Entscheidungsstichwort (Thema)

Altersteilzeit. billiges Ermessen. Tarifauslegung

 

Orientierungssatz

  • Ein Arbeitgeber, der über die Annahme oder Ablehnung des Antrages eines Arbeitnehmers auf Abschluss eines Altersteilzeitvertrages zu entscheiden hat, ist hierbei nicht auf Grund arbeitsvertraglicher Nebenpflicht an den Maßstab billigen Ermessens gebunden.
  • Es steht Tarifvertragsparteien frei, ob sie einen tariflichen Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf Begründung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses vereinbaren, ob sie die Entscheidung des Arbeitgebers über einen Antrag des Arbeitnehmers auf Altersteilzeit von der Wahrung billigen Ermessens abhängig machen oder ob sie dem Arbeitgeber die freie Entscheidung überlassen.
  • Nach § 3 TV ATZ haben die Tarifvertragsparteien dem Arbeitgeber die freie Entscheidung überlassen, ob er in seinem Betrieb oder Unternehmen überhaupt Altersteilzeit einführt. Erst wenn er Altersteilzeit eingeführt hat, hat er über einen Antrag auf Begründung eines Altersteilzeitarbeitsvertrages nach billigem Ermessen zu entscheiden.
 

Normenkette

BGB § 315 Abs. 3; Altersteilzeitgesetz § 2; TV ATZ § 2; TV ATZ § 3

 

Verfahrensgang

LAG Saarland (Urteil vom 04.12.2002; Aktenzeichen 2 Sa 40/02)

ArbG Saarlouis (Urteil vom 20.12.2001; Aktenzeichen 2 Ca 742/01)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Saarland vom 4. Dezember 2002 – 2 Sa 40/02 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte zum Abschluss eines Altersteilzeitvertrages mit dem Kläger verpflichtet ist.

Der am 3. Februar 1943 geborene Kläger ist seit Dezember 1995 bei der Beklagten als Verkäufer in der Teppichbodenabteilung beschäftigt. Die Beklagte betreibt einen Verbrauchermarkt. Die vertragliche Arbeitszeit des Klägers ist mit monatlich 175 Stunden vereinbart; die regelmäßige tarifliche Arbeitszeit beträgt 163 Stunden/Monat.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ist der Tarifvertrag zur Förderung der Altersteilzeit zwischen dem Landesverband Einzelhandel und Dienstleistung Saarland e.V. und der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen, Landesbezirk Saar sowie der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft Landesverband Rheinland-Pfalz-Saar vom 1. April 1999 (TV ATZ) anzuwenden, der von dem Ministerium für Frauen, Arbeit, Gesundheit und Sozialordnung des Saarlandes auf Grund einer Bekanntmachung vom 9. Dezember 1999 mit Wirkung ab dem 1. Dezember 1999 für allgemeinverbindlich erklärt (Banz. Nr. 9 vom 14. Januar 2000 S. 549).

Der TV ATZ lautet auszugsweise:

“§ 2 Voraussetzungen der Altersteilzeitarbeit

Arbeitnehmer, die das 55. Lebensjahr vollendet haben und in den letzten fünf Jahren vor Beginn der Altersteilzeitarbeit innerhalb der gesetzlichen Rahmenfrist von zur Zeit mindestens 1.080 Kalendertagen eine Vollzeitbeschäftigung gemäß Altersteilzeitgesetz ausgeübt haben, können mit dem Arbeitgeber eine Teilzeitbeschäftigung (Altersteilzeitarbeitsverhältnis) nach Maßgabe des Altersteilzeitgesetzes und der nachfolgenden tariflichen Bestimmungen vereinbaren.

§ 3 Einführung/Vereinbarung von Altersteilzeit

  • Arbeitgeber und Betriebsrat – soweit ein solcher besteht – beraten über die Möglichkeit der Einführung von Altersteilzeitarbeitsverhältnissen.

    In den Beratungen sind die wirtschaftlichen Belange des Unternehmens/Betriebes und die sozialen Gesichtspunkte der betroffenen Arbeitnehmer zu erörtern.

