Rz. 1

Die Vorschrift des § 2 BetrVG enthält drei unterschiedliche Regelungen. § 2 Abs. 1 BetrVG in Verbindung mit der Bestimmung des § 74 BetrVG regelt die Zusammenarbeit zwischen dem Arbeitgeber, dem Betriebsrat, den Gewerkschaften sowie den Arbeitgeberverbänden im Betrieb (dazu Rz. 8 ff.). § 2 Abs. 2 BetrVG regelt die Zugangsrechte der im Betrieb vertretenen Gewerkschaften (dazu sogleich Rz. 18 ff.), und § 2 Abs. 3 BetrVG bestimmt schließlich, dass die Aufgaben der Koalition außerhalb des Betriebsverfassungsgesetzes unberührt bleiben (dazu Rz. 20).

 

Rz. 2

§ 2 Abs. 1 BetrVG enthält wie schon die Vorläufervorschrift des § 49 Abs. 1 BetrVG 1952 allgemeine Regelungen für die Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.[1] Kernpunkt der Vorschrift ist das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit, welches die Generalklausel des gesamten Betriebsverfassungsrechts bildet und das betriebsverfassungsrechtliche Leitprinzip enthält.[2]

 

Rz. 3

Von der Generalklausel des § 2 Abs. 1 BetrVG nicht erfasst ist die Frage der Zusammenarbeit zwischen Betriebsrat und Sprecherausschuss der Leitenden Angestellten.[3] Die Aufgaben und Befugnisse des Sprecherausschusses sind abschließend im Sprecherausschussgesetz vom 20. Dezember 1988[4] geregelt. Lediglich § 2 Abs. 2 Satz 1 SprAuG gewährt dem Sprecherausschuss die Möglichkeit, dem Betriebsrat oder einzelnen Mitgliedern des Betriebsrats das Recht einzuräumen, an Sitzungen des Sprecherausschusses teilzunehmen. § 2 Abs. 2 Satz 2 SprAuG eröffnet im Gegenzug dem Betriebsrat die Möglichkeit, dem Sprecherausschuss oder einzelnen Mitgliedern des Sprecherausschusses das Recht einzuräumen, an Sitzungen des Betriebsrats teilzunehmen. Nach § 2 Abs. 2 Satz 3 SprAuG sollen einmal im Kalenderjahr gemeinsame Sitzungen von Betriebsrat und Sprecherausschuss stattfinden. Vom Gesetz nicht geregelt sind gemeinsame Sitzungen von Betriebsrat, Sprecherausschuss und Arbeitgeber. Weder § 2 Abs. 1 BetrVG noch § 2 Abs. 1 SprAuG und das in diesen Vorschriften enthaltene Gebot vertrauensvoller Zusammenarbeit begründen eine Pflicht des Arbeitgebers zu gemeinsamen Sitzungen.[5]

 

Rz. 4

Das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber findet auch in § 38 des Gesetzes über Europäische Betriebsräte (Europäische Betriebsräte-GesetzEBRG) vom 28. Oktober 1996[6], in der Fassung vom 7. Dezember 2001[7] seinen Niederschlag. Dort ist bestimmt, dass die zentrale Leitung und der Europäische Betriebsrat vertrauensvoll zum Wohl der Arbeitnehmer und des Unternehmens oder der Unternehmensgruppe zusammenarbeiten.

 

Rz. 5

§ 2 Abs. 2 BetrVG gewährt den Gewerkschaften einen originären Rechtsanspruch auf Zugang zum Betrieb zum Zweck der Wahrnehmung der betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben und Befugnisse. Dieser Rechtsanspruch ist mit dem Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 13 GG vereinbar (BVerfG, Urteil v. 14.10.1976, 1 BvR 19/73), soweit ein Bezug zur Wahrnehmung betriebsverfassungsrechtlicher Angelegenheiten besteht (BAG, Beschluss v. 26.6.1973, 1 ABR 24/72).

 

Rz. 6

§ 2 Abs. 3 BetrVG regelt schließlich die spezifisch koalitionspolitischen Aufgaben von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden und stellt klar, dass die Aufgaben und Funktionen von Betriebsrat und Gewerkschaften im Betrieb und im Rahmen des geltenden Betriebsverfassungsrechts unterschiedlicher Natur sind. Die Vorschrift verdeutlicht den, dem kollektiven Arbeitsrecht immanenten, Dualismus von Betriebsverfassungsrecht auf der einen Seite und den Rechten des Betriebsrats und des einzelnen Arbeitgebers als Organ der Betriebsverfassung und der Befugnisse der Koalition, mithin der Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände, auf der anderen Seite. Der Betriebsrat ist der demokratisch legitimierte Repräsentant aller Arbeitnehmer des Betriebs, und zwar unabhängig davon, ob die einzelnen Arbeitnehmer Mitglied einer Gewerkschaft sind oder nicht (BVerfG, Urteil v. 27.3.1979, 2 BvR 1011/78). § 2 Abs. 3 BetrVG stellt mithin klar, dass der Betriebsrat bei seiner Aufgabenwahrnehmung keine Ersatzgewerkschaft darstellt und folglich die Befugnisse gewerkschaftlicher Interessenvertretung im Betrieb nicht verdrängen kann.[8]

 

Rz. 7

Obschon § 2 Abs. 3 BetrVG die beiderseitige Unabhängigkeit von Betriebsrat und Gewerkschaften festschreibt, sollen beide im Interesse der Arbeitnehmer des Betriebs zusammenarbeiten, soweit den Gewerkschaften entsprechende Aufgaben und Befugnisse auf dem Gebiet des Betriebsverfassungsrechts zugewiesen sind. § 2 Abs. 3 BetrVG i. V. m. § 74 Abs. 3 BetrVG stellt klar, dass die Wahrnehmung koalitionspolitischer Aufgaben durch das Betriebsverfassungsgesetz in keiner Weise eingeschränkt wird.[9]

[1] Fitting, § 2 Rz. 2.
[2] Richardi, § 2 Rz. 1.
[3] Löwisch/Kaiser, § 2 Rz. 15.
[4] BGBl I S. 2312.
[5] So auch Löwisch/Kaiser, § 74 Rz. 2.
[6] BGBl I S. 1548, ber. S. 2022.
[7] BGBl I S. 2650.
[8] DKKW/Berg, § 2 Rz. 3.
[9] Fitting, § 2 Rz. 80; Löwisch/Kaiser, § 2 Rz. 23.

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