Effekte von Homeoffice: Stressreduktion, aber Rückenleiden

Büroarbeitende, die zumindest teilweise im Homeoffice tätig sind, bewerten mobile Arbeitsmöglichkeiten größtenteils als positiv. Besonders der Stress scheint im Homeoffice zu sinken. Als negative Folge sind jedoch Muskel-Skelett-Erkrankungen gestiegen.

61 Prozent der Arbeitnehmenden, die ihren Bürojob schon einmal von zu Hause oder einem anderen Ort aus erledigt haben, haben überwiegend gute Erfahrungen damit gemacht - nur ein Fünftel negative. Das zeigt eine Forsa-Umfrage im Auftrag der KKH Kaufmännische Krankenkasse.

Als Pluspunkt bei der Arbeit daheim empfindet die überwiegende Mehrheit der Befragten (70 Prozent) die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Vier von zehn Berufstätigen mit Homeoffice-Erfahrung beobachten darüber hinaus, dass sich das Arbeiten zu Hause günstig auf ihren Gesundheitszustand auswirkt. Auf Platz eins der positiven Effekte sehen diejenigen, bei denen sich die heimische Büroarbeit gesundheitlich bemerkbar macht, die Stressreduktion: 34 Prozent fühlen sich dadurch weniger erschöpft beziehungsweise haben seltener das Gefühl, gestresst und ausgebrannt zu sein.

Homeoffice bei jedem zweiten Unternehmen der Informationswirtschaft geplant

Die Unternehmen selbst ziehen bei der Etablierung des Homeoffices mit: Künftig will jedes zweite Unternehmen mindestens ein bis zwei Homeoffice-Tage pro Woche zulassen. Der Anteil der Menschen, die künftig mehrmals pro Woche von zu Hause arbeiten dürften, falle deutlich größer aus als vor der Coronapandemie, berichtet dpa unter Hinweis auf eine Studie des Mannheimer Wirtschaftsforschungsinstituts ZEW. 

In der Informationswirtschaft plane fast jedes zweites Unternehmen nach der Pandemie Modelle, bei denen ein Teil der Beschäftigten ein bis zwei Tage im Homeoffice arbeiten kann. Auch in der Industrie, wo viele Arbeiten nicht im Homeoffice machbar sind, habe die Pandemie einen klaren Homeoffice-Schub gebracht: Für die Zeit danach plane jedes dritte Unternehmen, einem Teil der Belegschaft einen Tag Homeoffice pro Woche zu ermöglichen.

Mehr Muskel-Skelett-Erkrankungen und Rückenschmerzen im Homeoffice

Doch nicht für alle Mitarbeitenden ist die Arbeit im Homeoffice gut: Ein Fünftel der in der Forsa-Studie Befragten gibt an, dass sich das Wohlbefinden im Homeoffice verschlechtert habe. Auf der Liste der negativen Folgen stehen Rückenschmerzen und Muskelverspannungen klar an erster Stelle: Bei rund jedem Dritten haben sich diese Beschwerden verschlechtert oder sind erstmals bei der mobilen Büroarbeit aufgetreten. Dies spiegeln auch Daten von berufstätigen KKH-Versicherten wider. Im vergangenen Jahr gingen bundesweit rund 18 Prozent der Krankheitsfälle auf das Konto von Muskel-Skelett-Erkrankungen. Vor der Pandemie schwankte der Anteil noch zwischen 15 und 16 Prozent.

Rekordverdächtig gestiegen sind auch die Fehlzeiten wegen Rückenschmerzen: 2021 führte die KKH 24 Prozent aller Fehltage auf Erkrankungen des Bewegungsapparates zurück. In den Jahren zuvor waren es noch rund 22 bis 23 Prozent. "Ein möglicher Grund dafür sind die Arbeitsbedingungen im Homeoffice", sagt KKH-Wirtschaftspsychologin Antje Judick. Häufig fehlen dort ein geeigneter Schreibtisch und Bürostuhl. Die Folge: Das lange Sitzen in ungesunder Haltung vor dem Rechner führt zu mehr Nacken-, Schulter- und Rückenbeschwerden. "Auch psychische Belastungen können Verspannungen und Schmerzen auslösen", erläutert die Expertin.