    Im Anschluß daran entscheidet der Arbeitgeber, ob er Altersteilzeit nach diesem Tarifvertrag in seinem Betrieb/Unternehmen einführt. An diese Entscheidung ist er mindestens ein Kalenderjahr, bei abweichendem Geschäftsjahr zwölf Monate gebunden.

  • Der Antrag auf Abschluß eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses ist beim Arbeitgeber spätestens zwei Monate vor dem vom Arbeitnehmer angestrebten Beginn des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses formlos schriftlich zu stellen. Der Arbeitnehmer ist an seinen Antrag bis zu einer Entscheidung gebunden.

    Der Arbeitgeber informiert den Betriebsrat über den Altersteilzeitwunsch des Arbeitnehmers. Der Betriebsrat wird an dem nachfolgenden Entscheidungsprozeß beteiligt.

    Dabei ist zu prüfen, ob dem Antrag unter Berücksichtigung von betrieblichen Belangen, z.B.

    • Anzahl der Anträge auf Altersteilzeit und tatsächliche Umsetzungsmöglichkeit,
    • Wiederbesetzung im Sinne des Gesetzes zur Altersteilzeit,
    • Unabkömmlichkeit des Arbeitnehmers und sozialer Gesichtspunkte, z.B. Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Familienstand, Gesundheitszustand bzw. Schwerbehinderteneigenschaft

    stattgegeben werden kann.

    Wird im Rahmen des Entscheidungsprozesses der Antrag vom Arbeitgeber oder Betriebsrat abgelehnt, kommt der Altersteilzeitarbeitsvertrag nicht zustande. Der Arbeitnehmer ist berechtigt, nach Ablauf von einem Jahr einen erneuten Antrag gemäß Ziff. 2 Abs. 1 zu stellen.

    Die Entscheidung über den erneuten Antrag unter Berücksichtigung der genannten Belange bleibt dem Arbeitgeber nach Beratung mit dem Betriebsrat vorbehalten.

  • Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer innerhalb einer Frist von zwei Monaten seit Eingang des Antrages schriftlich begründet mitzuteilen, ob und ab wann er dem Antrag entspricht.

§ 4 Arbeitszeit

  • Die Arbeitszeit eines Arbeitnehmers in Altersteilzeitarbeit beträgt die Hälfte der regelmäßigen tariflichen wöchentlichen Arbeitszeit gemäß Altersteilzeitgesetz im wöchentlichen Durchschnitt des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses.
  • Die Arbeitszeit kann grundsätzlich wie folgt festgelegt werden:

    Altersteilzeitmodell 1

    Die wöchentliche Arbeitszeit des Arbeitnehmers in Altersteilzeit beträgt die Hälfte der jeweils tarifvertraglich festgelegten wöchentlichen Arbeitszeit. Die so vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit wird gleichbleibend auf die gesamte Dauer der Altersteilzeit verteilt.

    Altersteilzeitmodell 2 – Blockmodell

    Es wird vereinbart, daß die während der Gesamtdauer des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses anfallende Arbeitszeit in einem nach dem Altersteilzeitgesetz zulässigen Rahmen so verteilt wird, daß sie in der ersten Hälfte der Altersteilzeit geleistet wird und der Arbeitnehmer anschließend entsprechend des von ihm erworbenen Wertguthabens von der Arbeit freigestellt wird.”

§ 5 betrifft Dauer und Ende des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses. In § 6 ist die Vergütung geregelt und in § 7 die vom Arbeitgeber geschuldete Aufstockung auf mindestens 82,5 % des um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten monatlichen Bruttovollzeitarbeitsentgelts gemäß § 6 Ziff. 2, das der Arbeitnehmer ohne Eintritt in die Altersteilzeitarbeit erzielt hätte. Nach § 16 richten sich die Rechte des Betriebsrates im Zusammenhang mit Altersteilzeitarbeit nach den Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes. Ergänzende Regelungen können durch freiwillige (Gesamt-) Betriebsvereinbarungen getroffen werden.

