Der "Gender Pension Gap" – Altersarmut von Frauen vermeiden

Das Gehaltsgefälle zwischen Männern und Fragen hat Folgen bis ins Rentenalter. Unternehmen können dem entgegenwirken – und dabei ihre Arbeitgeberattraktivität angesichts des Fachkräftemangels stärken.

Im April 2023 hat der Europarat eine neue EU-Richtlinie zur Entgelttransparenz beschlossen, welche Arbeitnehmenden neue Informationsrechte bietet mit dem Ziel, gleiches Entgelt für gleiche bzw. gleichwertige Arbeit zu gewährleisten. Die Umsetzung in nationales Recht muss bis Juni 2026 erfolgen. Mit der neuen Richtlinie sind auch die Arbeitgeber stärker in der Pflicht zu handeln, müssen sie doch bei nicht erklärbaren Gehaltsunterschieden zwischen den Geschlechtern von mehr als fünf Prozent Abhilfemaßnahmen einleiten, um die Lücke zu schließen. Dies betrifft Arbeitgeber schon ab einer Beschäftigtenzahl von hundert. Dabei versteht sich Gehalt hier im weiteren Sinne, einschließlich der variablen und zusätzlichen Gehaltsbestandteile.

Grund genug, um auch auf die betriebliche Altersversorgung zu schauen. Hier trägt das Thema den Namen "Gender Pension Gap". Damit ist das geschlechtsspezifische Gefälle bei den Alterseinkünften gemeint. Der Global Gender Wealth Equity Report 2022 von WTW in Zusammenarbeit mit dem Weltwirtschaftsforum zeigt, dass Frauen weltweit im Durchschnitt mit nur 74 Prozent des Vermögens ihrer männlichen Kollegen in den Ruhestand treten. Bei steigendem Hierarchielevel nehmen die Unterschiede sogar noch zu. Für Deutschland beziffert das Statistische Bundesamt die Rentenlücke mit knapp 30 Prozent. Darunter versteht man, dass die Alterseinkünfte von Frauen durchschnittlich knapp ein Drittel niedriger als die von Männern sind. Ohne abgeleitete Alterseinkünfte (z. B. Hinterbliebenenrente) liegt der Wert sogar bei über 40 Prozent.

Gender Pay Gap mit Folgen bis in den Ruhestand

Die Gründe für diesen Unterschied sind vielfältig und entsprechen in Teilen denen des "Gender Pay Gap".

  • Frauen arbeiten im Durchschnitt weniger Stunden pro Woche zu niedrigeren Löhnen und sind häufiger in nicht sozialversicherungspflichtigen (Mini-)Jobs beschäftigt.
  • Frauen unterbrechen ihre Erwerbsarbeit z. B. für Pflege- und Erziehungszeiten deutlich häufiger und länger als Männer.
  • Frauen wählen häufiger schlechter bezahlte Berufe als Männer.
  • Die Karrierechancen von Frauen sind noch immer schlechter als die von Männern. Frauen sind in Führungspositionen immer noch unterrepräsentiert und nur wenige Führungspositionen werden in Teilzeit besetzt.
  • Frauen leben statistisch gesehen länger als Männer (fünf Jahre laut Statistischem Bundesamt 2022). Vorhandenes Alterskapital muss somit länger reichen als bei Männern. Zusätzlich ist die Hinterbliebenenleistung in der Regel deutlich geringer als die Altersversorgung, was zu weiteren Versorgungslücken im Alter führt.

Die Ursachen für die Gründe liegen häufig in gesellschaftlichen Erwartungen und Rollenbildern, fehlenden oder unzureichenden Kinderbetreuungsmöglichkeiten sowie steuerlichen (Fehl-)anreizen wie z. B. dem Ehegattensplitting.

Aufgrund der Ausrichtung des Alterssicherungssystems auf (abhängige) Erwerbstätigkeit münden weibliche Erwerbsbiografien damit häufig in relativ niedrigen eigenständigen Alterssicherungseinkommen. Einkommensdifferenzen von Frauen und Männern summieren sich im Lebensverlauf auf, denn die nach Rentenbeginn bezogenen Alterssicherungseinkommen bilden das Erwerbseinkommen während der gesamten Erwerbsphase ab. Dies trifft auf die gesetzliche Rentenversicherung ebenso zu, wie in der Regel auf die betriebliche oder private Altersvorsorge.