Homeoffice: Jeder Fünfte leidet an Depressionen oder depressiven Verstimmungen

Laut Forsa-Umfrage schlägt bei jedem fünften Berufstätigen die Arbeit am heimischen Rechner tatsächlich auf die Seele. Bei den Betroffenen haben dadurch Beschwerden wie Niedergeschlagenheit oder gar Depressionen zugenommen. Die KKH-Versichertendaten zeigen darüber hinaus eine Steigerung der Krankheitstage wegen depressiver Episoden von 26 Prozent gegenüber 2017. (Lesen Sie dazu auch: Corona verschärft Depressionen und Suchtprobleme bei Mitarbeitern).

Sind Berufstätige antriebslos und depressiv, sind häufig Schlafprobleme die Folge. Laut KKH-Daten diagnostizieren Ärzte seit der Pandemie bei immer mehr KKH-versicherten Arbeitnehmenden Schlafstörungen, die aufgrund von psychischem Druck und Stress entstehen. So ist die durchschnittliche Fehlzeit pro Fall von 2019 auf 2021 um rund zwölf Prozent auf fast 32 Tage geklettert. Darüber hinaus berichten 13 Prozent derjenigen Umfrageteilnehmer und -teilnehmerinnen, auf die sich die Arbeit im Homeoffice gesundheitlich auswirkt, von einer Verschlechterung ihrer Schlafprobleme.

Etwa zwei Drittel der von psychischen Erkrankungen betroffenen Berufstätigen sind Frauen. Antje Judick meint: "Meistens sind es immer noch die Frauen, die sich neben ihrem Job um die Kinder und den Haushalt kümmern. Das war besonders in den Lockdownphasen belastend, als Kitas und Schulen geschlossen hatten." Auch die Seele von Singles leidet im Homeoffice stärker als bei Menschen, die in einer Partnerschaft leben: Mit dem fehlenden sozialen Austausch fällt eine wichtige Ressource für das psychische Gleichgewicht weg.

Gefahr der Entgrenzung im Homeoffice

"Viele Beschäftige setzen sich darüber hinaus selbst unter Druck", erläutert die Wirtschaftspsychologin. So hat jeder vierte Befragte mit Homeoffice-Erfahrung das Gefühl, zu Hause noch mehr leisten zu müssen als im Büro, um im Job Präsenz zu zeigen. Durch Homeoffice verschwimmen außerdem die Grenzen zwischen Arbeits- und Privatleben immer mehr, etwa wenn es durch den Wegfall des Arbeitswegs vom Bett direkt an den Rechner geht und weit nach Feierabend noch berufliche Anrufe und Mails erledigt werden. Das macht es vielen Berufstätigen schwer, neue Energie für den Alltag zu tanken. Die Folge: Die Betroffenen fühlen sich ausgebrannt und sind chronisch erschöpft.

Befragte, die sich im Homeoffice mehr unter Leistungsdruck setzen, spüren auch häufiger negative Auswirkungen als andere. Sie leiden stärker unter Rückenschmerzen und Verspannungen (47 zu 28 Prozent), Niedergeschlagenheit und Depressionen (27 zu 18 Prozent) sowie unter Erschöpfung und dem Gefühl, ausgebrannt zu sein (32 zu 11 Prozent).

Gesundheitsmanagement im Homeoffice

Da viele Beschäftigte auch nach Ende der Pandemie von zu Hause aus arbeiten werden, rät die KKH Unternehmen, einen stärkeren Fokus auf die Gesundheit im Homeoffice zu legen und ihr betriebliches Gesundheitsmanagement den neuen Herausforderungen anzupassen. Dazu gehören nicht nur im Büro, sondern auch zu Hause ein ergonomischer Arbeitsplatz und bedarfsgerechte Präventionsmaßnahmen, etwa aktive Pausen und spezifische Rückenübungen. (Lesen Sie dazu auch: Corona und Lockdown stellen neue Anforderungen an das BGM).

"Daneben gilt es, sich regelmäßig telefonisch oder digital auszutauschen, sowohl im Team als auch mit der Führungskraft", rät Antje Judick. "Bei Problemen sollten Berufstätige ruhig selbst die Initiative ergreifen und diese offen ansprechen." Wichtig seien im Homeoffice darüber hinaus klare Routinen, etwa regelmäßige Pausen, ein wirklicher Feierabend ohne weitere berufliche Mails und Telefonate sowie ausreichend Bewegung. Feste Essensrituale sorgen zudem nicht nur im Büro, sondern auch bei der Arbeit zu Hause für eine geregelte Struktur.


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