Am 4. Januar 2001 beantragte der Kläger Altersteilzeit zum 1. März 2001. Das lehnte die Beklagte schriftlich am 8. Februar 2001 ab. In ihrem Schreiben heißt es ua.:

“… wir haben mit unserem Betriebsobmann, Herrn F…, Ihre obige Anfrage erörtert. Z.…Z.… ist eine Altersteilzeit im h… nicht möglich.

…”

Nachdem der Kläger schriftlich mitgeteilt hatte, er wolle ab 1. März 2001 monatlich mit der Hälfte seiner Arbeitszeit arbeiten und um nähere Darlegung der entgegenstehenden betrieblichen Gründe gebeten hatte, beantragte er unter dem 15. Februar 2001 “Teilzeit nach § 8 TzBfG” ab dem 1. Mai 2001. Die verringerte Arbeitszeit könne auf “halbe oder auf ganze Arbeitstage” verteilt werden. Im März 2001 stellte er schriftlich klar, der Antrag werde nicht auf das TzBfG gestützt, sondern auf das ATG und den TV ATZ. Auch diesen Antrag lehnte die Beklagte unter Hinweis auf die bei Altersteilzeit entstehenden zusätzlichen Personalkosten und eine damit verbundene Gefährdung der Ertragssituation ab.

Mit seiner im Juni 2001 erhobenen Klage macht der Kläger im wesentlichen geltend, die Beklagte sei verpflichtet, über seinen Antrag auf Altersteilzeit nach billigem Ermessen und unter Beteiligung des Betriebsrates zu entscheiden. Beides habe die Beklagte unterlassen. Sie müsse sich daher so behandeln lassen, als habe sie Altersteilzeit eingeführt.

Der Kläger hat beantragt,

gemäß § 315 BGB zwischen den Parteien ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis dadurch zu begründen, dass

  • die Beklagte verurteilt wird, mit dem Kläger das bestehende Arbeitsverhältnis dergestalt umzuändern, dass der Kläger nur noch 87,5 Arbeitsstunden pro Monat Arbeitsleistung zu erbringen hat und das Arbeitsentgelt wie folgt neu festgesetzt wird:

    • 50 % des bisherigen Arbeitsentgelts zzgl.
    • eines Aufstockungsbetrages, der so zu berechnen ist, dass sich im Ergebnis eine Nettoentlohnung von mindestens 82,5 % des bisherigen gesetzlichen Nettolohns ergibt,
  • hilfsweise (mit der am 6. Dezember 2001 erhobenen Klageerweiterung):

    • Gemäß § 315 BGB zwischen den Parteien ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis dadurch zu begründen, dass während der Gesamtdauer des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses seit der Rechtshängigkeit dieser Klage die anfallende Arbeitszeit so verteilt wird, dass die Hälfte der Altersteilzeitarbeit zunächst geleistet wird und der Arbeitnehmer anschließend, entsprechend des von ihm erworbenen Wertguthabens, von der Arbeit freigestellt wird,
    • dass seit Rechtshängigkeit dieser Klage die Gesamtarbeitszeit auf der Basis von 175 Stunden pro Monat für die Zeit seit Rechtshängigkeit dieser Klage bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres des Klägers am 28. Februar 2006 festgestellt wird und eine noch zu leistende Restarbeitszeit zur Hälfte abzüglich bis zur Rechtskraft dieses Urteils geleisteten tatsächlichen Arbeitszeit festgestellt wird (§ 5 ATG) unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Kläger bis zur rechtskräftigen Entscheidung volle Arbeitszeit leistet und die über die hälftige Arbeitszeit hinausgehende Zeit auf zukünftige Arbeitszeit anzurechnen ist,
    • dass der Kläger ab Rechtskraft dieses Urteils Altersteilzeitentgelt in Höhe von 50 % seines bisherigen Arbeitsentgeltes sowie eine Aufstockungszahlung erhält, damit sein gesetzliches Nettoeinkommen mindestens 82,5 % erreicht,
    • die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger eine entsprechende Berechnung zu erteilen.
  • hilfsweise:

    Die Beklagte zu verurteilen, ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis entsprechend den zuvor gestellten Anträgen mit dem Kläger abzuschließen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision. Er beantragt nunmehr,

die Beklagte zu verurteilen,

“… dem Kläger dadurch Altersteilzeit zu gewähren, daß sie ihn für die Zeit ab dem 19.08.2003 freistellt und ihm bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres am 03.02.2006 das jeweilige monatliche Altersteilzeitentgelt in Höhe von mindestens 82,5 % des um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten monatlichen Bruttovollzeitarbeitsentgeltes, das der Arbeitnehmer ohne Eintritt in die Altersteilzeitarbeit erzielt hätte, aufzustocken und dem Kläger hierüber eine entsprechende Berechnung zu erteilen. Dabei muß das bisherige Arbeitsentgelt zuzüglich aller festen sowie variablen Entgeltbestandteile, z.B. Prämien, Provisionen u.ä., zugrundegelegt werden. Wiederkehrende Einmalzahlungen, z.B. 13. Gehälter, Abschlußvergütungen, Tantiemen, tarifliche Sonderzahlungen sind jeweils zu 50 % zu gewähren. Die Höhe dieser Leistung errechnet sich auf der Basis einer Vollzeitbeschäftigung.”

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

  • Die Revision ist zulässig, obgleich der Kläger nunmehr einen Sachantrag gestellt hat, mit dem er die Verteilung von Arbeitsund Freistellungsphase während der von der Beklagten zu gewährenden Altersteilzeit abweichend von den bisherigen Klageanträgen festgelegt wissen will. Im Revisionsverfahren können solche neuen prozessualen Ansprüche grundsätzlich nicht zur gerichtlichen Entscheidung gestellt werden (vgl. BAG 5. Juni 2003 – 6 AZR 277/02 – mwN). Klageänderungen und -erweiterungen sind gleichwohl aus Gründen der Prozesswirtschaftlichkeit dann zuzulassen, wenn der geänderte Sachantrag sich auf den vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalt stützt (vgl. BAG 5. November 1985 – 1 ABR 49/83 – BAGE 50, 85, 92, zu III der Gründe). So liegt es hier. Der Kläger bringt keinen neuen Sachverhalt vor. Er geht nach wie vor von seinem ursprünglichen Antrag auf Altersteilzeitarbeit vom 4. Januar 2001 aus und macht die sich nach seiner Auffassung hieraus ergebenden tariflichen Rechte geltend.
  • In der Sache hat die Revision keinen Erfolg.

    I. Die Klage ist zulässig.

    1. Der Klageantrag ist nach der gebotenen Auslegung hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

    a) Nach dem Wortlaut des Klageantrages soll die Beklagte verurteilt werden, dem Kläger Altersteilzeit zu “gewähren” und ihn beginnend mit dem 19. August 2003 bis zum 3. Februar 2006 von der Arbeit freizustellen. Unter dem Begriff “gewähren” versteht der Kläger ersichtlich den Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrages als Grundlage des gewünschten Altersteilzeitarbeitsverhältnisses. Für die restliche Laufzeit des Altersteilzeitarbeitsvertrages, die er unter Berücksichtigung seines Geburtsdatums mit dem 3. Februar 2006 errechnet, will er freigestellt werden (§ 894 ZPO).

    b) Zusätzlich soll die Beklagte Zahlungen leisten. Die Beklagte soll das Entgelt des Klägers auf mindestens 82,5 % des im Klageantrag näher beschriebenen Nettoentgelts aufstocken, hierbei bestimmte Entgeltbestandteile berücksichtigen und eine Berechnung erteilen. Als Leistungsantrag wäre ein solcher “Antrag” wegen mangelnder Bestimmtheit unzulässig, weil er keinen der Höhe nach bestimmten Sachantrag enthält, sondern lediglich Bemessungsgrundlagen und ein in Prozenten ausgedrücktes Ergebnis. Trotz seiner räumlichen Zuordnung ist dieser Textteil daher im recht verstandenen Interesse des Klägers (vgl. BGH 10. März 1994 – IX ZR 152/93 – NJW 1994, 1537) kein Bestandteil des Klageantrages. Er gibt insoweit nur die Modalitäten wieder, nach denen sich das Altersteilzeitarbeitsverhältnis gestalten soll.

