr.
Wer bisher eine Forderung von 35,99 EUR eingezogen hat, hat eine 1,3-Geschäftsgebühr ausgehend von einem Ausgangswert von 49 EUR (§ 13 Abs. 1 RVG), d.h. von 63,70 EUR nebst Auslagen erhalten. Künftig berechnet sich die Gebühr von einem Wert von 30 EUR aus (§ 13 Abs. 2 RVG). Da die Regelgebühr zugleich von 1,3 auf 0,9 abgesenkt wird, beträgt die neue Gebühr sogar nur noch 27 EUR. Das wirkt sich auch auf die Post- und Telekommunikationspauschale nach Nr. 7002 VV RVG aus, die statt bisher 12,74 EUR dann nur noch 5,40 EUR beträgt. Statt 76,44 EUR werden also nur noch 32,40 EUR fällig. Eine Kürzung der Vergütung um 44,04 EUR oder 47,62 % (!). Zahlt der Schuldner sofort auf die erste Mahnung des Rechtsanwaltes oder des Inkassodienstleisters reduziert sich die neue Geschäftsgebühr auf 0,5, mithin 15 EUR nebst Auslagen also auf 18 EUR, was einem Verlust von 58,44 EUR oder 76,46 % der bisherigen Vergütung entspricht.
Bei der Geschäftsgebühr wird der Rahmen der Geschäftsgebühr von 0,5 bis 2,5 auf eine 0,5 bis 1,3-Geschäftsgebühr in Nr. 2300 Abs. 2 VV RVG verkleinert. Zugleich wird eine (weitere) 0,9-Schwellengebühr gezielt für Inkassodienstleistungen für "unbestrittene" Forderungen eingeführt. Der Regelrahmen beträgt also nicht mehr 0,5–1,3, sondern jetzt nur noch 0,5–0,9.
Die 0,9-Geschäftsgebühr sollte damit nun die Regel und als solche auch in der Rechtsprechung unbestritten sein. Es wird abzuwarten bleiben, ob dies bei kleineren Forderungen auch zu einer höheren Akzeptanz bei den Rechtsverfolgungskosten führt, so das die Zahlungsmoral wächst. Statt einer 1,3-Geschäftsgebühr von 63,70 EUR bis zum 30.9.21 bei Streitwerten über 50 EUR aber unter 500 EUR wird ab dem 1.10 also bei Inkassodienstleistungen für Rechtsanwälte wie Inkassodienstleister also nur noch eine 0,9-Geschäftsgebühr von 44,10 EUR netto anfallen. Das entspricht einem Verlust von 19,60 EUR oder 31 %.

Die 0,9-Geschäftsgebühr ist allerdings weiter auf eine 0,5-Geschäftsgebühr bei "einfachen Fällen" abzusenken. Als Paradebeispiel für einen einfachen Fall nennt die Gesetzesbegründung die (vollständige) Zahlung auf die erste Inkassomahnung des Rechtsanwaltes oder des Inkassodienstleisters. Offen lässt der Gesetzgeber, ob dies bei jeder Zahlung vor der zweiten Inkassomahnung gelten soll oder nur, wenn der Schuldner "ohne Weiteres" auf die erste Inkassomahnung zahlt, also keinen weiteren Aufwand verursacht. Nur der letztgenannte Fall rechtfertigt tatsächlich die weitere Gebührenabsenkung.

 

Hinweis

Da der Auftrag aus der ex-ante-Sicht erteilt wird und der Rechtsdienstleister die Geschäftsgebühr auch aus der ex-ante-Sicht nach § 14 RVG zu bestimmen hat, ist es nicht zu beanstanden, wenn der Rechtsanwalt oder der Inkassodienstleister im Erstschreiben zunächst eine 0,9-Geschäftsgebühr geltend macht und den Schuldner auf die Möglichkeit der Absenkung auf eine 0,5-Geschäftsgebühr und den reduzierten Gesamtforderungsbetrag hinweist. Nicht nur, dass in einer Mehrzahl von Fällen keine unmittelbare Zahlung erfolgt, sind die Voraussetzungen für die verminderte Gebühr im Zeitpunkt der Geltendmachung nicht festzustellen. Es ist also nicht anders zu verfahren als bei den Gerichtskosten nach Nrn. 1210, 1211 KV GKG. Auch hier werden zunächst 3–0-Gerichtsgebühren erhoben, die dann anteilig erstattet werden, wenn einer der – zuvor nicht absehbaren – Privilegierungstatbestände der Nr. 1211 KV GKG eintritt.

Die neue 0,9-Schwellengebühr darf nur überschritten werden, wenn die Inkassodienstleistung "besonders umfangreich und schwierig" ist

 

Hinweis

Vergleichsmaßstab für eine besonders umfangreiche oder besonders schwierige Inkassodienstleistung ist die durchschnittliche Inkassodienstleistung, wie der Gesetzgeber sie sieht, d.h. eine im Wesentlichen automatisierte und standardisierte Aktenanlage und Bearbeitung ohne Rechtsprüfung, die sich also auf eine elektronische Datenübernahme, eine darauf folgende Schlüssigkeitsprüfung, eine oder mehrere vorgerichtliche Mahnungen und die einfache Zahlungseingangsüberwachung beschränkt.

Eine "deutliche Überschreitung"[214] der durchschnittlichen Inkassodienstleistung liegt etwa bei mehreren Adressermittlungen, der Bearbeitung von wiederholten Rücklastschriften, dem Einsatz von Fremdsprachenkenntnissen, quantitativ oder qualitativ über das übliche Hinweisgehenden Besprechungen mit dem Schuldner, de...

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