Baldaja: neues Geschäftsmodell im Homeoffice erarbeitet

Geschäftseinbruch, Unsicherheit und die Frage, wann die Normalität zurückkehrt. Michael Holdkamp, Geschäftsführer des Dienstreiseanbieters Baldaja, hat dies durchlebt – und mit seinen Mitarbeitern ein neues Geschäftsmodell aufgebaut. Ein Erfahrungsbericht.

In nur wenigen Tagen stellte sich unser komplettes Arbeitsleben auf den Kopf – eine 180-Grad-Drehung, die so nicht vorhersehbar war. Im einen Moment beschäftigten wir uns noch mit Geschäftsreisen, im nächsten mussten wir in eine komplett andere Richtung denken. Denn wer geht in Corona-Zeiten schon auf Geschäftsreise? So erlebte die gesamte Branche einen Umsatzrückgang von bis zu 95 Prozent. Eine Krise, die viele Unternehmen vor neue und unbekannte Herausforderungen stellt. Wie reagiert man als mittelständisches Unternehmen auf so eine Situation?

Neues Geschäftsmodell als Antwort auf die Krise

Da standen wir nun, im Hinterkopf ein Zitat von Franz von Assisi: "Tu erst das Notwendige, dann das Mögliche, und plötzlich schaffst du das Unmögliche." Unsere Devise war klar: Aufgeben ist nicht. Wir brauchten einen Krisenfahrplan, klare, stringente Überlegungen, um schnell und vorausschauend zu handeln. Zum Glück hatten wir mit Thomas Schäfer nur wenige Wochen zuvor einen Chief Digital Officer (CDO) eingestellt, der bereits einige Startups betreut hatte und wusste, wie man in kürzester Zeit von Null auf 100 geht. Das Ergebnis: In vier Wochen wurde aus einer Idee ein neues Business-Modell: Baldaja Connect.

Transparenz gegenüber den Mitarbeitern beim Krisenmanagement

Doch bevor es dazu kam, stand erst einmal Krisenmanagement auf dem Plan. Und das hieß für uns als Geschäftsführung: völlige Transparenz gegenüber allen Mitarbeitern. Wir wollten alle von Anfang an mitnehmen und in die Überlegungen und Strategien des Unternehmens einbinden. Viel Zeit war nicht, schließlich hatten wir für den 1. April Kurzarbeit angemeldet. Dabei half uns, eine klare Vision zu haben und diese den Mitarbeitern zu vermitteln: ein völlig neues Geschäftsmodell.

Vom Geschäftsreise-Experten zum Plattformanbieter

Doch was genau wollten und vor allem konnten wir entwickeln? Im Team entstand die Idee einer Plattform für virtuelle Events. Baldaja Connect sollte eine Marktlücke besetzen und – gerade in der Corona-Krise – für viele Kunden einen Mehrwert liefern. Für einige Kollegeninnen und Kollegen war das ein Schock: Galt es doch bisher, Menschen in Züge und Flugzeuge zu setzen, sollten Reisen nun ersetzt werden. Dabei – und das wiederum überzeugte intern – besteht der Kern unseres Geschäfts darin, Menschen zusammenzubringen. Ob das in der Realität oder digital passiert, spielt nur eine untergeordnete Rolle. Es bleibt "people’s business". Hinzu kommen Faktoren wie Kosteneinsparungen, Content nachhaltig nutzbar zu machen oder eine höhere Reichweite zu erzielen.

Paradigmenwechsel: Maßnahmen sind Neuland für alle

Hier zeigt sich die Stärke einer gemeinsamen Marken-DNA: der Antrieb und die Verantwortung, "connecting business" neu zu denken, damit unsere Kunden immer bestmöglich an ihr Ziel kommen. Dieses "neu denken" musste nun bei unseren Mitarbeitern anfangen. Haben sie sich früher ausschließlich mit der Geschäftsreisebranche beschäftigt, war jetzt Umdenken angesagt. Learning: Aus einem Tourismuskaufmann macht man keinen Programmierer. Aber Motivation schlägt Talent. Wir wussten, dass in jedem Einzelnen dieses Maß an kreativem Denken und die Lust auf Neues steckte und das genutzt werden konnte.

