Krisenstrategie: Befristete Arbeitnehmerüberlassung

Kurzarbeit hat sich in der Corona-Krise bewährt und ist vielfach das Mittel der Wahl, wenn ein Unternehmen keine Aufträge mehr hat. Doch es gibt auch Handlungsalternativen. Im Interview berichtet der Vorsitzende der Geschäftsführung Philipp Geyer, welche Idee der Personaldienstleister Unique entwickelt hat – und worin die Vorteile des Modells liegen.

Haufe Online-Redaktion: Herr Geyer, Sie haben bei Unique ein Modell entwickelt, das gerade für kleinere Arbeitgeber eine spannende Alternative zur Kurzarbeit sein kann. Wie sieht dieses Modell aus?

Philipp Geyer: Man könnte von einem befristeten Outplacement sprechen. Nehmen Sie an, ein Arbeitgeber, beispielsweise ein kleinerer Handwerksbetrieb, hat in der Krise keine Aufträge mehr und müsste eigentlich Kurzarbeit anmelden. Stattdessen kann er die Arbeitsverhältnisse mit seinen Mitarbeitern ruhen lassen und die Mitarbeiter schließen ab dem Moment, ab dem ihr eigentliches Arbeitsverhältnis ruht, einen zeitlich befristeten Arbeitsvertrag mit einem Personaldienstleister, der sie dann an Betriebe verleiht, in denen es Arbeit gibt und wo sie gebraucht werden.

Befristete Arbeitnehmerüberlassung: Eigentliches Arbeitsverhältnis ruht

Haufe Online-Redaktion: Das ist eine zulässige rechtliche Konstruktion?

Geyer: Ja, sicher. Ein ruhendes Arbeitsverhältnis kennt man beispielsweise von unbezahltem Urlaub oder aus der Elternzeit. Das Arbeitsverhältnis besteht noch, aber die gegenseitigen Hauptleistungspflichten aus dem Arbeitsverhältnis ruhen und in dieser Zeit steht es dem Arbeitnehmer frei, befristet bei einem anderen Arbeitgeber zu arbeiten.

Haufe Online-Redaktion: Dazu bräuchte es aber nicht zwingend einen Personaldienstleister, oder? Der Arbeitgeber könnte seine Mitarbeiter doch auch selbst ausleihen, so wie McDonalds seine Beschäftigten an Aldi vermittelt hat.

Geyer: Kleinere Arbeitgeber mit weniger als 50 Beschäftigten können nach § 1a Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) ihre Mitarbeiter anderen Unternehmen überlassen, für größere Betriebe sieht das Gesetz in § 1 Abs. 3 Nr. 2a AÜG eine Möglichkeit vor. Das bringt jedoch im Gegensatz zu unserem Modell durchaus Risiken für die Beteiligten mit sich, die sie bei unserem Modell der Personalleihe nicht tragen müssen.

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Haufe Online-Redaktion: Welche Risiken sind das?

Geyer: Das AÜG bleibt in beiden Fällen, auch wenn es auf den ersten Blick unkomplizierte Fälle von Arbeitnehmerüberlassung sind, voll anwendbar. Denken Sie an eine mögliche Insolvenz des Entleihers. Dann haftet der Verleiher, auch wenn man vertraglich für die Zeit der Leihe befristete Arbeitsverhältnisse beim Entleiher geschlossen hat, für das Entgelt, die zu entrichtenden Sozialversicherungsbeiträge, die Lohnsteuer und alle sonstigen Zahlungsverpflichtungen, die sich aus dem Beschäftigungsverhältnis mit dem Entleiher ergeben. Kein ganz kleines Risiko in einer wirtschaftlichen Situation wie derzeit, zumal Unternehmen im Moment die Möglichkeit haben, ihre Sozialversicherungsbeiträge stunden zu können. Da warten im schlimmsten Fall böse Überraschungen auf den nichtsahnenden Verleiher, wenn ein Entleiher zahlungsunfähig wird. Dem Verleiher obliegen in einem gewissen Umfang auch Überwachungs- und Kontrollpflichten, die ein Arbeitgeber, der sonst kein Personal verleiht, vermutlich weder ausüben kann noch will.

Arbeitgeber kann kurzfristig Personalkosten minimieren

Haufe Online-Redaktion: Diese Risiken deckt ein Personaldienstleister ab?

Geyer: Ja. Sofern Sie mit einem seriösen Anbieter zusammenarbeiten, sind diese Risken selbstverständlich abgedeckt.

Haufe Online-Redaktion: Gibt es weitere Vorteile des Modells?

Geyer: Der Arbeitgeber kann sehr kurzfristig seine Personalkosten minimieren, ohne Kurzarbeit einführen zu müssen und Anträge bei der Bundesagentur stellen zu müssen. Der Arbeitnehmer kann weiterbeschäftigt werden, ohne die hohen Gehaltseinbußen der Kurzarbeit hinnehmen zu müssen und der Personaldienstleister kommt auf diesem Weg an erfahrene Fachkräfte, die möglicherweise schon seit Jahren in ihren Unternehmen sind, also an hochqualifizierte Leute, die sonst nur schwer zu bekommen sind. Wenn Sie so wollen, profitieren alle Beteiligten davon. Nicht zuletzt auch alle Beitragszahler, deren Sozialversicherungsbeiträge nicht für Kurzarbeitergeld verwendet werden müssen.

