Rz. 11

Nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 sind bei Feststellung einer unverantwortbaren Gefährdung die Arbeitsbedingungen durch geeignete und verhältnismäßige Schutzmaßnahmen nach Maßgabe des § 9 Abs. 2 MuSchG umzugestalten. Die Umgestaltung ist damit in der Reihenfolge der gesetzlichen Eingriffe das erste und mildeste Mittel, um eine gesetzeskonforme Gefährdungslage herzustellen.

Im Ergebnis muss die Umgestaltung zum Ausschluss der Gefährdung führen. Eine unverantwortbare Gefährdung ist dann ausgeschlossen, wenn der Arbeitgeber Vorgaben einhält, die aller Wahrscheinlichkeit nach dazu führen, dass die Gesundheit nicht beeinträchtigt wird.[1]

Der Begriff der Arbeitsbedingungen[2] ist umfassend i. S. v. § 2 ArbStättV die Beschäftigungsstelle, also der Ort der konkreten Arbeitsleistung[3], an dem regelmäßig die Arbeitsleistung erbracht werden muss und der im Arbeitsvertrag definiert ist.[4] Der im Gesetzestext verwendete Begriff der "Arbeitsbedingungen" ist umfassend zu verstehen, er meint nicht nur die in einem Stellenplan organisatorisch festgeschriebene Funktion oder einen konkreten Arbeitsplatz, vielmehr ist die konkrete räumliche und organisatorische Situation zu ermitteln, aus der sich Beeinträchtigungsmöglichkeiten für die spezifisch zu schützende Person ergeben. § 13 Abs. 1 Nr. 1 hat zum Ziel, die Arbeitsbedingungen und damit den konkreten Arbeitsplatz, seine räumliche Ausgestaltung und den konkreten Zustand an die Schutzbelange der schwangeren oder stillenden Frau anzupassen. Nicht die Schwangere passt sich an, sondern der Arbeitsplatz, die Arbeitsumgebung hat sich anzupassen.

 

Rz. 12

Zum Arbeitsplatz gehört auch das betriebliche Umfeld, einschließlich der

  • technischen Einrichtungen wie
  • Maschinen und Anlagen sowie die
  • Arbeitsabläufe und
  • konkreten Fertigungsprozesse einschließlich der von der Schwangeren oder Stillenden in diesem Rahmen zu erbringenden Arbeitshandlungen und Mitwirkungen körperlicher oder geistiger Art.

Beleuchtet wird also die Rolle der Frau im konkreten Produktentstehungsprozess beziehungsweise bei der konkreten Arbeitsleistung.

Aber nicht nur die unmittelbare Arbeitsstätte, auch Umgebungseinflüsse wie

  • Beleuchtung,
  • Belüftung,
  • Bodenbelag oder
  • Zugänge

müssen dem besonderen Schutzgedanken aus dem Mutterschutzgesetz gerecht werden.

[2] Klaus Rischar: Begriff des Arbeitsplatzes, hrsg. von Prof. Dr. Hans-Christoph Hobohm/Prof. Dr. Konrad Umlauf, Hamburg: Dashöfer 2011, Abschn. 6.5.1.3.1.2.
[4] Zmarzlik/Zipperer/Viethen/Vieß, § 2 MuSchG, Rz. 9.

2.2.1 Auswirkungen auf die Arbeitsorganisation

 

Rz. 13

Das Umgestaltungsgebot erfasst auch die Arbeitsorganisation. Zur Arbeitsorganisation gehört die konkrete betriebliche Gestaltung des Arbeitsablaufes wie

  • konkrete Arbeitsabläufe und einzelne Arbeitsschritte,
  • Produktionsanweisungen oder Bearbeitungsvorgaben,
  • Arbeitszeit (Beginn und Ende der täglichen Anwesenheit),
  • Pausen und Erholungszeiten oder
  • das Arbeitstempo (wie etwa Akkord- oder Leistungsvorgaben; Bandgeschwindigkeit bei Fließfertigung) oder auch die Frage, ob
  • bestimmte Arbeitskleidung, vor allem Schutzkleidung, zu tragen ist.[1]
 

Rz. 14

Adressat des Umgestaltungsgebotes aus § 13 Abs. 1 Nr. 1 ist der Arbeitgeber. Arbeitgeber[2] ist, wer die rechtliche Vertragsbeziehung eingegangen und Empfänger der Arbeitsleistung und Pflichtiger zur Zahlung der Vergütung ist. Durch seine Organisationsgewalt[3] (bei öffentlich-rechtlichen Arbeitgebern) und sein Direktionsrecht[4] kann der Arbeitgeber die notwendigen Anweisungen erteilen, Beschaffungen von Werkzeugen und Gerätschaften vornehmen und auf die Einhaltung von Vorschriften dringen. Er hat damit die Verantwortung für die Ausgestaltung der Arbeitsverhältnisse und ihre organisatorische und räumliche Umgebung. Er ist ferner Empfänger und wirtschaftlicher Verwerter der Arbeitsleistung.

Eine Reaktionsmöglichkeit im Sinne der Umgestaltung der Arbeitsorganisation ist beispielsweise die Reduzierung von Leistungsvorgaben, die Bereitstellung von Unterstützung, die Verlegung und Reduzierung von Arbeitszeit, spezifische Schutzkleidung sowie eine Veränderung der Ablauforganisation.

[1] Zmarzlik/Zipperer/Viethen/Vieß, § 2 MuSchG, Rz. 13.
[3] LAG Bremen, Urteil v. 18.7.2000, 3 Sa 175/12.

2.2.2 Europäischer Rechtsrahmen

 

Rz. 15

§ 13 geht auf den europäischen Rechtsgedanken zurück[1], dass jeder Arbeitnehmer in seiner Arbeitsumwelt zufriedenstellende Bedingungen für Gesundheitsschutz und Sicherheit vorfinden muss. Gem. Art. 15 der Richtlinie 89/391/EWG des Rates v. 12.6.1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit müssen besonders gefährdete Risikogruppen gegen Gefahren am Arbeitsplatz geschützt werden. Bei bestimmten Tätigkeiten kann ein besonderes Risiko bestehen, dass eine sc...

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