Wie wirkt sich die Digitalisierung auf die Beratungsbranche aus? Ersetzen Plattformen künftig Consultingwissen? Stehen Berater vor disruptiven Veränderungen? Diese und andere Fragen standen im Mittelpunkt des Gipfeltreffens "Consulting 4.0" in Berlin, an dem neun führende HR-Consultants teilnahmen.

Bringt die Digitalisierung einen Verlust an Arbeitsplätzen?

Dass die Digitalisierung auf die Unternehmen einen Veränderungsdruck ausübe, darüber waren sich die Teilnehmer einig. Unsicherheit herrscht aber darüber, mit welcher Wucht und in welchem Tempo der Veränderungsdruck auf die Unternehmen zukommt. Kai Anderson nahm die Rolle des "Challengers" ein, der mit revolutionären Veränderungen rechnet: "Es wird nicht nur alles digitalisiert, was digitalisiert werden kann. Es wird auch automatisiert, was automatisiert werden kann. Die Kombination aus Digitalisierung und Automatisierung schafft einen Veränderungsdruck, den wir alle unterschätzen. Da wird kein Stein auf dem anderen bleiben."

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Carsten Wember, Partner bei der KPMG, blies in dasselbe Horn und beobachtet in administrativen Bereichen der großen Konzerne, dass sich Führungskräfte und Mitarbeiter um ihre Zukunft Sorgen machen. "Es gibt Unternehmensbereiche, die durch die Digitalisierung verschwinden werden oder deutlich an Bedeutung verlieren. Die Frage ist nur noch, wann und in welchem Umfang die Unternehmen die Veränderung anpacken." Parallel zum Trend der Industrialisierung, mit der Arbeitsplätze wegrationalisiert werden, beobachten die Berater den konträren Trend zur Personalisierung von Produkten und Dienstleistungen. "Es gibt Kundengruppen, die wollen individuell angesprochen und betreut werden. Auch darauf müssen die Unternehmen Antworten finden", erläuterte Matthias Meifert die Herausforderungen, die er beim Kunden erlebt. Es war Barbara Heitger, die dazu die entscheidende Frage stellte: "Werden sich diese konträren Entwicklungen gegenseitig aufheben oder gehen in Summe Arbeitsplätze verloren?"

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Eine Antwort darauf versuchte Kai Haake, Geschäftsführer beim Bundesverband der Unternehmensberater (BDU), zu finden und verwies auf die Immobilienbranche. Mit Immobilienscout 24 wurde schon vor 18 Jahren eine Plattform für die Vermittlung von Immobilien geschaffen, die sich etabliert hat und die Branche dominiert. "Trotz der Digitalisierung des Vermittlungsgeschäfts ist die Zahl der Vollerwerbsmakler weitgehend konstant geblieben", erläuterte Haake und schob auch die Begründung für dieses überraschende Ergebnis nach: "Bequemlichkeit und Vertrauen der Kunden."

Wird der Beratungskuchen kleiner?

Wird der Beratungskuchen kleiner oder größer? Darüber gab es weitgehend Einigkeit. Kai Haake blickte auf die letzten zehn Jahre zurück: "Der Umsatz der Beraterbranche hat sich fast verdoppelt", analysierte er. Michael Kramarsch, Geschäftsführer HKP, erwartet weiteres Wachstum für die Branche. "Das hängt schlicht damit zusammen, dass die Unternehmen keine Experten vorhalten wollen."Sophia von Rundstedt sprang ihm bei: "Insourcing von Beratungsleistungen wird in Zeiten des Wandels für die Unternehmen nicht attraktiv sein. Co-Working bleibt eine wichtige Säule für das Beratungsgeschäft." Die Berater rechnen nicht nur mit einem weiteren Wachstum, ihnen mangelt es auch nicht an Selbstbewusstsein, was ihre Rolle angeht. "Unsere Wirtschaft ist derzeit so stark, weil Consulting Teil der Arbeitsteilung ist", formulierte Kai Anderson, dem in diesem Punkt niemand widersprechen wollte.

Woher kommt das Wachstum?

Die Teilnehmer des Roundtables erwarten Wachstum allerdings nicht bei allen Beratungsleistungen, sondern zeichneten ein heterogenes Bild. Barbara Heitger sprach gar von "tektonischen Veränderungen". Ersetzbar werden Beratungsleistungen, mit denen nur Information und Wissen zur Verfügung gestellt werden. Michael Kramarsch, der mit Vergütungsberatung groß geworden ist, sieht damit das Geschäftsmodell der Vergütungsberatung nicht bedroht: "Mehr Daten heißt nicht mehr Wissen. Die Firmen brauchen die Berater weiterhin, um die Daten zu interpretieren und die Projekte durchzuführen."

Der Super-Senior-Berater

Doch die digitalen Entwicklungen reichen weiter. Carsten Wember berichtete davon, dass KPMG mit künstlicher Intelligenz erste Lösungen pilotiert, die den heutigen Berater ersetzen können. Es entstehen technische Lösungen, die die Arbeit der Experten deutlich verändern bis wegfallen lassen.
Beratungsgesellschaften brauchen künftig verstärkt hoch qualifizierte Persönlichkeiten, die umfassende Erfahrungen mitbringen. Barbara Heitger sprach vom "Super-Senior-Berater". Das Erfahrungswissen betrachtet auch An­dré Häusling zukünftig als zentrales Asset. "An Wissen mangelt es nicht, aber an der Umsetzung im jeweiligen Unternehmenskontext."

Schlagworte zum Thema:  Digitalisierung, Beratung

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