Interview zur Personalpartnerschaft von McDonald's und Aldi

Die Krise macht vieles möglich, etwa eine Personalpartnerschaft zwischen McDonald's und Aldi. Was ist Marketingaktion, was HR-Krisenmanagement? Ein Gespräch mit Sandra Mühlhause, Personalvorständin von McDonald's Deutschland.

Haufe Online Redaktion: McDonald's Deutschland hat mit Aldi eine Personalpartnerschaft geschlossen: Mitarbeiter, die vom eingeschränkten Restaurantbetrieb betroffen sind, können an die Discounter vermittelt werden. Die Aktion stieß auf große öffentliche Resonanz. Hat Sie das überrascht?

Sandra Mühlhause: Wir waren überzeugt, dass die Idee bei den Franchise-Nehmern und Mitarbeitern gut ankommen würde. Aber dass sie zu einer so großen Berichterstattung führt, war uns nicht bewusst. Offenbar haben die Menschen aktuell ein sehr starkes Bedürfnis nach positiven Nachrichten. Das war ein schöner Nebeneffekt, aber nicht unsere Intention. Wir wollten vielmehr für unsere Mitarbeiter eine Option schaffen und gleichzeitig Aldi dabei helfen, die Bedürfnisse der Bürger zu erfüllen.

Idee für Personalpartnerschaft entstand auf Ebene der Geschäftsleitung

Haufe Online Redaktion: Wie kam es zu der Idee?

Mühlhause: Die ist auf Geschäftsleitungsebene entstanden. Die Geschäftsführer haben schlichtweg den Hörer in die Hand genommen. Dann lag der Bedarf auf dem Tisch und wir bei HR bekamen die Frage, wie man das umsetzen kann. Mit zwei Ansprechpartnern, jeweils einem von Aldi Nord und Süd, haben wir uns dann schnell auf einen pragmatischen Ansatz geeinigt. Normalerweise hätte man fünf Meetings und vier Telefonkonferenzen gebraucht. Wir haben nur einmal telefoniert.

Haufe Online Redaktion: Was beinhaltet die Personalpartnerschaft zwischen den beiden Unternehmen im Detail?

Mühlhause: Wir bekommen die Kontakte der Regionalgebietsleiter bei Aldi, die für die verschiedenen Supermärkte zuständig sind. Deren Informationen zum Bedarf bereiten wir auf und stellen sie den Franchisenehmern von McDonald's zur Verfügung. So funktioniert das schnell und unbürokratisch.

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Haufe Online Redaktion: Sie haben also keine schriftliche Vereinbarung auf Unternehmensebene getroffen?

Mühlhause: Das war nicht notwendig. Wir haben das arbeitsrechtlich auf Einzelfall-Ebene geklärt: Auf unserer Seite wird für den Zeitraum, in dem der Mitarbeiter für Aldi tätig wird, das Arbeitsverhältnis ruhend gestellt. In dem entsprechenden Schreiben wird dem Mitarbeiter gleichzeitig erlaubt, für denselben Zeitraum eine neue Tätigkeit bei Aldi aufzunehmen. Auf der anderen Seite von Aldi erhalten die Mitarbeiter einen befristeten Vertrag zu den jeweiligen Aldi-Konditionen. Das ist uns sehr wichtig, dass die Mitarbeiter die gleichen Arbeitsbedingungen haben wie die Aldi-Kollegen.

Personalpartnerschaft fällt nicht unter die Arbeitnehmerüberlassung

Haufe Online Redaktion: Die Mitarbeiter bekommen also kein Kurzarbeitergeld, sondern einen komplett neuen Vertrag?

Mühlhause: Kurzarbeit ist ein anderes Personalinstrument. Die Personalpartnerschaft läuft so, dass ein Franchisenehmer sich überlegt, wer von seinen Mitarbeitern zu dem Bedarf von Aldi passt. Im Idealfall kann eine Mitarbeiterin, die bei McDonald’s eine 50-Prozent-Teilzeitstelle hatte, dann auch bei Aldi im gleichen Umfang arbeiten. Da muss man nur darauf achten, dass das Ruhendstellen bei uns und Aldi den gleichen Zeitrahmen hat.

