Rz. 18

§ 2 Abs. 2 BetrVG gewährt den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften ein Zugangsrecht zum Betrieb. Aus § 2 Abs. 2 BetrVG ergibt sich jedoch kein schrankenloses Zugangsrecht der Gewerkschaft, denn aus dem Wortlaut der Vorschrift folgt bereits, dass dieses Zugangsrecht nur zur Wahrnehmung der im BetrVG selbst den Gewerkschaften zugewiesenen Aufgaben besteht. Dieses sind im Wesentlichen folgende:

Von diesem betriebsverfassungsrechtlichen Zugangsrecht der Gewerkschaften ist das Zugangsrecht zu unterscheiden, das sich aus Art. 9 Abs. 3 GG im Rahmen der Freiheit der Betätigung als Koalition ergibt. So haben die Gewerkschaften auch zur Möglichkeit der Mitgliederwerbung ein Zugangsrecht in den Betrieb (BAG Urteil v. 28.2.2006, 1 AZR 460/04[1]). Ein betriebliches Zutrittsrecht der Gewerkschaften zu Zwecken der Mitgliederwerbung während der Pausenzeiten folgt aus der richterrechtlichen Ausgestaltung ihrer durch Art. 9 Abs. 3 GG garantierten Koalitionsbetätigungsfreiheit. Es liegt an dem Arbeitgeber, den Zutritt zum Betrieb zu gewähren und deren Verbleib auf dem Betriebsgelände zu dulden. Das kann mit seinem durch Art. 13, Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Haus- und Eigentumsrecht und seiner aus Art. 12 Abs. 1 GG folgenden wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit kollidieren. Ob der jeweils konkret begehrte Zutritt zu gewähren ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Diese bestimmen sich nach dem von der Gewerkschaft zur Entscheidung gestellten Antrag. Das darin zum Ausdruck kommende Zutrittsbegehren konkretisiert den personellen und organisatorischen Aufwand des Arbeitgebers und lässt den Schluss auf die damit einhergehenden Störungen betrieblicher Abläufe und des Betriebsfriedens, sowie der darauf bezogenen Grundrechtsbeeinträchtigungen des Arbeitgebers zu. Das Verlangen einer Gewerkschaft, einmal im Kalenderhalbjahr im Betrieb Mitgliederwerbung durch betriebsfremde Beauftragte zu betreiben, entspricht in der Regel dem Gebot praktischer Konkordanz und verletzt den Arbeitgeber daher nicht in seinen Grundrechten (BAG, Urteil v. 2.6.2010, 1 AZR 179/09[2]).

Wahrgenommen wird das betriebsverfassungsrechtliche Zutrittsrecht durch die Beauftragten der im Betrieb vertretenen Gewerkschaften. Die Auswahl der Person des Beauftragten obliegt der Gewerkschaft[3] und kann nur in besonders begründeten Ausnahmefällen vom Arbeitgeber beeinflusst werden, so etwa, wenn ein Beauftragter entsandt wird, der bereits seine gesetzlichen Aufgaben und Befugnisse eindeutig überschritten hat, so im Betrieb parteipolitische Propaganda geübt oder gar zum wilden Streik aufgefordert hat und eine Wiederholung zu befürchten steht[4].

Hinsichtlich der Reichweite des Zugangsrechts ist zu beachten, dass das Zugangsrecht für den Betrieb, also nicht lediglich für einzelne Räume oder zu einzelnen Anlässen besteht. Auch ist insoweit ein Zugangsrecht zu einzelnen Arbeitnehmern an deren Arbeitsplatz, etwa zum Zweck der Vorbereitung einer Betriebsratswahl, von § 2 Abs. 2 BetrVG gedeckt.[5]

Das Zugangsrecht besteht grundsätzlich während der Arbeitszeit. Der Arbeitgeber ist durch die Gewerkschaft im Vorfeld rechtzeitig hinsichtlich des Zeitpunkts des geplanten Besuchs zu unterrichten (BAG, Beschluss v. 14.2.1967, 1 ABR 7/66[6]).

 

Rz. 19

Beschränkungen des Zutrittsrechts kommen nur in engen Ausnahmen in Betracht, und zwar nur bei unumgänglicher Notwendigkeit wegen des Betriebsablaufs, zwingenden öffentlich-rechtlichen oder in Betriebsvereinbarungen niedergelegten Sicherheitsvorschriften oder zum unablässigen Schutz von Betriebsgeheimnissen.[7] Bevor jedoch das Zugangsrecht generell verweigert wird, ist gemäß dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ein milderes Mittel zu suchen. So ist es denkbar, dass der Zutritt auf bestimmte Tageszeiten oder bestimmte Räume beschränkt wird.[8]

Eine Gewerkschaft kann bei einer Verweigerung des Zugangs zum Betrieb gerichtlich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes ihren Anspruch gegen einen Arbeitgeber durchsetzen. Ein Selbsthilferecht steht ihr nicht zu (ArbG Verden, Beschluss v. 07.10.2013, 1 BVGa 1/13).

 
Praxis-Tipp

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