    2. Die Klage ist unbegründet. Die Beklagte ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt verpflichtet, mit dem Kläger ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis zu begründen.

    a) In dem auf das Arbeitsverhältnis der Parteien auf Grund Allgemeinverbindlicherklärung anzuwendenden TV ATZ (§ 5 Abs. 4 TVG) ist kein unmittelbar auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrages gerichteten Anspruch des Arbeitnehmers geregelt.

    aa) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts gehört der Kläger zu den Arbeitnehmern, für die nach § 2 TV ATZ die Vereinbarung von Altersteilzeit in Betracht kommt. Er hat das 55. Lebensjahr vollendet und erfüllt die in der Vorschrift verlangte Mindestbeschäftigung. Die ihm deshalb zustehenden Rechte richten sich nach der ausdrücklichen Verweisung des § 2 TV ATZ “nach Maßgabe des Altersteilzeitgesetzes und der nachfolgenden tariflichen Bestimmungen”.

    bb) Weder das in Bezug genommene Altersteilzeitgesetz noch § 3 TV ATZ rechtfertigen den erhobenen Anspruch.

    Das Altersteilzeitgesetz enthält nahezu ausschließlich Vorschriften, die das Verhältnis zwischen der Bundesagentur für Arbeit und dem Arbeitgeber regeln. Sie bestimmen, unter welchen Voraussetzungen Altersteilzeit öffentlich-rechtlich gefördert wird. Ein Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrages, mit dem der bestehende Arbeitsvertrag geändert werden soll, bedarf daher einer gesonderten privatrechtlichen Grundlage (vgl. Senat 12. Dezember 2000 – 9 AZR 706/99 – BAGE 96, 363).

    § 3 TV ATZ betrifft die Einführung von Altersteilzeit (Nr. 1) und enthält für die Vereinbarung selbst (Nr. 2) im wesentlichen Bestimmungen zu Form und Frist des Antrages eines Arbeitnehmers auf Altersteilzeit, über das vom Arbeitgeber einzuhaltende Verfahren und die Merkmale, nach denen Arbeitgeber und Betriebsrat den Antrag zu beurteilen haben. Ein Anspruch iSv. § 194 BGB lässt sich daraus nicht herleiten. Wortlaut und systematischer Zusammenhang der Vorschrift sind insoweit unmissverständlich. Das hat das Landesarbeitsgericht zu Recht erkannt. Hiergegen wendet sich der Kläger nicht.

    b) Entgegen der Revision ergibt sich der Anspruch des Klägers auch nicht mittelbar aus den tariflichen Vorschriften. Das gilt selbst dann, wenn zu seinen Gunsten unterstellt wird, dass die Beklagte seinen Antrag abgelehnt hat, ohne hierbei die Grundsätze billigen Ermessens zu wahren.

    aa) § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB ist entsprechend anzuwenden, wenn der Arbeitgeber über eine Maßnahme nach billigem Ermessen zu entscheiden hat. Billiges Ermessen verlangt, dass der Arbeitgeber die wesentlichen Umstände des Einzelfalles und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt. Ob diesen Anforderungen genügt ist, unterliegt der gerichtlichen Kontrolle (Senat 12. Dezember 2000 – 9 AZR 706/99 – BAGE 96, 363 mwN). Hat der Arbeitgeber sein Ermessen nicht oder fehlerhaft ausgeübt, ist die Entscheidung durch das Gericht zu ersetzen (Senat 30. Oktober 2001 – 9 AZR 426/00 – BAGE 99, 274 zu § 55 MTArbL; BAG 29. November 1995 – 5 AZR 753/94 – BAGE 81, 323 zu § 10 GleichstG Berlin).