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Haufe Online Redaktion: Inzwischen gilt auch eine Ausnahmeregelung für die gelegentliche Arbeitnehmerüberlassung. War das keine Option für Sie?

Mühlhause: Das Thema Arbeitnehmerüberlassung war zu dem Zeitpunkt noch nicht so klar gelockert wie jetzt. Wir mussten ganz schnell sein, es vergingen nur fünf Tage vom ersten Anruf bis zur Umsetzung. Und der Weg über die Arbeitnehmerüberlassung ist auch komplizierter. Selbst mit der Lockerung muss man ein paar Spielregeln beachten, die zumindest den bürokratischen Aufwand umfangreicher machen.

Haufe Online Redaktion: Inwiefern erleben die Mitarbeiter, die vorübergehend bei Aldi arbeiten, Gehaltsveränderungen?

Mühlhause: Unsere Mitarbeiter werden bundesweit nach einem einheitlichen Tarif bezahlt. Bei Aldi variieren die Konditionen etwas, in der Regel liegen sie aber etwas höher als bei uns.

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Haufe Online Redaktion: Haben Sie keine Angst, dass die Mitarbeiter nicht wieder zurückkommen?

Mühlhause: Die Frage stand natürlich im Raum, aber wir sehen das aus einer anderen Perspektive. Unser Ziel war es, Mitarbeitern in dieser unsicheren Zeit etwas mehr Sicherheit zu geben, indem wir sie temporär weitervermitteln können. Durch die Partnerschaft sind sie für diese Zeit in Lohn und Brot und anschließend bieten ihnen bei Bedarf auch eine Rückkehrmöglichkeit zu uns. Aldi wird nicht auf Dauer einen so hohen Personalbedarf haben. Einerseits haben die Aldi-Märkte die enorme Nachfrage inzwischen schon gut im Griff, anderseits hat sich das Konsumverhalten der Menschen nun auch wieder etwas normalisiert.

Franchisenehmer stehen in Kontakt zu den Regionalleitern von Aldi

Haufe Online Redaktion: McDonald's beschäftigt in Deutschland rund 60.000 Mitarbeiter. Wie viele davon haben den befristeten Wechsel zu Aldi in Anspruch genommen?

Mühlhause: Diese Zahl liegt mir noch nicht vor. Wir steuern das in der aktuellen Situation nicht zentral, sondern die Kontakte laufen über die Franchisenehmer, die direkt im Austausch mit den Regionalleitern von Aldi sind, um auch bei kurzfristigem Bedarf schnell vermitteln zu können. Das ist gut so – denn unsere Franchisenehmer sind selbständige Unternehmer und damit der juristische Arbeitgeber. In der aktuellen Krisensituation wollen wir sie und auch uns nicht noch zusätzlich mit einem Reporting aufhalten. Um aber ein Gefühl zu geben: Aldi hatte zu Beginn der Aktion insgesamt einen Bedarf von 3.000 Mitarbeitern angemeldet – in dem Rahmen bewegt sich das. Prinzipiell ist die Reaktion positiv.

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Haufe Online Redaktion: Angesichts dieses Umfangs und der losen Regelung: Ist das dann nicht vor allem eine Marketing- und Kommunikationsaktion?

Mühlhause: Die Partnerschaft wurde als HR-Initiative in diesem Bereich ausgearbeitet. Sowohl hinsichtlich der Koordination, um beide Seiten schnell zusammenzubringen, als auch in der rechtlichen Ausgestaltung. Wir haben eine Lösung gefunden, die eine Win-Win-Situation für alle darstellt – die Mitarbeiter, die Franchisenehmer, Aldi und auch die Gesellschaft insgesamt. Damit ist die Personalpartnerschaft eines von verschiedenen Instrumenten, die aktuell bei McDonald’s zur Anwendung kommen. Daneben gibt es beispielsweise auch die Möglichkeit zur Kurzarbeit – das ist in unserer Branche keine Selbstverständlichkeit.

