HR-Influencer Cawa Younosi über seine Social-Media-Aktivität

Er wurde kürzlich vom Personalmagazin als Nummer eins der HR-Influencer in Social Media ausgezeichnet: Cawa Younosi, Head of People Germany von SAP und seit kurzem zudem Global Head of People Experience, hat mehr als 64.000 Follower auf Linkedin und postet täglich auf verschiedenen Kanälen. Hat er nichts Besseres zu tun? Was hat SAP davon? Ein Gespräch über Schein und Sein der sozialen Medien.

Personalmagazin: Herr Younosi, Sie erzielen in Social Media eine hohe Reichweite und Sichtbarkeit. Welche Bedeutung hat das für Sie? 

Cawa Younosi: Es macht mir Spaß, von anderen zu lernen und zu teilen, was wir bei SAP machen. Ansonsten hält sich mein persönlicher Nutzen in Grenzen. Ich verkaufe keine Workshops oder Services. Vom Ruhm kann ich meine Miete nicht bezahlen. Natürlich sind mir die Followerzahlen auf Linkedin eine Ehre. Social Media ist für mich ein wichtiger Kanal der Kommunikation an die SAP-Mitarbeitenden geworden – neben dem Intranet. Wir möchten Beschäftigte nicht mit E-Mails zuspammen.

Personalmagazin: Welchen Nutzen hat also SAP? So, wie Sie das beschreiben, steht die interne Kommunikation im Vordergrund … 

Younosi: Viele Beschäftigte im In- und Ausland wollen wissen, was wir in HR tun. Sie schauen auf meinen Account, um sich aus erster Hand zu informieren. Ich bekomme so auch mit, was bei meinen Kolleginnen und Kollegen auf der ganzen Welt abgeht. Davon profitiert das Unternehmen in vielerlei Hinsicht, auch für die Talentgewinnung und das Employer Branding. Wir bekommen viele Jobanfragen über Linkedin. Interne wie Externe können quasi ohne Filter einen Einblick bekommen, wie SAP tickt. Authentischer geht es nicht. 

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Personalmagazin: Eine Kritik an Social Media lautet: mehr Schein als Sein. Wie kann man HR-Arbeit aus Ihrer Sicht authentisch zeigen? 

Younosi: Wir produzieren nichts extra für Linkedin oder andere Social-Media-Kanäle. Alles, was ich poste, sind Initiativen, die sowieso gerade laufen. Zum Beispiel haben wir vor einigen Monaten die Aktion "Vacant" gestartet. Es geht darum, dass man sich nicht erst bewerben muss, um die Führungskraft kennenzulernen und zu überlegen, ob das Team passt. Das drehen wir auf den Kopf: Man lernt erstmal das Team und die Führungskraft kennen, als Entscheidungsgrundlage, ob man sich bewirbt oder nicht. Die Idee ist bei mir im HR-Team entstanden. 

Personalmagazin: Und das posten Sie dann einfach so? Gibt es da keinen Redaktionsplan oder Unterstützung von einem Social-Media-Team? Influencer haben dafür doch normalerweise einen kleinen Hofstaat.

Younosi: Es kann sein, dass manche Leute das brauchen. Ich nicht. Das mache ich ganz alleine. Spontan. Ohne Agentur. Ich muss nicht erst zig Leute fragen, ob etwas politisch korrekt ist und ich das posten darf, weil ich weiß, wovon ich spreche. Nur wenn ich bearbeitete Fotos oder Videos brauche, unterstützt mich ein Kollege aus meinem Team. Wir haben beispielsweise für unsere Initiative "People Day" intern ein Video gedreht. Ein Tag im 1. Quartal eines Jahres soll nur für Fokus, Reflexion und Zielsetzung in den Teams weltweit reserviert sein. Ich bin hungrig, solche Sachen auszuprobieren. Wenn mir in Social Media Leute schreiben, "coole Idee!", spornt mich das noch mehr an. 