Financial Education: Unternehmen informieren zur bAV

Neben der Analyse der Gründe stellt sich die Frage, wie dem "Gender Pension Gap" begegnet werden kann. Zum einen ist es eine wichtige Grundvoraussetzung, im Sinne einer "Financial Education" Transparenz gegenüber den betroffenen Gruppen herzustellen, um auf das Thema aufmerksam zu machen und das Bewusstsein dafür zu schärfen. Eine Umfrage von WTW im Oktober 2023 ergab, dass viele Unternehmen den Aspekt bereits auf der Agenda haben. Rund die Hälfte der befragten Unternehmen planen, ihren Mitarbeitenden künftig im Hinblick auf deren finanzielle Bildung stärker zu unterstützen und sie insbesondere intensiver über ihre betriebliche Altersversorgung (bAV) zu informieren. Daran anschließend muss dann auch die Frage beantwortet werden, welche konkreten Abhilfemaßnahmen Arbeitgeber umsetzen können, um den "Gender Pension Gap" zu reduzieren.

Pensionszusagen prüfen und anpassen: erste Schritte

Im ersten Schritt sollten bestehende Pensionszusagen überprüft und im nächsten Schritt ggf. angepasst werden. Die Möglichkeiten für Arbeitgeber sind vielfältig:

  • Die Methodik der Berechnung des Arbeitgeberbeitrags bei Teilzeit anpassen: In der Regel wird der Arbeitgeberbeitrag mit dem Teilzeitgrad gewichtet. Am Markt setzen sich immer mehr Modelle durch, die auch bei einem hohen Teilzeitgrad (z. B. 80 Prozent) ein voller Arbeitgeberbeitrag gewährt wird. Zu beachten sind hierbei die arbeitsrechtlichen Leitplanken des Gleichbehandlungsgrundsatzes, der beim Versorgungsbedarf eine Differenzierung zwischen Voll- und Teilzeitkräften durchaus erlaubt.
  • Arbeitgeber können Sondergutschriften für entgeltfreie Zeiten, wie Eltern- oder Pflegezeiten, gewähren.
  • Auch im Plandesign an sich steckt Gestaltungspotenzial: Viele Pensionspläne sind bereits in der Anwartschaftsphase kapitalmarktbasiert. Durch kollektive Puffermodelle und einer Nutzung der Chancen am Kapitalmarkt auch im Leistungsbezug lassen sich deutlich höhere Leistungshöhen erreichen.
  • Arbeitgeber können durch transparente Kommunikation über die betriebliche Altersversorgung und deren Vorteile und Fördermöglichkeiten insbesondere auch für Geringverdienende die Bereitschaft zur Entgeltumwandlung deutlich erhöhen.

Rentenlücke bei Frauen als Arbeitgeberthema

Warum sollten sich Arbeitgeber mit dieser Fragestellung beschäftigen? Zum einen wird die EU-Richtlinie zur Entgelttransparenz dafür sorgen, dass vermehrt Auskunftsansprüche geltend gemacht werden. So ist es lohnend, die Zeit bis zur finalen Umsetzung zu nutzen, die erforderlichen Daten zu beschaffen. Anschließend sind die Entgeltstrukturen zu überprüfen und geeignete Maßnahmen einzuleiten, sofern diese notwendig sind.

Viel wichtiger ist jedoch, dass Maßnahmen, die den Gender Pay Gap und den Gender Pension Gap reduzieren, letztendlich dazu dienen, die Zufriedenheit der Mitarbeitenden und somit die Mitarbeitendenbindung spürbar zu erhöhen. Benchmarkstudien zeigen, dass die Themen betriebliche Altersversorgung und langfristige Finanzen unter den Top drei der von den Mitarbeitenden gewünschten Benefits liegen (WTW Benefits Trends Survey 2023; WTW Global Benefits Attitudes Survey 2022). Arbeitgeber, die einen Fokus darauf legen, verstärken die Identifikation der Mitarbeitenden mit dem Unternehmen, was u.a. sowohl dazu führen kann, dass Mitarbeitende weniger abwandern als auch bestehende Mitarbeitende die Arbeitszeit erhöhen.

In Zeiten des Fachkräftemangels ist es für den Geschäftserfolg von erheblicher Bedeutung, wenn bestehende Mitarbeitende ihren Beschäftigungsgrad erhöhen. Dies ist in der Regel deutlich effizienter als neue Mitarbeitende zu rekrutieren. Zudem steigt die Zufriedenheit, wenn Unternehmen den Blick auf das Thema Financial Education lenken und damit Mitarbeitenden Unterstützung bei finanziellen Fragestellungen auch über das Arbeitsleben hinaus geboten wird. Somit ergibt sich ein klarer Nutzen auf Mitarbeitenden- und Unternehmensseite.


Weitere Beiträge zum Thema lesen Sie in unserer aktuellen Sonderpublikation "Personalmagazin plus: Betriebliche Altersversorgung", die Sie hier als PDF herunterladen können.


Das könnte Sie auch interessieren:

Frauen sind seltener finanziell abgesichert

Gender Wealth Gap: Frauen besitzen zum Renteneintritt nur drei Viertel des Vermögens von Männern

Die Rolle der bAV in der Benefit-Strategie

Aktuelle Zahlen zum Gender Pay Gap