Rz. 30

Ist der Auftraggeber Verbraucher und beschränkt sich die Tätigkeit des Anwalts auf ein erstes Beratungsgespräch, ist die Beratungsgebühr nach § 34 Abs. 1 S. 3 RVG auf 190 EUR begrenzt (sog. Kappungsgrenze). Dieser Satz wurde im Zuge des Kostenrechtsänderungsgesetztes, welches seit 1.1.2021 in Kraft ist, nicht angehoben.

a) Erstberatung

 

Rz. 31

Der Auftrag muss sich auf eine erste Beratung beziehen. Die Beratung kann dabei nur in einem mündlichen Rat oder in einer mündlichen Auskunft bestehen, da der Wortlaut auf ein Beratungsgespräch abstellt. Für eine schriftliche Erstberatung gegenüber einem Verbraucher – welche in der Praxis allerdings einen Ausnahmefall darstellen dürfte – ist die Kappungsgrenze von 190 EUR also auch ohne Gebührenvereinbarung nicht einschlägig.

 

Rz. 32

Eine erste Beratung liegt vor, wenn der Mandant sich wegen des Gegenstandes, auf den sich seine Bitte um Rat oder Auskunft bezieht, zum ersten Mal an den Rechtsanwalt wendet. Gemeinhin wird die Erstberatung als eine "Einstiegsberatung" bzw. als eine pauschale, überschlägige Beratung charakterisiert.[4] Der Anwalt muss insoweit noch kein vollständiges Ergebnis präsentieren.[5] Nach dem Willen des Gesetzgebers[6] endet der Normbereich der Erstberatungsgebühr, wenn die erste Beratung beendet oder wenn die begonnene Beratung wegen ihres Beratungsgegenstandes unterbrochen ist, z.B. weil der Mandant weitere Unterlagen beibringen muss. Die dann folgende Fortsetzung der Beratung, bei der der Mandant weitere Unterlagen beibringt oder sich mit Zusatzfragen an den Anwalt wendet, ist keine Erstberatung mehr,[7] es sei denn, die erste Besprechung ist lediglich wegen Terminschwierigkeiten vertagt worden.[8]

 

Rz. 33

 

Beispiel

Fahrer F wendet sich noch am Unfallort telefonisch an Anwalt A und bittet um Rat, wie er sich gegenüber Polizei und Unfallgegner verhalten soll. Einige Tage später erscheint F dann in der Praxis des A und bringt die Kostenkalkulation seiner Werkstatt mit. Er fragt A unter nochmaliger Schilderung des Unfallverlaufs, ob und welche Schäden er vom Gegner ersetzt verlangen kann.

Die telefonische Beratung kann als Erstberatung eingestuft werden. Beim späteren Besuch in der Praxis macht F zwar erstmals mögliche Schadensersatzansprüche geltend. Es handelt es sich aber um eine weitere Beratung im Hinblick auf denselben Verkehrsunfall, womit der Bereich der Erstberatung verlassen wird.

 

Rz. 34

Die Abgrenzung der Erstberatung von einer Beratung muss im Einzelfall anhand der konkreten Umstände vorgenommen werden. Maßgeblich sind u.a. die Dauer des Gesprächs, die Bandbreite und Schwierigkeit der erörterten Rechtsfragen sowie der Umfang des Tatsachenmaterials, mit denen sich der Anwalt auseinander zu setzen hat. Verschiebt der Rechtsanwalt die Beratung ohne weitere Ausführungen auf einen späteren Termin, weil er sich zunächst sachkundig machen muss, ist der weitere Termin eine Erstberatung, da für die bloß vorläufige Auskunft im ersten Termin überhaupt kein Honorar anfällt.[9] Andererseits kann auch schon innerhalb des ersten Besprechungstermins inhaltlich die Grenze dessen überschritten werden, was man unter pauschaler und überschlägiger Beratung versteht.

[4] BGH AGS 2008, 7; KG AnwBl 2002, 305.
[5] Vgl. AG Essen BeckRS 2013, 7987.
[6] Vgl. BT-Drucks 12/6962.
[8] AG Brühl JurBüro 1998, 136.

b) Verbraucher

 

Rz. 35

Die Erstberatung muss gegenüber einem Verbraucher durchgeführt werden. Nach § 13 BGB ist dies jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Auch Personengemeinschaften, die nicht juristische Personen sind (z.B. eine Wohnungseigentümergemeinschaft, eine BGB-Gesellschaft oder eine Erbengemeinschaft) können Verbraucher sein, wenn die anwaltliche Beratung ihren privaten Zwecken dient. Juristische Personen sind hingegen schon aufgrund ihrer Rechtsform keine Verbraucher. Das gilt neben den Kapitalgesellschaften (GmbH, AG usw.) auch für eingetragene Vereine, selbst wenn sie gemeinnützig sind.

 

Rz. 36

Für die Frage, ob der Auftraggeber Verbraucher ist, ist auf den Zweck der konkreten anwaltlichen Beratung abzustellen. Entscheidend ist nicht, ob der Auftraggeber generell gewerblich oder selbstständig beruflich tätig ist, sondern ob der konkrete Gegenstand der anwaltlichen Beratung – die möglichen Ansprüche aus einem Verkehrsunfallgeschehen – seiner beruflichen bzw. selbstständigen gewerblichen Tätigkeit zuzurechnen ist. Dies richtet sich danach, in welcher Eigenschaft der Auftraggeber das beschädigte Fahrzeug genutzt hat.[10]

 

Rz. 37

 

Beispiel

Erleidet Autovermieter F mit seinem privaten Pkw einen Unfall, so verfolgt er mit der anschließenden Beratung durch Anwalt A einen privaten Zweck, auch wenn er generell einer gewerblichen beruflichen Tätigkeit nachgeht. Etwas anderes kann allerdings dann gelten, wenn auch der von F privat genutzte Pkw zu den Mietautos gehört und damit die anwaltliche Beratung dem...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge