Das Recht auf einen Anwalt soll ins Grundgesetz
Die BRAK hat auf ihrer 169. Hauptversammlung in Hannover am 19.9.2025 eine Initiative zur Implementierung eines neuen Grundrechts beschlossen. Ziel ist die Schaffung eines verfassungsrechtlich abgesicherten Anspruchs, sich in Rechtsangelegenheiten gerichtlich und außergerichtlich von einem unabhängigen Anwalt vertreten und beraten zu lassen.
Gefährliche Erosion der Rechtsstaatlichkeit
Nach Ansicht der BRAK geben die aktuellen politischen Entwicklungen weltweit Anlass zur Sorge, dass auch in demokratischen Gesellschaften die Tendenzen zu autoritär-staatlichen Eingriffen in persönliche Rechte der Bürger, in die Gewaltenteilung und in demokratische Strukturen stärker werden. Auch grundlegende Menschenrechte stünden weltweit - nicht zuletzt in dem demokratischen System der USA - unter Druck. Zum Schutz der freien Anwaltswahl will die BRAK im Grundgesetz ein Recht auf einen unabhängigen anwaltlichen Beistand implementieren. Die bisher lediglich einfachgesetzliche Absicherung des Anspruchs der Bürger auf Vertretung durch einen anwaltlichen Beistand, genügt nach Auffassung der BRAK angesichts der zunehmenden autoritären Tendenzen in Politik und Gesellschaft nicht mehr.
Neues Grundrecht zum Schutz der Bürger und der Anwaltschaft
Nicht nur der Rechtssuchende, sondern die freie Anwaltschaft soll durch das neue Grundrecht geschützt werden. Ein Grundrecht der Bürger auf Vertretung durch einen frei gewählten Rechtsanwalt diene neben dem Schutz des Rechtssuchenden auch der Gewährleistung der durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit der Rechtsanwälte. Dies gelte umso mehr, als nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus den Regeln des GG kein allgemeines Verfahrensrecht auf Vertretung durch einen Rechtsanwalt abgeleitet werden kann, auch nicht aus dem Anspruch der Rechtsuchenden auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 GG.
Allgemeines Recht auf Vertretung in der EU-Grundrechte Charta
Eine abgeschwächte Form der Absicherung des Rechts auf anwaltliche Vertretung findet sich bisher in Art. 47 Abs. 2 der Grundrechtecharta der EU. Nach dieser Vorschrift hat jede Person das Recht, sich „beraten, verteidigen und vertreten“ zu lassen. Die Formulierung in der EU-Charta bleibt allerdings allgemein und adressiert insbesondere nicht unmittelbar die Anwaltschaft als Vertretungsorgane.
Formulierungsvorschlag bereits ausgearbeitet
Den Vorschlag für eine Formulierung des neuen Grundrechts hat die BRAK bereits vorgelegt:
„Jedermann hat das Recht, sich vor Gericht und in außergerichtlichen Rechtsangelegenheiten unabhängiger anwaltlicher Hilfe zu bedienen“.
Die Formulierung ist angelehnt an die einfachgesetzliche Regelung des § 137 Abs. 1 StPO, wonach jeder Beschuldigte sich des Beistands eines Verteidigers bedienen darf. Mit der Formulierung sollen die gewachsenen und bewährten Grundprinzipien des Anwaltsberufs verfassungsrechtlich abgesichert werden.
Anwaltsgrundrecht als neuer Art. 19 Abs. 5 GG
Das neue Grundrecht möchte die BRAK unmittelbar im Anschluss an den von Art. 19 Abs. 4 GG gewährleisteten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz positionieren. Das Gebot des effektiven Rechtsschutzes umfasse das Recht jedes einzelnen auf Anrufung der Gerichte zum Schutz vor ungerechtfertigten Maßnahmen der öffentlichen Gewalt. Im Anschluss an diese Schutzvorschriften passe ein neuer Abs. 5, der jedermann das Recht gewähre, sich in seinen Rechtsangelegenheiten - seien sie zivilrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Natur - sowohl vor Gericht als auch außergerichtlich durch einen unabhängigen Anwalt vertreten zu lassen.
Einbindung der Politik muss erst noch gelingen
Die BRAK will ihren Vorschlag an die rechtspolitischen Sprecher der Fraktionen, an den Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages sowie an das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz leiten, in der Hoffnung, dort nicht auf taube Ohren zu stoßen. Ob der Vorschlag tatsächlich Chancen auf eine zeitnahe Umsetzung hat, dürfte sehr stark von den Positionierungen der Bundestagsfraktionen abhängen. Die erforderliche Änderung des Grundgesetzes wäre nur mit einer Zweidrittelmehrheit möglich. Hierfür dürfte noch eine Menge Überzeugungsarbeit zu leisten sein.
Anwaltsgrundrecht soll kostenneutral sein
Vorsorglich hat die BRAK bereits erklärt, dass durch die Einführung des neuen Anwaltsgrundrechts keine Kosten für den Staat entstehen sollen. Ansprüche auf staatliche Finanzierung anwaltlicher Beratung und Vertretung sollen durch die Einführung des neuen Grundrechts nicht entstehen. Der DAV unterstützt den Vorschlag.
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