    Ein Arbeitgeber, der über die Annahme oder Ablehnung des Antrages eines Arbeitnehmers auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrages zu entscheiden hat, ist bei seiner Entscheidung nicht ohne weiteres an die Grundsätze billigen Ermessens gebunden. Zu seinen arbeitsvertraglichen Nebenpflichten gehört zwar, auf die berechtigten Interessen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen (BAG 6. August 1997 – 7 AZR 557/96 – BAGE 86, 194). Wegen der möglichen Ersetzung der Entscheidung des Arbeitgebers durch das Gericht greift eine Ermessensbindung notwendig in die auch grundgesetzlich gewährleistete Vertragsfreiheit des Arbeitgebers ein. Ein solcher Eingriff ist aber nur auf Grund gesonderter Rechtsgrundlage zulässig. Sie kann sich auch aus einem Tarifvertrag ergeben (BAG 3. Dezember 2002 – 9 AZR 457/01 – AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 2 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 4, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).

    bb) Hier haben die Tarifvertragsparteien dem Arbeitgeber die freie Entscheidung überlassen, ob er Altersteilzeit in seinem Betrieb oder seinem Unternehmen einführt oder nicht. Nur bei einer positiven Entscheidung hat er über Anträge von Arbeitnehmern nach billigem Ermessen zu befinden. Das ergibt die Auslegung der Tarifvorschriften, nämlich der §§ 2 und 3 TV ATZ.

    (1) Entgegen der Auffassung des Klägers enthält § 2 TV ATZ keine Anhalte für die von ihm vertretene Auslegung. Wie die Überschrift deutlich macht, sind in der Vorschrift die allgemeinen Voraussetzungen geregelt, die dem Arbeitnehmer den Zugang zur Altersteilzeit eröffnen. Mit der Festlegung des Mindestalters und der Mindestbeschäftigung haben die Tarifvertragsparteien inhaltlich § 2 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 ATG idF vom 6. April 1998 übernommen. Sie haben damit den Kreis der gesetzlich und tariflich “begünstigten Personen” festgelegt. Erfasst sind die Arbeitnehmer, für die generell der Abschluss von subventionierten Altersteilzeitverträgen in Betracht kommt.

    Nichts anderes ist der Formulierung in § 2 TV ATZ zu entnehmen, nach der Arbeitnehmer mit dem Arbeitgeber Altersteilzeit vereinbaren “können”. Das zeigt die Anordnung, nach der sich die Rechte des Arbeitnehmers “nach Maßgabe … der nachfolgenden tariflichen Bestimmungen” bestimmen. Diese Verweisung schließt die Annahme des Klägers aus, die Tarifvertragsparteien hätten mit dem Wort “können” eine Bindung des Arbeitgebers an billiges Ermessen herstellen wollen. Die Vorschrift wäre in sich widersprüchlich.

    Der Senat hat zwar in Auslegung des im öffentlichen Dienst geltenden Tarifvertrages Altersteilzeit aus dem Wort “können” gefolgert, der Arbeitgeber habe über den Antrag auf Vereinbarung eines Altersteilzeitarbeitsvertrages nach billigem Ermessen zu entscheiden (Senat 3. Dezember 2002 – 9 AZR 457/01 – AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 2 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 4, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; 12. Dezember 2000 – 9 AZR 706/99 – BAGE 96, 363). Die Tarifvorschriften sind jedoch nicht vergleichbar. Bezieht sich das “Können” hier auf den Arbeitnehmer, heißt es in § 2 TV ATZ öffentlicher Dienst: “Der Arbeitgeber kann mit Arbeitnehmern…”. Das ist etwas anderes. Der Arbeitgeber wird als handelndes Subjekt angesprochen.

    Auch die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zum Tarifvertrag zur vorgezogenen freiwilligen Pensionierung für das private Bankgewerbe in der Bundesrepublik Deutschland und im Land Berlin (Vorruhestands-Tarifvertrag) vom 10. April 1984 (28. Februar 1989 – 3 AZR 468/87 – AP VRG § 2 Nr. 7 = EzA VRG § 2 Bankgewerbe Nr. 1) ist nicht einschlägig. Nach § 2 des Vorruhestands-Tarifvertrages hatten Arbeitnehmer unter den dort näher bestimmten Voraussetzungen “Anspruch auf Leistungen” nach dem Tarifvertrag.