Zusatzvereinbarung zum Tarifvertrag in Eiltempo beschlossen

Haufe Online Redaktion: Sie haben als Präsidentin des Bundesverbandes der Systemgastronomie eine Zusatzvereinbarung zum erst kürzlich geschlossenen Tarifvertrag für rund 120.000 Beschäftigte der Systemgastronomie-Branche (BdS) mitinitiiert. Warum war das nötig?

Mühlhause: Wir hatten bisher bei den Mitgliedern des BdS keine Rechtsgrundlage dafür, denn entweder muss man das im Arbeitsvertrag, in der Betriebsvereinbarung oder im Tarifvertrag regeln. Wir haben die zuständige Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) deshalb kontaktiert und sie war sehr offen, eine solche Vereinbarung zu treffen. Wir haben daraus gelernt, dass es auch in sieben Tagen möglich ist, eine Tarifverhandlung zu führen. Natürlich war das Tempo ungewohnt, aber wir hatten ein gemeinsames Ziel: betriebsbedingte Kündigungen zu verhindern. Das ist mit der Zusatzvereinbarung gelungen. Zudem beinhaltet diese, dass die Arbeitgeber die Entgelte über das normale Kurzarbeitergeld hinaus auf 90 Prozent des alten Nettoeinkommens aufstocken. Die Rückmeldung der Franchisenehmer zu diesem Instrument ist sehr positiv, auch wenn wir merken, dass sie noch viele Fragen haben.

Haufe Online Redaktion: Welche Fragen haben die Franchisenehmer zur Kurzarbeit?

Mühlhause: Da geht es vor allem um die Umsetzung. Letztlich ist Kurzarbeit ein sehr kompliziertes Instrument. Das wird dadurch erschwert, dass wir unterschiedliche Antworten von den zuständigen Agenturen für Arbeit bekommen. Wir haben einen guten Kontakt zu unserem Großkundenbetreuer, aber jedem Betrieb ist jeweils eine andere Agentur zugeordnet. Da gibt es keine einheitlichen Sichtweisen auf bestimmte Themen. Das macht es manchmal herausfordernd.

Haufe Online Redaktion: Haben Sie bei McDonald's zusätzliche Hilfen zur Verfügung gestellt?

Mühlhause: Die zusätzliche Hilfe besteht darin, dass wir die Leistung der Sozialversicherungsträger auf die 90 Prozent des Nettoeinkommens aufstocken. Der Franchise-Nehmer ist derjenige, der die Löhne zahlt. Doch 60 Prozent bekommt er ja von der Bundesagentur zurück. Das ist eine gute Fördermöglichkeit, um die Liquidität für einen längeren Zeitraum aufrechtzuerhalten.

Krisenstab fest in der Unternehmensstruktur verankert

Haufe Online Redaktion: Einige Restaurants mussten ganz schließen, nur die McDrives sind unter bestimmten Auflagen weitgehend im Betrieb. Wie sah das Krisenmanagement aus?

Mühlhause: Wir haben bei McDonald's schon lange einen Krisenstab fest in der Unternehmensstruktur implementiert. Das ist in einer solchen Krise natürlich sehr hilfreich, weil wir nicht bei null anfangen und beispielsweise Meldesysteme in den Restaurants bereits bestehen. Die ersten Tage war die Hauptaufgabe des Krisenstabs, sämtliche Abläufe und Prozesse zu prüfen und zu hinterfragen, um Gästen und Mitarbeitern auch weiterhin ein sicheres Umfeld und Kommunikationsmöglichkeiten bei Fragen zu bieten. Dann war es enorm wichtig, Transparenz in den Flickenteppich an Verfügungen aus den jeweiligen Landesregierungen und Städten zu bekommen und den Franchisenehmern entsprechend Hilfestellung zu bieten. Die einen durften bis 18 Uhr öffnen, andere nur bis 15 Uhr, die nächsten mussten sofort zumachen. Die eine Landesregierung sagte zwei Meter Abstand, die andere anderthalb. Inzwischen hat sich das ein bisschen sortiert.

