Rz. 10

Die zuständige Agentur für Arbeit kann auf ausdrücklichen Antrag des Arbeitgebers[1] die Sperrfrist verkürzen, indem sie nach § 18 Abs. 1 KSchG ihre Zustimmung erteilt, dass die Entlassung vor Ablauf der regelmäßigen Sperrfrist von einem Monat wirksam wird. Die Zustimmung kann auch rückwirkend bis zum Tage der Antragstellung erteilt werden (§ 18 Abs. 1 Halbsatz 2 KSchG). Stimmt die Arbeitsagentur der Kündigung innerhalb der Sperrfrist zu, ohne ein Datum zu bestimmen, läuft die Sperrfrist mit Bekanntgabe der Entscheidung an den Arbeitgeber ab, weil dadurch der Verwaltungsakt wirksam wird.[2] Eine Verkürzung der Sperrfrist kommt insbesondere in Betracht, wenn die einschlägigen Kündigungsfristen wesentlich kürzer sind als die regelmäßige Sperrfrist von einem Monat. In diesem Fall wird hinsichtlich der Entscheidung über die Verkürzung der Sperrzeit teilweise eine Ermessensreduktion auf Null angenommen, weil nach Art. 4 Abs. 1 Halbsatz 2 MERL die für die Kündigungsfristen geltenden nationalen Bestimmungen durch die Sperrfrist unberührt bleiben und Kündigungen mit derartig kurzen Kündigungsfristen nach der Richtlinienvorgabe möglich sein müssen.[3]

 
Hinweis

An einen Antrag auf Verkürzung der Sperrfrist ist in der Praxis z. B. zu denken, wenn Arbeitnehmer unter Abkürzung ihrer Kündigungsfristen aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden und in eine Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft wechseln sollen.[4]

[1] FW KSchG (Stand: 10.10.2017) Rz. 18.10; APS/Moll, § 18 KSchG Rz. 13 f.
[2] APS/Moll, § 18 KSchG Rz. 17.
[3] Dornbusch/Wolff, BB 2005, 885, 887.
[4] Annuß/Lembke/Hangarter, Umstrukturierungen in der Insolvenz, 3. Aufl. 2016, Rz. 476.

2.3.1 Rückwirkende Verkürzung

 

Rz. 11

Ist dem Antrag des Arbeitgebers auf rückwirkende Abkürzung der Sperrfrist stattgegeben worden, hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer aber dennoch weiterbeschäftigt, bleibt der Arbeitgeber verpflichtet, das Arbeitsentgelt bis zur tatsächlichen Beendigung der Beschäftigung an den Arbeitnehmer zu zahlen.[1]

[1] ErfK/Kiel, § 18 KSchG Rz. 4.

2.3.2 Verwaltungsakt

 

Rz. 12

Die Abkürzung der Sperrfrist nach § 18 Abs. 1 KSchG ist ein begünstigender Verwaltungsakt[1] mit privatrechtsgestaltender Wirkung[2]. Es gelten die Regelungen der §§ 31 ff. SGB X. Die Entscheidung der Arbeitsverwaltung wird mit Bekanntgabe an den Arbeitgeber wirksam (§§ 39 Abs. 1 Satz 1, 37 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Der zu entlassende Arbeitnehmer ist zwar mittelbar von der Entscheidung betroffen, ihm ist die Entscheidung jedoch nicht bekannt zu geben. Er hat auch keine Befugnis, die Entscheidung anzufechten (s. Rz. 2). Entgegen der h. M.[3] ist es auch keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigung bzw. Entlassung des Arbeitnehmers, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Entscheidung der Arbeitsverwaltung über die Verkürzung der Sperrzeit bekannt gibt.[4] Aus dem von der h. M. herangezogenen Grundsatz von Treu und Glauben lässt sich eine derartige Wirksamkeitsvoraussetzung nicht herleiten, sondern allenfalls ein Auskunftsanspruch des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber hinsichtlich der Entscheidung der Arbeitsverwaltung über die Sperrfrist.

 

Rz. 13

Nach § 32 SGB X kann die Zustimmung zur vorzeitigen Entlassung mit Nebenbestimmungen erteilt werden, wie z. B. unter der Auflage der Zahlung einer Abfindung des Arbeitgebers an die zu entlassenden Arbeitnehmer.[5] Dabei ist jedoch stets der Gesetzeszweck der Massenentlassungsanzeige zu berücksichtigen.[6] Daher hat dem Arbeitgeber im Beispielsfall zumindest die Wahl zu verbleiben, ob er die Arbeitnehmer unter Erfüllung der Auflage vorzeitig entlässt oder ob er die Auflage nicht erfüllt und den Ablauf der regelmäßigen Sperrfrist abwartet.[7] In der Praxis spielen die Nebenbestimmungen keine Rolle.

[1] ErfK/Kiel, § 18 KSchG Rz. 4.
[2] BAG, Urteil v. 13.4.2000, 2 AZR 215/99, AP KSchG 1969 § 17 Nr. 13 unter B III 2 c.
[3] ErfK/Kiel, § 18 KSchG Rz. 4; KR/Weigand, 13. Aufl. 2022, § 18 KSchG Rz. 18.
[4] Zutr. APS/Moll, § 18 KSchG Rz. 19.
[5] ErfK/Kiel, § 18 KSchG Rz. 4.
[6] Ausf. APS/Moll, § 18 KSchG Rz. 26 f.
[7] ErfK/Kiel, § 18 KSchG Rz. 4.

2.3.3 Heilung von Fehlern bei der Anzeige durch die Entscheidung der Arbeitsverwaltung?

 

Rz. 14

Eine fehlerhafte Massenentlassungsanzeige wird durch einen bestandskräftigen Bescheid nach § 18 Abs. 1 und 2, § 20 KSchG nicht geheilt.[1] Die Arbeitsgerichtsbarkeit ist durch einen bestandskräftigen Verwaltungsakt der Arbeitsverwaltung nach § 18 i. V. m. § 20 KSchG nicht gehindert, im Kündigungsschutzprozess die Unwirksamkeit der Massenentlassungsanzeige anzunehmen. Fehler, die dem Arbeitgeber bei der Erstattung der Massenentlassungsanzeige unterlaufen sind, werden durch einen solchen Verwaltungsakt nicht geheilt. Die Wirksamkeit der Massenentlassungsanzeige ist nur Vorfrage eines solchen Verwaltungsakts und wird nicht von dessen Bestandskraft erfasst. Außerdem würde das von Art. 6 MERL geforderte Schutzniveau, wonach "den Arbeitnehmern administrative und/oder gerichtliche Verfahren zur Durchsetzung der Verpflichtungen gem. dieser Richtlinie zur Verfügung stehen" müssen, unterschritten, wenn durch einen Bescheid der Agentur für Arbeit den betroffenen A...

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