Rz. 8

§ 2 Abs. 1 BetrVG regelt die grundsätzlichen Fragen der Zusammenarbeit zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber. In dieser Generalklausel verbergen sich mehrere, an die Betriebsparteien gerichtete, Gebote. Zunächst bestimmt § 2 Abs. 1 BetrVG, dass Arbeitgeber und Betriebsrat vertrauensvoll zusammenarbeiten. Weiter wird bestimmt, dass diese Zusammenarbeit unter Beachtung der geltenden Tarifverträge zu erfolgen hat, sich die Zusammenarbeit jedenfalls auch auf die Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände erstreckt und bei der Zusammenarbeit stets das Wohl aller Arbeitnehmer und des Betriebs zu beachten ist.[1]

[1] Löwisch/Kaiser, § 2 Rz. 4.

2.1 Vertrauensvolle Zusammenarbeit

 

Rz. 9

Die betriebsverfassungsrechtlichen Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat (Gesamtbetriebsrat, Konzernbetriebsrat, Jugend- und Auszubildendenvertretung, Wirtschaftsausschuss, Einigungsstelle und Vertretungen nach § 3 BetrVG) werden vom Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit in besonderem Maße geprägt.[1] Das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit bildet die Generalklausel des gesamten Betriebsverfassungsrechts. Sie enthält unmittelbar geltendes Recht und eine der Vorschrift des § 242 BGB vergleichbare Konkretisierung des Gebots der partnerschaftlichen Zusammenarbeit (BAG, Beschluss v. 3.5.1994, 1 ABR 24/93[2]). Dieses Gebot wirkt unmittelbar auf Inhalt und Abgrenzung sämtlicher Rechte und Pflichten des Betriebsrats wie auch des Arbeitgebers nach dem Betriebsverfassungsgesetz ein.[3]

Aus dem Gebot kann sich in Ausnahmefällen der Einwand unzulässiger Rechtsausübung ergeben. In besonders schweren Fällen kann der Arbeitgeber diesen Einwand auch dem Betriebsrat entgegengehalten (BAG, Beschluss vom 12.3.2019, 1 ABR 42/17).

Konkretisierung erfährt das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit durch die Vorschrift des § 74 BetrVG.[4] Nach § 74 Abs. 1 Satz 2 BetrVG haben Arbeitgeber und Betriebsrat mit dem ernstlichen Willen zur Einigung zu verhandeln und Meinungsverschiedenheiten beizulegen. Ebenso konkretisiert wird das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit durch das Verbot des betrieblichen Arbeitskampfs sowie der parteipolitischen Betätigung in § 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG.

Das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit soll auf der anderen Seite zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat bestehende Interessengegensätze nicht verdecken (im Ergebnis: BAG, Beschluss v. 11.10.2016, 1 ABR 51/14). Aus ihm kann der Arbeitgeber auch nicht verlangen, dass der Betriebsrat bestimmte inhaltliche Positionen aufgibt. Es ist aber die Aufforderung an beide Seiten, immer wieder ernsthaft die Lösung dieser Konflikte zu versuchen und für das Gespräch mit der anderen Seite offen zu sein. Letztlich ist es eine an beide Seiten gerichtete "Fair play" – Regel. Es geht um gegenseitige Ehrlichkeit und Offenheit.

 

Rz. 10

Aus § 2 Abs. 1 BetrVG folgt, dass Auskunfts- und Informationspflichten des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat umfassend zu verstehen sind.[5] Das notwendige Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat lebt gerade davon, dass der Betriebsrat vom Arbeitgeber derart umfassend unterrichtet wird, damit er die für die Wahrnehmung seiner Aufgaben notwendige Sachkenntnis erlangt. Nur ein umfassend unterrichteter Betriebsrat kann die ihm durch das Gesetz zugewiesenen Aufgaben richtig wahrnehmen.

Bedeutung hat das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit ebenso im Rahmen der Überlassung von Sachmitteln an den Betriebsrat gem. § 40 BetrVG. Eine zu kleinliche Handhabung bei der zur Verfügungstellung von Sachmitteln seitens des Arbeitgebers verstößt gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit.

Das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit wirkt sich auch auf die Verhaltenspflichten der Betriebsparteien, insbesondere des Arbeitgebers aus. So verbietet es § 2 Abs. 1 BetrVG dem Arbeitgeber, an den Betriebsrat gerichtete Postsendungen zu öffnen[6] oder die Kosten der Betriebsratsarbeit im Betrieb zu veröffentlichen, wenn dadurch der Betriebsrat vor der Belegschaft letztlich diskreditiert werden soll und damit das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit verletzt wird (BAG, Beschluss v. 19.7.1995, 7 ABR 60/94[7]; BAG, Beschluss v. 12.11.1997, 7 ABR 14/97[8]). Das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit verletzt der Arbeitgeber auch, wenn der Arbeitgeber die Kosten der Betriebsratsarbeit als Rechtfertigung für die Kürzung zusätzlicher Leistungen an die Arbeitnehmer heranzieht.

Auf der anderen Seite ergibt sich aus dem Gebot für Betriebsräte eine Abmeldepflicht, unter Angabe der voraussichtlichen Dauer aber ohne Bekanntgabe des beabsichtigten Ortes und eine Rückmeldepflicht, wenn sie außerhalb des Betriebs erforderlichen Betriebsratsaufgaben nachgehen. Diese Pflichten gelten auch für freigestellte Mitglieder des Betriebsrats (BAG, Beschluss v. 24.2.2016, 7 ABR 20/14).

Dabei hat der Betriebsrat darauf zu achten, die durch seine Tätigkeit verursachen Kosten auf das notwendige Maß zu beschränken und bei Reisen das grundsätzlich kostengünstigste zumutbare Verkehrsmittel in Ansp...

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