    (2) Die Unterscheidung zwischen dem “Ob” der Einführung und dem “Wie” einer Vereinbarung für den Fall einer Einführung ergibt sich aus § 3 TV ATZ. Die Stufenfolge lässt sich unmittelbar aus der Überschrift der Tarifvorschrift ablesen. Dort ist die Rede von “Einführung/Vereinbarung von Altersteilzeit”. Die Tarifvertragsparteien haben damit schlagwortartig die beiden Komplexe gekennzeichnet, die in der Norm geregelt werden. Dem entspricht die Untergliederung in Nr. 1 und Nr. 2; Nr. 1 betrifft die Einführung von Altersteilzeit, Nr. 2 die Behandlung des Antrages eines Arbeitnehmers im Einzelfall nach Einführung. Nr. 3 schreibt für beide Sachverhalte vor, innerhalb welcher Frist und Form der Arbeitgeber auf einen Antrag zu reagieren hat.

    Hinsichtlich der Einführung von Altersteilzeit werden in Nr. 1 Abs. 1 zunächst Rechte des Betriebsrates begründet. Der Arbeitgeber hat mit ihm über die “Möglichkeit der Einführung von Altersteilzeit” zu beraten. In den Beratungen sind nach Absatz 2 die “wirtschaftlichen Belange des Unternehmens/Betriebes” und die “sozialen Gesichtspunkte der betroffenen Arbeitnehmer” zu erörtern. Angesprochen sind damit allgemeine Erwägungen zum Für und Wider der Einführung von Altersteilzeit. Sie sind unabhängig von der Person des Einzelnen und der Eignung seines Arbeitsplatzes für die gewünschte Verringerung der Arbeitszeit um die Hälfte. Die bei einer Ermessensentscheidung typischerweise zu berücksichtigenden Umstände des Einzelfalles werden dagegen erst in Nr. 2 angesprochen. Dort haben die Tarifvertragsparteien konkretisiert, welche betrieblichen und persönlichen Umstände bei der Entscheidung über einen gestellten Antrag zu berücksichtigen sind, nämlich ua. Zahl der gestellten Anträge, Umsetzungsmöglichkeiten, Wiederbesetzung, Lebensalter, Gesundheitszustand.

    (3) Bestätigt wird dieses Verständnis der tariflichen Konzeption durch § 3 Nr. 1 Abs. 3 Satz 1 TV ATZ. Danach “entscheidet” der Arbeitgeber “im Anschluß daran”, ob er Altersteilzeit einführt. Wie bereits der Aufbau der Vorschrift deutlich macht, ist der Begriff “im Anschluß daran” nur zeitlich zu verstehen. Gemeint sind die Beratungen mit dem Betriebsrat, die der Entscheidung des Arbeitgebers über das “Ob” vorausgehen. Nach dem Wortlaut des Absatzes 3 unterliegt der Arbeitgeber bei seiner Entscheidung keinen Bindungen. Er braucht auch nicht etwa ein Resümee aus den mit dem Betriebsrat ausgetauschten Argumenten zu ziehen. Denn der Betriebsrat ist nach dem Willen der Tarifvertragsparteien an der Entscheidungsfindung über das “Ob” nicht beteiligt. Eine solche Einbindung ist erst vorgesehen, wenn über einen konkreten Antrag auf Altersteilzeit zu befinden ist. Nur dann ist der Betriebsrat nach § 3 Nr. 2 Abs. 2 TV ATZ über einen gestellten Antrag zu informieren und am “nachfolgenden Entscheidungsprozeß” zu beteiligen.

