Rz. 421

Die Eltern sind grundsätzlich nach § 7 Abs. 1 oder Abs. 2 FamFG Beteiligte. Wie zuvor § 50a Abs. 1 S. 1 FGG sieht § 160 Abs. 1 S. 1 FamFG in Verfahren, die die Person des Kindes betreffen, vor, dass das Gericht die Eltern persönlich anhören soll.[1532] Der Begriff "soll" ist nicht dahin auszulegen, dass das Familiengericht nach freiem Ermessen von einer Anhörung absehen darf; dies ist nur unter den Voraussetzungen von § 160 Abs. 3 FamFG zulässig (siehe dazu Rdn 423).[1533] Davon sind auch Verfahren wegen Ruhens der elterlichen Sorge[1534] und solche nach § 1628 BGB erfasst (siehe dazu Rdn 116 ff.).[1535] In den Verfahren nach §§ 1666, 1666a BGB ist die persönliche Anhörung zwingend (§ 160 Abs. 1 S. 2 FamFG; zum Erörterungsgespräch nach § 157 FamFG siehe Rdn 457 ff.).[1536] In den sonstigen Kindschaftssachen hat das Gericht die Eltern – nicht persönlich, aber mindestens schriftlich – zu hören (§ 160 Abs. 2 FamFG). Der Spielraum des Gerichts, gegebenenfalls von einer Anhörung abzusehen, ist daher merklich eingeengt worden. Dies gilt insbesondere für den nichtsorgeberechtigten Elternteil,[1537] und zwar auch, wenn dieser lediglich behauptet, Vater des Kindes zu sein und für diesen Fall eine Übertragung sorgerechtlicher Befugnisse auf ihn rechtlich möglich wäre.[1538] § 167 Abs. 4 FamFG sieht allerdings für das Verfahren zur Genehmigung der geschlossenen Unterbringung des Kindes nur die Anhörung des Mitinhabers der elterlichen Sorge vor, so dass von der Anhörung des nicht sorgeberechtigten Elternteils abgesehen werden kann, soweit die Amtsermittlung nicht das Gegenteil gebietet (siehe dazu Rdn 383 ff.).[1539]

 

Rz. 422

Die in den Verfahren nach §§ 1666, 1666a BGB zwingend vorgesehene Elternanhörung verfolgt – neben der Sachverhaltsaufklärung und der Gehörsgewährung – auch einen auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zugeschnittenen Zweck: Es soll mit den Eltern persönlich geklärt werden, wie die Gefährdung des Kindeswohls mit den mildesten möglichen Mitteln abgewendet werden kann.[1540] Denn jede gerichtliche Maßnahme stellt einen Eingriff in das Elternrecht nach Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG dar und hat für das Kind weitreichende Konsequenzen. Kann allerdings das Gericht in einem persönlichen Gespräch mit den Eltern die Möglichkeiten abklären, mit denen einer Gefährdung des Kindeswohls begegnet werden kann, so wird hiermit voreiligen oder fehlerhaften Entscheidungen vorgebeugt. Auch steigen die Aussichten, dass die Eltern freiwillig die vereinbarten Maßnahmen umsetzen.

 

Rz. 423

Nach § 160 Abs. 3 FamFG darf das Gericht nur aus schwerwiegenden Gründen von der Anhörung absehen. Zu denken ist hier etwa an Fälle, in denen mit der Anhörung erhebliche Beeinträchtigungen des Anzuhörenden oder – indirekt – des Kindes verbunden sind bzw. der Anzuhörende unerreichbar ist.[1541] Dies kann aber nicht schon bei bloßem Nichterscheinen angenommen werden. Dies gilt – weil die Anhörung in erster Linie der von Amts wegen gebotenen Sachaufklärung (§ 26 FamFG) dient – auch dann, wenn in der Ladung auf die Folgen des Ausbleibens im Anhörungstermin hingewiesen worden war (§ 34 Abs. 3 S. 2 FamFG).[1542] Kommt daher – wie häufig – deswegen ein Absehen von der Anhörung nicht in Betracht, muss das Erscheinen des Elternteils notfalls erzwungen werden, bis hin zu seiner Vorführung (§ 33 Abs. 3 S. 3 FamFG).[1543] Bei einer unterbliebenen Anhörung wegen Gefahr im Verzug ist diese unverzüglich nachzuholen.[1544]

[1532] Siehe auch Rohmann, Anhörung des Kindes und der Eltern sowie Bekanntgabe der Entscheidung an das Kind als kommunikativer Prozess, FPR 2013, 464.
[1533] OLG Frankfurt FamRZ 2015, 1521.
[1534] OLG Frankfurt NZFam 2015, 169; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 25.2.2015 – 6 UF 6/15 (n.v.).
[1535] OLG Naumburg FamRZ 2013, 66.
[1536] OLG Celle FamRZ 2013, 1681.
[1538] Vgl. OLG Saarbrücken, Beschl. v. 29.10.2010 – 6 UF 105/10 (n.v.).
[1540] OLG Oldenburg FamRZ 1999, 35; OLG Düsseldorf FamRZ 1994, 1541.
[1541] Kemper/Schreiber/Völker/Clausius/Wagner, § 160 Rn 7.
[1542] OLG Bremen FamRZ 2015, 1219; vgl. auch OLG Saarbrücken, Beschl. v. 25.2.2015 – 6 UF 6/15 (n.v).
[1543] Vgl. auch OLG Celle FamRZ 2013, 1681.
[1544] OLG Naumburg FamRZ 2013, 66.

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