Gemäß früherer Entscheidungen des BAG[1] soll eine Meldepflicht des Arbeitnehmers nur dann bestehen,

  • wenn Schäden im eigenen Aufgabenbereich drohen und
  • wenn Wiederholungsgefahr besteht.

Erforderlich sei eine aktualisierte Überwachungs- und Kontrollpflicht.[2]

Nach einer späteren Entscheidung des BAG vom 3.7.2003[3] soll der Arbeitnehmer dagegen den Arbeitgeber über alle wesentlichen Vorkommnisse im Betrieb in Kenntnis setzen, vor allem, um bedeutende Schädigungen des Arbeitgebers zu verhindern. Damit besteht auch eine entsprechende Pflicht, erhebliche Pflichtverletzungen von anderen Mitarbeitern im Unternehmen (unabhängig von dem jeweiligen Tätigkeitsbereich), welche drohende erhebliche Schäden begründen, anzuzeigen, um Abhilfe zu ermöglichen. Keine Meldepflicht soll bestehen, wenn die Meldung dem Arbeitnehmer unzumutbar ist oder mit einer Selbstbezichtigung verbunden wäre. Einfache, harmlose Pflichtverstöße sind in der Regel ebenfalls nicht von der Treuepflicht erfasst.

 
Hinweis

Praxisrelevanz

Arbeitgeber sollten nicht davon ausgehen, allein die Entscheidung des BAG aus dem Jahr 2003 könnte dafür sorgen, dass Mitarbeiter rechtzeitig vor Eintritt eines Schadens Hinweisgebermeldungen vornehmen würden. Nur wenige Arbeitnehmer dürften sich – ohne Hinweisgebersystem und entsprechende Richtlinien – verpflichtet fühlen, bei drohendem Schadenseintritt den Arbeitgeber zu informieren. Denn die von der Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe zur Meldeverpflichtung und ihr konkretes Ausmaß dürfte den Mitarbeitern in der Regel nicht bekannt sein.

Insoweit gilt es, Mitarbeiter durch Leitfäden, Richtlinien und Schulungen zu informieren und über ihre Rechte und Pflichten aufzuklären. Nur ein auf allen Ebenen "gelebtes Hinweisgebersystem" wird aus den genannten Gründen seinen Zweck tatsächlich erfüllen.

[1] BAG, Urteil v. 12.5.1958, 2 AZR 539/56, AP Nr. 5 zu § 611 BGB Treuepflicht; BAG, Urteil v. 18.6.1970, AZR 520/69, AP Nr. 57 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers.
[2] BAG, Urteil v. 12.5.1958, 2 AZR 539/56, AP Nr. 5 zu § 611 BGB Treuepflicht; BAG, Urteil v. 18.6.1970, AZR 520/69, AP Nr. 57 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers.
[3] BAG, Urteil v. 3.7.2003, 2 AZR 235/02, AP Nr. 45 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung.

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