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Haufe Online Redaktion: Welche Entscheidungen werden in der Krise lokal getroffen und welche zentral?

Mühlhause: Wir haben beispielsweise zentral unseren Franchisenehmern empfohlen, auf McDrive zu setzen, weil das eher kontaktlos ist. Das minimiert das Risiko, dem die Mitarbeiter ausgesetzt sind. Selbstverständlich geben wir auch den Rahmen vor, welche Schutzausrüstung es braucht oder wie gereinigt und desinfiziert werden muss. All diese Entscheidungen werden in Absprache mit Vertretern aus der Franchisenehmerschaft getroffen. Lokal entscheiden die Franchisenehmer aktuell etwa vor dem Hintergrund der Verordnungen vor Ort, ob sie ausschließlich auf McDrive setzen oder das Restaurant für Produkte "to go" öffnen.

HR als ständiges Mitglied des Krisenstabs

Haufe Online Redaktion: Wer sitzt genau in Ihrem Krisenstab und welche Rolle nimmt HR dabei ein?

Mühlhause: Da ist jeder Fachbereich vertreten von HR, IT, Marketing und Kommunikation bis hin zu den Beratern der Franchisenehmer. Wir alle arbeiten hier auf Augenhöhe zusammen. Anfangs haben wir uns noch persönlich getroffen, dann aber auf tägliche virtuelle Meetings umgestellt. HR ist ständiges Mitglied und wir stellen alle personalrelevanten Informationen zur Verfügung, wie die zum Kurzarbeitergeld.

Haufe Online Redaktion: Wie regelmäßig oder detailliert informieren Sie Ihre Mitarbeiter über den Maßnahmenplan Ihrer Krisenstrategie?

Mühlhause: Wenn sich kurzfristig etwas Neues ergibt, geben wir das direkt in unseren E-Mail-Verteilern an die Restaurants. Sobald sich etwas bei Verhaltens- oder Abstandsregeln ändert, können wir sofort reagieren. Das Gleiche gilt für unsere Verwaltung, dort versenden wir regelmäßig ein Management-Summary aus dem Krisenstab heraus. So wissen die Mitarbeiter, an was wir gerade arbeiten. In der Zentrale in München haben wir die Mitarbeiter sukzessive gebeten, ins Homeoffice zu gehen.

Haufe Online Redaktion: Gewinnt HR-Arbeit aus Ihrer Sicht in der Krise an Bedeutung?

Mühlhause: Schon vor der Krise waren wir bei HR in einer Vertrauensposition. Die Mitarbeiter kommen zu uns, wenn sie verunsichert sind. So ist das auch heute – das reicht von den Beschäftigten an der Kasse bis hin zu den Franchisenehmern. Unsere Aufgabe ist die Stabilisierung der Mannschaft und die Beschäftigungssicherung.

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Haufe Online Redaktion: Im Moment weiß niemand, wie lange sich das Kontaktverbot hinzieht und was genau auf die Wirtschaft zukommt. Wie kann man eine Krise mit dieser Unsicherheit überhaupt managen?

Mühlhause: Von Tag zu Tag, mit Augenmaß und kühlem Kopf. In den ersten Tagen hat sich alles überschlagen, das war reines Troubleshooting. Jetzt kommen wir in eine etwas ruhigere Phase. Wir nutzen das, um uns zu sortieren und Maßnahmen zu überlegen, die auf die Zukunft gerichtet sind. Da muss man verschiedene Szenarien durchdenken, für jede HR-Funktion. Aktuell haben wir das Recruiting nahezu vollständig zurückgefahren, jetzt prüfen wir, welche Personalinstrumente in der nächsten Phase entscheidend sind. Gleichzeitig müssen wir extrem flexibel bleiben. Da kann man nicht in solch festgefahrenen Strukturen denken, wie das sonst im Management üblich ist. Wenn neue Sachinformationen vorliegen, ist es Managementaufgabe, Situationen neu zu bewerten und Entscheidungen auch mal zu ändern oder anzupassen. 


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