Tut mir leid, wenn ich auch in der zweiten Kolumne 2017 ins Fachkräftemangel-Horn stoße. Aber eine neue Umfrage, diesmal von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY, gibt mir allen Grund dazu. Demnach ist der Fachkräftemangel nämlich nicht nur die größte Gefahr, die einem Unternehmen drohen kann – er sorgt auch dafür, dass den Unternehmen Umsätze in Höhe von 50 Milliarden entgehen!
Abgesehen davon, dass die Ergebnisse solcher Umfragen auch immer stark von der Fragestellung abhängen, frage ich mich, wenn das doch so ist, dass den Unternehmen Umsätze in Milliardenhöhe entgehen und der "Fachkräftemangel" das Damoklesschwert schlechthin darstellt, warum dann kaum Bewusstsein für die Wichtigkeit von Personalmarketing vorhanden ist. Personalmarketing strategisch verankert? Gibt es in nicht mal 30 Prozent der Unternehmen, so eine Umfrage von Index Marktforschung.
Personalmarketing: Nur wenige Personaler sind "HR Artists"
Nennenswerte Budgets für Personalmarketing? In vielen Unternehmen nicht vorhanden. Ganz zu schweigen, von Menschen, die sich um diesen für ein Unternehmen überlebenswichtigen Bereich kümmern. Vielmehr erledigt man das so nebenher. In der Regel bezieht sich hier das Personalmarketing auf das Schalten von Stellenanzeigen in den bekannten Stellenbörsen.
Dass diese "Post-and-Pray"-Attitüde – also die Haltung, dass es reicht, die Stelle auszuschreiben und dann auf passende Bewerber zu hoffen – dann aufgrund mangelnder Bewerber als „Fachkräftemangel“ wahrgenommen wird, ist also wenig verwunderlich. Und leider existieren nur in wenigen Unternehmen wahre "HR-Artists", die neben dem Tagesgeschäft aus eigenem Antrieb die Arbeitgeber-Positionierung vorantreiben.
Kostenlose Werbefläche wird nicht genutzt
Dabei ist es doch gar nicht so schwierig, auf sich als Arbeitgeber aufmerksam zu machen. Wie schreibt Martin Gaedt so schön in seinem Buch "Mythos Fachkräftemangel"? "Jedes Unternehmen ist hinter stabilen Mauern versteckt, damit Wind und Wetter draußen bleiben." Aber diese Fassaden und Mauern hätten ungewollt auch eine andere Wirkung, argumentiert Gaedt: "Sie machen Arbeitgeber unsichtbar mit allem, was sie Tolles leisten und ihren Mitarbeitern zu bieten haben."
Muss das so sein, frage ich mich, der als Bahnreisender an vielen anonymen Unternehmensfassaden vorbeifährt. Schon verrückt: Da besitzen Unternehmen kostenlose Werbefläche und sie wird nicht genutzt. Denn nennen Sie mir ein einziges Argument, welches dagegen spricht, ein riesengroßes Banner an der Unternehmensfassade anzubringen?
Solche Banner sind witterungsbeständig, halten Jahre und kosten je nach Größe nur ein paar Hundert Euro. Die Außenwirkung hingegen kann immens sein (hängt ein wenig davon ab, was Sie da so präsentieren). Auf jeden Fall sorgen Sie schon mal für Sichtbarkeit als Arbeitgeber. Und mit einem auffälligen Motiv schaffen Sie es vielleicht sogar in die sozialen Medien, weil sich alle Welt mit Ihrem Banner im Hintergrund fotografieren will. Geht übrigens nicht nur an der Fassade, geht auch an einem (hässlichen) Bauzaun.
Polizeiwerbung am Einkaufswagen, Stellenanzeigen auf Schwäbisch
Natürlich gibt es noch weit mehr Möglichkeiten, wie Sie die Räumlichkeiten Ihres Unternehmens zur Bewerberansprache nutzen können. Transparente Fensterfolien, der Eingangsbereich oder Ihre Kunden-Toilette seien da nur beispielhaft genannt. Grundsätzlich gilt es, „frechmutig“ zu sein und auch mal unkonventionelle Ideen umzusetzen. Haben Sie schon mal überlegt, welche Reichweite Sie mit Personalwerbung am Einkaufswagen erzielen können? Marten Harms von der Polizeibehörde Mettmann hat. Und so die Aufmerksamkeit für seinen Arbeitgeber immens gesteigert.
Von dem Schwäbischen Bauunternehmen Günter Holp haben Sie bestimmt auch gelesen. Der fand mit seiner 08/15-Stellenanzeige keine Bewerber und hat sie kurzerhand ins Schwäbische übersetzt. So viel Humor kommt an, der "Baggor Fahror" wurde nicht nur ein viraler Hit, auch die Medien von Bild bis Welt berichteten. Seine Idee brachte ihm nicht nur Aufmerksamkeit, sondern Bewerber. Das wertvolle Gut, welches ihm zuvor ein halbes Jahr versagt blieb, stand bereits am Folgetag bei ihm auf dem Hof.
Ideen sind also gefragt, wenn es darum geht, dem, was gerne als Fachkräftemangel kolportiert wird, die Stirn zu bieten. Sie müssen raus aus den Mauern, raus ans Licht. Raus zu den Bewerbern.
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Henner Knabenreich ist Geschäftsführer der Knabenreich Consult GmbH. Er berät Unternehmen bei der Optimierung ihres Arbeitgeberauftritts. Zudem ist er Initiator von
www.personalblogger.net und betreibt den Blog
personalmarketing2null.de.