Content mit hohem Unterhaltungsfaktor

Personalmagazin: Die Ideen für den Content kommen also nicht nur von Ihnen?

Younosi: 80 bis 90 Prozent kommt aus dem HR-Team – das ist SAP-Content und hat immer Bezug zur Arbeitgebermarke. Ich kommentiere auch mal etwas, was der Vorstand macht oder die Unternehmensstrategie betrifft. Oder ich schreibe etwas dazu, wie Medien über uns berichten. Manchmal beschäftigt mich als Führungskraft ein Thema. Kürzlich habe ich etwas dazu gepostet, wie wichtig es ist, Rückgrat zu zeigen. 

Personalmagazin: Ihre Beiträge sind selten fachlich, manche haben einen hohen Unterhaltungsfaktor … 

Younosi: Ich poste nicht, wie unsere HR-Business-Partner organisiert sind, welche Bots wir einsetzen oder wie unsere HR-Prozesse funktionieren. Das ist in Fachmagazinen wie dem Personalmagazin gut aufgehoben. Außerhalb von HR können viele nichts damit anfangen. Manchmal bringe ich Funposts, die aber einen ernsten Hintergrund haben. Wie zuletzt zu "Office Shaming": Damit wollte ich sagen, dass es nicht nur hip ist, von zu Hause zu arbeiten. Ich arbeite gern im Büro. Das habe ich als Enthüllungsstory inszeniert, mit meinem verpixelten Konterfei und der Schlagzeile "Ich konnte es der Öffentlichkeit lange vorenthalten, dass ich gerne ins Büro gehe." Ich denke zielgruppenorientiert. Was bedeuten unsere Aktivitäten für die Mitarbeitenden? Denn am Ende des Tages sind sie die Kunden von HR. 

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Personalmagazin: Wissen Sie, wie viele Ihrer Follower in Social Media Beschäftigte von SAP sind?

Younosi: Das habe ich bisher nicht analysiert – das könnte ich nur schätzen. Auf Linkedin sind es vermutlich weniger als 10.000, darunter auch Ex-Mitarbeitende und Alumni in der DACH-Region. Nicht alle SAPler sind auf Linkedin, deshalb nutze ich auch andere Kanäle. Was meine Aktivitäten angeht, kommt inzwischen Instagram an zweiter Stelle. Damit kann ich die jüngere Generation erreichen – Menschen, die gerade mit dem Studium fertig sind und in den Beruf starten. Das ist mir wichtig, auch wenn ich da nur etwas mehr als 2.000 Follower habe. Auch auf Twitter bin ich unterwegs. Da scheinen mir vor allem Journalisten, Politiker und Personen zu folgen, die passiv Informationen konsumieren.  

Personalmagazin: Ein- bis zweimal täglich posten Sie im Schnitt auf Linkedin. Wie viel Zeitaufwand ist das?

Younosi: Je nachdem wie kreativ ich bin. Manchmal bin ich in fünf Minuten fertig. Manchmal muss ich an den Formulierungen feilen. Dann brauche ich schon mal eine Viertelstunde. Ich möchte die Botschaft so kurz und knackig wie möglich halten.

Personalmagazin: In der HR Community gibt es Stimmen, die sagen: "Hat der denn nichts Besseres zu tun als Social Media?!" Wie finden Sie solche Bemerkungen?

Younosi: Ich verstehe das. Jeder Mensch tickt anders. Manche können sich eben nicht vorstellen, dass man Social Media Postings so "nebenbei" machen kann. Solange ich das tue, was ich sage, prallt dieser Vorwurf an mir ab. Meine und unsere Arbeit als Team bei SAP sprechen bezüglich "Auslastung" natürlich eine andere Sprache: Unser Output ist riesig. Wir gehen so viele Themen proaktiv an: von Familie über Diversity bis Menopause. 

Personalmagazin: Sind wir hier in Deutschland besonders kritisch, wenn jemand nicht bescheiden die eigene Arbeit macht, sondern sie auch nach außen zeigt?