Zusammenstellen eines interdisziplinären Teams

Wären das nicht schon genug Herausforderungen, kam die besondere Situation hinzu, dass neu alle aus dem Homeoffice arbeiteten und wir lediglich virtuell kommunizierten. Um Chaos im Neustart zu verhindern, verwendeten wir Microsoft Teams, sodass jedem Mitarbeiter stets klar war, welche Aufgaben er hat. Aber wie meistert man als Team diese Aufgabe unter Druck und Zeit? Mit dem CDO als Produktverantwortlichen sowie Mitarbeitern aus den Sales-, Marketing- und Kommunikationsabteilungen wurde das Baldaja-Connect-Team aufgestellt.

Der wichtigste Leitspruch, den wir während dieser Zeit transportierten, war: "Ihr könnt keine Fehler machen, denn es gibt kein richtig oder falsch!" Dadurch gelang es uns, die Motivation des Teams aufrecht zu halten. Denn jedes Learning führt zu einer weiteren Entwicklung und macht das Produkt besser. Auch der Ansporn, eine völlig neue Lösung zu erschaffen, sowie der Freiraum und das Vertrauen, den das Baldaja-Connect-Team von uns bekam, waren wichtige Schritte, um das kreative Denken zu fördern.

Business-Modell ensteht vollständig im Homeoffice

Bei allen herkömmlichen Videokonferenzen fiel uns aber im Laufe der Zeit auf, wie sehr der persönliche Kontakt, das Haptische, fehlte. Daraus entstand ein weiterer Bestandteil des neuen Produkts, die Baldaja "Glückspakete" – kleine Give-aways, die im Vorfeld von virtuellen Events an die Teilnehmer verschickt werden. Ein Glücksgriff für uns, da wir es an unseren Mitarbeitern direkt testen und ihnen damit gleichzeitig unseren Dank für eine schwere Zeit aussprechen konnten.

Am Ende der Wochen waren es dann vielleicht zwei bis drei Kaffee und Cola mehr als sonst – aber es war durchaus sehenswert, was in der kurzen Zeit auf die Beine gestellt wurde: Wir entwickelten Baldaja Connect vollständig aus dem Homeoffice heraus.

Unternehmen sollten sich immer wieder neue Ziele setzen

Das, was in den letzten Wochen erarbeitet und geschaffen wurde, hat uns gezeigt, dass Unternehmen sich immer wieder neue Ziele für die Zukunft setzen müssen. Mit Corona konnte niemand rechnen. Und es kam doch. So arbeiten wir aktuell zeitgleich an einem Buchungssystem, das uns ermöglicht, unseren Kunden einen Kaffeegutschein zu reichen, wenn sie mal wieder länger als 20 Minuten in der Schlange am Airline-Schalter stehen.

Mitarbeiterführung: Mut, Vertrauen und Motivation vonnöten

Bei der Mitarbeiterführung braucht es vor allem Mut, Vertrauen und jede Menge Motivation. Jemandem zu sagen "Vergiss, was du gestern gemacht hast. Ab morgen hast du eine neue Aufgabe" kann im schlimmsten Fall erschrecken - im besten Fall aber neue Fähigkeiten wachrütteln. Vor vier Wochen wussten wir auch noch nicht, welche verborgenen Talente wir in unserem Team haben, heute sind wir sehr stolz auf die Transformationen jedes Einzelnen. Von dieser Erfahrung, die wir in den letzten Wochen gesammelt haben, werden wir noch viele weitere Monate und Jahre profitieren, als Geschäftsführung und als Team.


Zum Autor: Michael Holdkamp ist Geschäftsführer des Geschäftsreise-Spezialisten Baldaja, der Unternehmen in Mobilitätsfragen berät.


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