Betriebsrätemodernisierungsgesetz ist in Kraft getreten

Das Betriebsrätemodernisierungsgesetz sieht eine Vereinfachung von Betriebsratswahlen sowie eine Stärkung der Betriebsräte bei den Themen Weiterbildung, Einsatz von künstlicher Intelligenz und mobile Arbeit vor. Das Gesetz wurde am 28. Mai 2021 vom Bundesrat verabschiedet und ist am 18. Juni 2021 in Kraft getreten.

Der Bundestag hatte das Gesetz am 21. Mai 2021 (Betriebsrätemodernisierungsgesetz,  Drs. 19/28899) beschlossen. Das Gesetz wird von Experten zum Teil kritisch gesehen. 

Betriebsratswahlen sollen vereinfacht werden

Das Gesetz sieht unter anderem vor, Betriebsratswahlen zu vereinfachen, indem im Betriebsverfassungsgesetz der Anwendungsbereich des "verpflichtenden vereinfachten Wahlverfahrens" und des "vereinfachten Wahlverfahrens nach Vereinbarung" sowohl für die Wahl des Betriebsrats als auch für die Wahl der Jugend- und Auszubildendenvertretung ausgeweitet wird. Um den Schutz von Arbeitnehmern bei der Gründung eines Betriebsrats zu verbessern, soll zudem der Kündigungsschutz verbessert werden.

Virtuelle Betriebsratssitzungen

Die im Zuge der Coronakrise befristet eingeführte, provisorische Möglichkeit, Betriebsratssitzungen ganz oder teilweise virtuell abhalten zu können, soll fester Bestandteil des Betriebsverfassungsgesetzes werden. Die konkreten Details, wie Betriebsratssitzungen mittels Video- und Telefonkonferenzen künftig geregelt sein sollen, werden durch Ergänzungen der Paragraphen 30 bis 34 in das Betriebsverfassungsgesetz eingefügt.

Regelungen zu künstlicher Intelligenz, Weiterbildung, Datenschutz und mobiler Arbeit

Die Rechte des Betriebsrats bei der Planung von Arbeitsverfahren und -abläufen sollen auch dann gelten, wenn der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) im Unternehmen vorgesehen ist. Außerdem soll sichergestellt werden, dass die Rechte des Betriebsrats bei der Festlegung von Auswahlrichtlinien zur Personalauswahl auch dann Anwendung finden, wenn diese Richtlinien ausschließlich oder mit Unterstützung von KI erstellt werden.

Zur Stärkung der Rechte des Betriebsrats bei der Qualifizierung sieht der Regierungsentwurf vor, das allgemeine Initiativrecht der Betriebsräte bei der Berufsbildung auszubauen und bei Uneinigkeit über Maßnahmen der Berufsbildung die Einschaltung der Einigungsstelle zur Vermittlung zu ermöglichen.

Hinsichtlich der datenschutzrechtlichen Verantwortlichkeit des Arbeitgebers bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch den Betriebsrat, soll mit der Einfügung eines neuen § 79a BetrVG eine klarstellende gesetzliche Regelung geschaffen werden. Auch wenn der Betriebsrat Daten verarbeitet, ist der Arbeitgeber der für die Verarbeitung Verantwortliche im Sinne der datenschutzrechtlichen Vorschriften.

Zu Förderung mobiler Arbeit und zum Schutz der Arbeitnehmer bei Wahrnehmung von Homeoffice soll in § 87 Absatz 1 Nr. 14 BetrVG ein neues Mitbestimmungsrecht bei der Ausgestaltung mobiler Arbeit eingeführt werden.

Stellungnahmen von Experten

Bei der Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales äußerten sich unterschiedliche Sachverständige zum vorgelegten Gesetzentwurf.

Aus Sicht des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) geht der Gesetzentwurf in die richtige Richtung. Mit der Ausweitung des vereinfachten Wahlverfahrens könnten Betriebsratswahlen in der Tat vereinfacht werden, sagte DGB-Vertreterin Micha Klapp. Gut sei auch, dass die Gestaltungsmöglichkeiten der Betriebsräte beim Einsatz von KI in den Unternehmen angepackt werden, indem das Hinzuziehen externen Sachverstands ermöglicht werde. Zu kritisieren sei, dass es im Vergleich zur Referentenentwurf inhaltliche Rückschritte beim Kündigungsschutz gegeben habe, sagte Klapp.