Younosi: Das kann gut sein. International kommen immer mehr HR-Kolleginnen und -Kollegen auf mich zu, die auch ein solches Wahrnehmungslevel erreichen möchten wie wir in Deutschland. Gerade in Ländern wie den USA, wo der Markt für Arbeitgebende viel kompetitiver ist. Immer mehr Regionen machen bei unseren Aktivitäten mit. Einiges müssen sie natürlich auf ihre Kultur anpassen. Die Personalabteilung hat überall eine etwas andere Rolle und auch das Reporting-Modell ist nicht immer gleich. 

Die Personalleitung als Hüter und Treiber der Kultur

Personalmagazin: Sie haben seit März 2022 eine neue Funktion bei SAP als Global Head of People Experience. Was steckt dahinter?

Younosi: Bei People Experience geht es darum, wie Menschen SAP als Arbeitgeber wahrnehmen. Mit dieser neuen globalen HR-Organisation möchten wir "People Experience" über das Kernstück des HR-Portfolios hinaus ausweiten. Im Zuge dessen wird sich auch das Reporting-Modell ändern. Ab 1. Juli berichten die Personalleiter weltweit zu dem Thema an mich. Wenn jemand irgendwo eine tolle Kulturinitiative entwickelt hat, dann sollen alle weltweit von den Erkenntnissen profitieren. Wir definieren mit dieser Reorganisation die Rolle der Personalleitung neu: weg vom Business Support hin zum Hüter und Treiber der Kultur. Wir werden deshalb auch das HR-Business-Partner-Modell verändern. Die Personalleiterinnen und Personalleiter in jedem Land werden die Unternehmenskultur repräsentieren, auf Augenhöhe mit den Länder-CEOs. Die Hauptaufgabe der neuen Organisation wird es sein, allen Beschäftigten eine "SAP wow Experience" zu vermitteln. Wir in HR sind direkte und zuverlässige Anlaufstelle für die Mitarbeitenden – ohne Umwege über das Business. Das wertet die Rolle stark auf.

Personalmagazin: Wie wird das Ihre Social-Media-Präsenz verändern? 

Younosi: Ab sofort poste ich überwiegend auf Englisch. Das ist auch eine Frage der internationalen Inklusion. Nur deutsch-typische Themen oder Artikel werde ich noch auf Deutsch teilen. 

Personalmagazin: Sie werden durch Ihre Aktivitäten in Social Media stärker wahrgenommen als andere bei SAP. Gibt es da keinen Neid?

Younosi: Nein. Weil der Content immer etwas mit dem Tagesgeschäft zu tun hat. Es geht darum, wofür man den Job macht und nicht um Selbstdarstellung. Aber das war ein Lernprozess. Als damals Stefan Riess als Personalvorstand mit seiner Initiative HR Punks angefangen hat, war das für manche sehr ungewöhnlich. Inzwischen sehen alle die Früchte. Es ist normal geworden, dass sich führende HR-Köpfe nicht verstecken. Davon profitiert auch HR als Profession insgesamt.

Personalmagazin: Was sagt Ihre neue Personalvorständin Sabine Bendiek dazu, dass Sie auf Social Media mehr Berühmtheit haben als sie?

Younosi: Sie hat mir gleich am Anfang gesagt, dass sie es total cool findet, was ich da mache. Sie hatte meine Aktivitäten schon wahrgenommen, bevor sie ins Unternehmen kam. Sie meinte nur: "Mach weiter so." Sie freut sich wie ihr Vorgänger, wenn die eigenen Mitarbeitenden strahlen. Wir brauchen keine spezifischen Absprachen. Ich kommuniziere primär, was ich und mein Team oder wir als SAP in Deutschland machen. Ihr Verantwortungsbereich als Personalvorständin und Mitglied im Executive Board ist viel breiter. Da ergänzen wir uns sehr gut. 