    (4) Hinzu kommt, dass die Tarifvertragsparteien auch den Fall bedacht haben, dass in dem Betrieb kein Betriebsrat gebildet ist. Denn in § 3 Nr. 1 Abs. 1 TV ATZ haben sie das Beratungsrecht des Betriebsrates ausdrücklich unter den Vorbehalt gestellt – “soweit ein solcher besteht” –. Dieser Vorbehalt wird zwar im folgenden Tariftext nicht wiederholt. Das rechtfertigt aber nicht den Schluss, Nr. 1 gelte nur in Betrieben mit Betriebsrat, in betriebsratslosen Betrieben könne der Arbeitgeber nicht frei über die Einführung von Altersteilzeit entscheiden. Eine solche Ungleichbehandlung von Arbeitgebern kann den Tarifvertragsparteien nicht unterstellt werden.

    (5) Für die Auslegung der Beklagten spricht außerdem die Regelung in § 3 Nr. 1 Abs. 3 Satz 2 TV ATZ. Danach ist der Arbeitgeber an seine Entscheidung über die Einführung von Altersteilzeit für die Dauer von mindestens einem Kalenderjahr, bei abweichendem Geschäftsjahr zwölf Monate gebunden. Hat er Altersteilzeit eingeführt, ist Altersteilzeit nach Maßgabe des § 3 Nr. 2 TV ATZ zu vereinbaren. Die tariflich angeordnete Bindung an eine Entscheidung “pro Altersteilzeit” macht dagegen keinen Sinn, wenn der Arbeitgeber ohnehin über jeden Antrag von Arbeitnehmern auf Altersteilzeit an § 315 BGB analog gebunden wäre.

    Das Schweigen der Tarifvertragsparteien, unter welchen Voraussetzungen der Arbeitgeber nach Ablauf der Mindestdauer Altersteilzeit “abschaffen” kann, macht zusätzlich deutlich, dass sie den Arbeitgeber auch insoweit einschränken wollten. Nach Ablauf der Frist kann er sich erneut für oder gegen Altersteilzeit entscheiden.

    cc) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat die Beklagte sich gegen eine Einführung von Altersteilzeit in ihrem Unternehmen entschieden. Der Kläger konnte daher nicht beanspruchen, dass über seinen Antrag nach Maßgabe von § 3 Nr. 2 TV ATZ entschieden wird. Eine ersetzende Entscheidung des Gerichts entfällt.

    c) Ein Anspruch des Klägers ergibt sich ferner nicht aus einer möglichen Verletzung von Beteiligungsrechten des Betriebsrates. Dabei kann zu Gunsten des Klägers unterstellt werden, dass die Beklagte entgegen § 3 Nr. 1 TV ATZ die Einführung von Altersteilzeit nicht mit dem Betriebsrat beraten hat. Darauf kommt es nicht an. Die Tarifvertragsparteien haben an eine Verletzung des Beratungsrechts des Betriebsrates keine Rechtsfolgen geknüpft. Auch betriebsverfassungsrechtlich führt ein möglicher Verstoß gegen Beteiligungsrechte nicht zu einzelvertraglichen Ansprüchen des Arbeitnehmers, die zuvor noch nicht bestanden haben (vgl. BAG 11. Juni 2002 – 1 AZR 390/01 – BAGE 101, 288 mwN).

    d) Entgegen der Revision steht dem Kläger ein Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitvertrages nicht bereits deshalb zu, weil in § 8 TzBfG ein Anspruch auf eine “Teilzeitbeschäftigung” geregelt ist. Zwischen dieser Vorschrift und den Regelungen des Tarifvertrages besteht kein rechtlicher Zusammenhang. § 8 TzBfG begründet unter den dort näher bestimmten Voraussetzungen allein einen Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit, nicht aber auf die vom Kläger gewünschte Begründung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses mit den dann vom Arbeitgeber tariflich geschuldeten Aufstockungsleistungen.

  • Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.
 

Unterschriften

Düwell, Reinecke, Ott, Benrath

Richter am BAG Krasshöfer ist infolge Erkrankung an der Unterschriftsleistung verhindert.

Düwell

 

Fundstellen

NWB 2004, 2253

JR 2005, 308

NZA 2004, 872

SAE 2004, 346

ZAP 2004, 763

AP, 0

EzA

BAGReport 2004, 245

NJOZ 2004, 2670

SPA 2004, 7

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