Aus Sicht der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) wird hingegen mit dem Entwurf die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat noch stärker reguliert und neue Bürokratie geschaffen. Eine grundlegende Modernisierung werde so nicht erreicht, sagte BDA-Vertreter Roland Wolf. Bei der Ausgestaltung der Zusammenarbeit gingen die Vorstellungen der Sozialpartner sicherlich weit auseinander, schätzte er ein. Gesichert bleiben müsse in jedem Fall, dass die Entscheidung über eine Vertretung durch den Betriebsrat die Arbeitnehmer im jeweiligen Betrieb und nicht etwa Außenstehende treffen.

Nach Einschätzung des Fachanwalts für Arbeitsrecht, Nils Kummert, reichen die Verbesserungen beim Kündigungsschutz nicht aus. Benötigt werde die Etablierung eines zweistufigen Kündigungsschutzes. Nur dann, wenn der Ausspruch der außerordentlichen fristlosen Kündigung der Vorfeld-Initiatoren von der rechtlichen Prüfung und rechtskräftigen Zustimmungserklärung des Arbeitsgerichts abhängig gemacht wird, könne von einem echten Sonderkündigungsschutz gesprochen werden, befand Kummert.

Beamtenbund fordert Ausweitung des Arbeitnehmerbegriffs

Die Erfahrungen, die die Gewerkschaften und Betriebsräte beim mobilen Arbeiten in den letzten Monaten gesammelt haben, sollten in den Gesetzgebungsprozess einfließen, so der Tarifvorstand des Beamtenbundes dbb Volker Geyer.

Er forderte eine Ausweitung des Arbeitnehmerbegriffs. „Die Stammbelegschaft wird zunehmend durch Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter sowie Beschäftigte mit Werk- und Dienstverträgen ersetzt. Das Betriebsverfassungsgesetz muss auch diese Sonderformen im Betrieb erfassen“, so Geyer. 

Darüber hinaus plädiert der dbb für ein Nutzungsrecht von digitalen Angeboten: „Wir fordern, dass den Gewerkschaften ein elektronisches Zugangsrecht zu den Betrieben eingeräumt wird", so Geyer. Den Gewerkschaften müsse beispielsweise zugestanden werden, Online-Meetings mit Beschäftigten durchzuführen, Videobotschaften zu senden sowie das Intranet oder Social-Media-Kanäle für eigene Informationen zu nutzen.

Der dbb begrüßt die Vereinfachung der Betriebsratswahlen in kleineren Betrieben sowie ein neues Mitbestimmungsrecht bei der Ausgestaltung mobiler Arbeit und geht davon aus, dass Betriebsräte mit diesem neuen Recht den Abschluss von speziellen Betriebsvereinbarungen zu mobiler Arbeit anstreben.

Zum Thema Einbindung des Betriebsrats beim Einsatz von künstlicher Intelligenz sagte Geyer: „Der dbb ist der Ansicht, dass eine frühzeitige Einbindung der Betriebsräte das Vertrauen und die Akzeptanz der Beschäftigten bei der Einführung und der Anwendung von KI stärken. Es ist unzweifelhaft notwendig, dass in Fragen der KI auch ein ständiger Bedarf an fachlicher Unterstützung bei den Betriebsräten besteht“.  

Änderungen gegenüber dem vom Kabinett beschlossenen Regierungsentwurf

Die Änderungen gegenüber dem Regierungsentwurf betreffen unter anderem das Wahlrecht: Das Mindestalter für die Wahlberechtigung wurde von der Vollendung des 18. auf die Vollendung des 16. Lebensjahres abgesenkt. Klargestellt wurde zudem, dass die Verschwiegenheitspflichten der oder des Datenschutzbeauftragten auch solche Informationen umfassen, deren Bekanntgabe an den Arbeitgeber die interessenvertretungsrechtliche Unabhängigkeit des Betriebsrats berühren. Wie für den Sprecherausschuss und den Gesamtsprecherausschuss wird mit einer Ergänzung auch für den Konzernsprecherausschuss die Möglichkeit der Sitzungsteilnahme per Video- und Telefonkonferenz eröffnet.

Weitere Änderungen betreffen den Unfallversicherungsschutz bei Tätigkeiten im Homeoffice. Zwar erstreckt sich der bisherige Versicherungsschutz auf sogenannte Betriebswege, etwa zum Drucker in einem anderen Raum, nicht jedoch auf Wege im eigenen Haushalt zur Nahrungsaufnahme oder zum Toilettengang. Im Betrieb herrsche für diese Wege bereits Versicherungsschutz, im Homeoffice bisher nicht, heißt es zur Begründung. Der Ausschuss hielt hier eine Gleichbehandlung beim Versicherungsschutz für geboten. Darüber hinaus wird der Unfallversicherungsschutz bei einer Homeoffice-Tätigkeit auch auf Wege ausgedehnt, die die Beschäftigten zur Betreuung ihrer Kinder außer Haus zurücklegen.


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