"Wo der eine Arbeitgeber keine Aufträge mehr hat, gibt es ein paar Kilometer weiter den nächsten, der gerade dringend qualifizierte Fachleute bräuchte."


Haufe Online-Redaktion: Das Modell funktioniert aber nur, solange es für den Personaldienstleister auch einen Markt gibt, in den er die Leute vermitteln kann. Ist das nicht schwierig in Krisenzeiten?

Geyer: Auch in Krisensituationen liegt die Wirtschaft ja nie völlig am Boden. Wo der eine Arbeitgeber keine Aufträge mehr hat, gibt es ein paar Kilometer weiter den nächsten, der gerade dringend qualifizierte Fachleute bräuchte. Das ist unsere Stärke als Personaldienstleister, hier Angebot und Nachfrage zusammenzubringen. Wir haben auch Handwerkskammern für unser Modell gewonnen. Durch diese Zusammenarbeit wird es noch besser möglich sein, gerade im Handwerkssektor gute Vermittlungsmöglichkeiten aufzubauen. Das Modell ist branchen- und qualifikationsübergreifend anwendbar – also auch im Office- oder im Pflegebereich.

Vertragliche Frist regelt Rückkehr zum Stammbetrieb

Haufe Online-Redaktion: Was passiert mit dem verliehenen Mitarbeiter, wenn sich in seinem Stammbetrieb die Auftragslage wieder erholt? Steckt er dann im Entleihbetrieb fest? Oder kommt er dort kurzfristig wieder raus?

Geyer: Das muss man vertraglich regeln. Wir haben das in unseren Verträgen so gestaltet, dass der eigentliche Arbeitgeber eine dreiwöchige Ankündigungsfrist wahren muss, wenn er die Ruhendstellung des Arbeitsverhältnisses beenden möchte und den Arbeitnehmer wieder braucht. Die Frist lässt sich im Bedarfsfall auch kürzer fassen. Das ist das Risiko, dem sich der Entleiher ausgesetzt sieht. Er bekommt auf diesem Wege erfahrene und hochqualifizierte Leute, muss aber damit rechnen, sie eventuell relativ kurzfristig wieder abgeben zu müssen.

"Die Gefahr, sich ohne Verdienstmöglichkeit in einem ruhenden Arbeitsverhältnis wiederzufinden, besteht nicht."


Haufe Online-Redaktion: Was macht der Personaldienstleister mit dem Arbeitnehmer, wenn der Bedarf des Entleihers schon nach wenigen Wochen endet, das Zeitarbeitsunternehmen aber einen befristeten Vertrag über mehrere Monate mit dem Beschäftigten geschlossen hat?

Geyer: Das Vermittlungsrisiko liegt selbstverständlich beim Personaldienstleister. Der Arbeitnehmer ist insofern völlig abgesichert, als dass die vertragliche Konstruktion eine Fallback-Klausel vorsieht. Sollte das Arbeitsverhältnis mit dem Personaldienstleister aus irgendeinem Grund vorzeitig beendet werden, lebt das ruhende Arbeitsverhältnis mit dem eigentlichen Arbeitgeber sofort wieder auf. Die Gefahr, sich ohne Verdienstmöglichkeit in einem ruhenden Arbeitsverhältnis wiederzufinden, besteht also nicht.

Einsatz bei anderem Arbeitgeber als Alternative zur Kurzarbeit

Haufe Online-Redaktion: Wie kommt das Modell an? Haben Sie es bereits in die Praxis umgesetzt?

Geyer: Ja, in etlichen Fällen konnten wir bereits praktische Erfahrungen sammeln. Das Modell stößt auf großes Interesse und bekommt von allen Beteiligten positive Resonanz. Mit dem deutschlandweiten Rollout sind wir genau in die Zeit der Kurzarbeitsanmeldungen gekommen. Ansonsten hätte das Modell in der Vermeidung der Kurzarbeit mit Sicherheit eine noch spürbarere Bedeutung erlangt. Wir gehen davon aus, dass es im weiteren Verlauf der Krise noch an Bedeutung gewinnen kann, spätestens aber beim nächsten Lockdown oder der nächsten Krise.

Haufe Online-Redaktion: Für die nächste Krise sind Sie also bestens gerüstet?

Geyer: Die nächste Krise kommt bestimmt, diese aktuelle wird uns aber mit Sicherheit noch eine Zeit begleiten. Das Instrument einer solchen Personalleihe bietet so viele Vorteile, dass es sich für Arbeitgeber früher oder später zu einer ernsthaften Alternative zur Kurzarbeit entwickeln kann, ganz gleich welchen Anlass die schwierige Lage eines Betriebs haben mag.


Zur Person: Philipp Geyer ist der Vorsitzende der Geschäftsführung von USG People Germany und damit auch des Personaldienstleisters Unique. Hinter USG People steht die Recruit Gruppe, als Nummer vier auf dem Weltmarkt eine der größten internationalen Unternehmensgruppen für HR-Dienstleistungen.


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