Berufsausbildung: Unbesetzte Stellen auf Rekordhoch

Die Zahl der unbesetzten Ausbildungsstellen ist einem Zeitungsbericht zufolge auf einem Rekordhoch. Um dem beizukommen, setzt die Regierung auf eine Imageverbesserung bei der Berufsausbildung. Einen pragmatischen Ansatz in puncto Besetzungsproblemen verfolgen laut Studie Unternehmen in der Schweiz.

Über die gestiegene Zahl unbesetzter Ausbildungsplätze berichtet die "Rheinische Post" und beruft sich damit auf den neuen Berufsbildungsbericht der Regierung, der diese Woche vorgestellt werden soll.

Demnach waren im Vorjahr 37.101 Lehrstellen unbesetzt, ein Plus von zehn Prozent im Vergleich zu 2013. Die Zahl unversorgter Bewerber sei dagegen leicht um minus 0,8 Prozent gesunken, ebenso wie die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge (minus 1,4).

Um die Berufsausbildung aus ihrem Schattendasein zu führen, setzt Bildungsministerin Johanna Wanka auf eine Imageverbesserung: "Dringend notwendig ist eine höhere gesellschaftliche Wertschätzung für die duale Ausbildung", sagte sie der Deutschen Presse-Agentur.

Gerade unter Abiturienten genießt die duale Ausbildung bisher keine hohes Ansehen: Von ihnen nimmt pro Jahrgang gut die Hälfte ein Studium auf, anstatt eine Ausbildung zu beginnen.

Um den Übergang von der Schule in Studium oder Ausbildung besser zu begleiten, hat die Regierung eine Milliarde Euro für Berufseinstiegsbegleitung zur Verfügung gestellt, wie Wanka vor einigen Wochen im Bundestag betonte.

Exportschlager im Herkunftsland wenig beliebt

In anderen Ländern verfügt das deutsche Ausbildungssystem offenbar über ein höheres Ansehen als bei den Schulabgängern im eigenen Land: Es werde international als eine Stärke Deutschlands gesehen, so die Bildungsministerin.

Professor Sandra Buchholz vom Lehrstuhl für Soziologe I an der Universität Bamberg, die zum Thema "Berufsausbildung" forscht, teilt Wankas Einschätzung: "Das deutsche Ausbildungssystem ist im internationalen Vergleich ein Kassenschlager." Unternehmen wie etwa VW, Schaeffler und Weidmüller haben das duale Ausbildungssystem bereits ins Ausland exportiert.

Doch das System hat seine Schwächen, besonders beim Targeting: "Ein gewisser Prozentsatz an Jugendlichen wird in Deutschland seit Jahren systematisch vom Ausbildungsmarkt ausgeschlossen", bemängelt Buchholz, die gemeinsam mit deutschen und Schweizer Forschern eine Längsschnittstudie zum Thema Berufsausbildung durchführt.

Das bestätigte kürzlich eine DGFP-Studie eindrucksvoll: Zwar beklagte sich darin ein Großteil der 143 befragten Personaler darüber, dass es schwierig sei, gute Azubis zu finden. Andererseits weiten die Recruiter ihre Azubi-Suche demnach nicht ausreichend auf alternative Zielgruppen aus, etwa auf leistungsschwache Schüler, Ausbildungs- und Studienabbrecher.

Wenig Beachtung finden einer Studie der Bertelsmann-Stiftung zufolge etwa auch Azubi-Bewerber mit ausländischen Wurzeln: 59 Prozent der aktiven Ausbildungsbetriebe haben demnach noch nie einen Jugendlichen mit Migrationshintergrund als Azubi eingestellt. Ähnlich ergeht es den Hauptschülern: Eine DGB-Studie hat gezeigt, dass 62 Prozent aller angebotenen Ausbildungsplätze in der IHK-Lehrstellenbörse diese Gruppe von vornherein von Bewerbungen ausschließt.

Behinderte Jugendliche werden mehrheitlich noch vom Ausbildungsbetrieb ausgeschlossen: Gerade einmal sieben Prozent von ihnen absolvieren bisher laut Bertelsmann-Studie eine reguläre Ausbildung.

Schweiz: Im Azubi-Recruiting weniger selektiv

Lernen könnte Ausbildungs-Exporteuer Deutschland diesbezüglich wohl gerade vom Ausland: In der Schweiz, wo es ebenfalls ein duales Ausbildungsmodell gibt, absolvieren auch sogenannte leistungsschwache Jugendliche erfolgreich eine Ausbildung, so ein Ergebnis von Buchholz‘ Längsschnittstudie. "Zum einen ist der Arbeitsmarkt in der Schweiz leerer gefegt als in Deutschland", erklärt Buchholz die Gründe. Daher könnten es sich Arbeitgeber nicht leisten, auf einen bestimmten Prozentsatz eines Jahrgangs zu verzichten.

Zum anderen dominierten in Deutschland Großbetriebe den Ausbildungsmarkt – in der Schweiz hingegen Klein- und Mikrobetreibe, so die Analyse der Forscher. Diese arbeiteten weniger selektiv bei der Bewerberauswahl und achten weniger stark auf Zeugnisse und formale Bildungsabschlüsse.

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dpa
Schlagworte zum Thema:  Ausbildung, Recruiting