Ich sehe keinen Mehrwert darin, meine Erfolge auf Social Media zu quantifizieren. Die Anzahl der Klicks oder Likes ist mir egal. Ich will mit Inhalten überzeugen." – Cawa Younosi, SAP


Personalmagazin: Inwiefern quantifizieren Sie Ihre Erfolge?

Younosi: Ich sehe darin keinen Mehrwert. Die Anzahl Clicks oder Likes ist mir egal – ich habe keine KPIs. Meist schaue ich in den ersten 20 Minuten nach dem Posten, ob der Beitrag läuft. Dann habe ich normalerweise so um die 2.000 Ansichten. Wenn es nur 700 sind, kann es sein, dass der Algorithmus spinnt oder ich ein Thema falsch eingeschätzt habe. Aber ich betreibe kein Clickbating und will keine "billigen" Likes über Kalendersprüche. Ich will mit Inhalten überzeugen. Für mich zählen Feedback und Ergebnisse – wenn etwa jemand bei SAP anfängt, weil sie oder er auf Linkedin von mir gelesen hat. Wir sind nicht nur Marktführer bei Software für People Experience, sondern leben das auch. 

Personalmagazin: Das Handelsblatt berichtete kürzlich über eine kritische Befragung von Gewerkschaftsseite, die ergeben hat, dass SAP-Beschäftigte mit der aktuellen Gehaltsrunde unzufrieden sind. Zeitgleich posteten Sie aber, dass Quereinsteiger bei SAP das Gehalt verdoppeln können. Sparen Sie Kritik in Social Media aus?

Younosi: Nein. Diese Befragung hat mich geärgert, weil die Initiatoren über die Presse kommuniziert und nicht mit HR geredet haben. Wie die Befragung entstanden ist, war zweifelhaft. In dem Moment hätte ich mich nur rechtfertigen können. Das Thema habe ich dann ein paar Tage später aufgegriffen, aus meiner Sicht: 10 Prozent der Beschäftigten sind unzufrieden mit dem Gehalt. Na und? Das heißt, dass 90 Prozent bei uns mit der Bezahlung zufrieden sind. Es gibt wohl kaum ein Unternehmen, das auf Kununu und anderen Plattformen ähnliche Werte erreicht. 

Personalmagazin: Nervt Sie das ständige Schulterklopfen und gegenseitige Loben auf Social Media nicht auch manchmal?

Younosi: Ich finde es gut, wenn Menschen zeigen, was sie erreicht haben. Wer genervt ist, sollte Konsequenzen ziehen, statt sich aufzuregen. Man kann aus Social Media rausgehen oder Personen entfolgen. Jeder entscheidet selbst, wem man folgt und was man liest.

Personalmagazin: Durch Fake News hat Social Media die Unschuld verloren. Haben Sie auch schon mal darüber nachgedacht aufzuhören?

Younosi: Nein. In meiner sozialen Blase sehe ich ganz wenig Fake News. Da sind die Leute höchstens vorschnell. Ich bin sehr vorsichtig mit Posts, die in kürzester Zeit gehypt werden. In der Regel kommt ein paar Tage später raus, dass die Dinge anders waren, als sie schienen. Wir sollten erst dann etwas kommentieren, wenn wir alle Fakten haben, und nicht wie Schafe der Herde hinterherlaufen. Das ist aber alles für mich kein Grund aufzuhören. 

Personalmagazin: Was wäre denn ein Grund dafür?

Younosi: Wenn ich eine Social-Media-Sucht entwickeln würde. Oder wenn mir nichts mehr einfällt. Aber in der Regel habe ich einen Content-Stau. Nicht nur, weil ständig etwas über SAP in den Medien erscheint und wir neue Initiativen starten. Führungs- und People-Themen gehen nie aus.


Dieses Interview ist erschienen in Personalmagazin Ausgabe 5/2022. Lesen Sie das gesamte Heft auch in der Personalmagazin-App.

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Schlagworte zum Thema:  Social Media, Personaler, HR-Management