Rz. 1

Für den Fall anzeigepflichtiger Entlassungen nach § 17 Abs. 1 KSchG regelt die Vorschrift, zu welchem Zeitpunkt nach Eingang der ordnungsgemäßen Massenentlassungsanzeige die Entlassungen wirksam werden. Das Gesetzesverständnis hat sich im Hinblick auf die Junk-Entscheidung des EuGH völlig gewandelt.[1]

 

Rz. 2

In Umsetzung von Art. 4 der Massenentlassungsrichtlinie (MERL)[2] regelt § 18 Abs. 1 und 2 KSchG die Sperrfrist, innerhalb derer die Entlassung des Arbeitnehmers nicht wirksam werden kann. Die Sperrfrist hat den Zweck, der Arbeitsverwaltung Gelegenheit zu geben, Maßnahmen zur Vermeidung oder Verkürzung der Arbeitslosigkeit der zu entlassenden Arbeitnehmer zu treffen (vgl. Art. 4 Abs. 2 MERL). Sie dient den öffentlichen Belangen und nicht dem Interesse des einzelnen von der Entlassung betroffenen Arbeitnehmers.

Der Arbeitnehmer hat daher keine Befugnis zu Widerspruch (§§ 78 ff. SGG) und Klage (§§ 51 Abs. 1 Nr. 4, 87 ff. SGG) im Zusammenhang mit der Entscheidung der Arbeitsverwaltung über die Verkürzung oder Verlängerung der Sperrzeit.[3] Auch der Betriebsrat hat keine Befugnis, gegen die Entscheidungen der Arbeitsverwaltung nach § 18 KSchG mittels Widerspruch bzw. Anfechtungsklage vorzugehen, da er durch die Entscheidung der Arbeitsverwaltung nicht i. S. d. § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG beschwert wird.[4]

 

Rz. 3

Die Sperrfrist beträgt grds. einen Monat nach Eingang der ordnungsgemäß erstatteten Anzeige bei der zuständigen Agentur für Arbeit (§ 18 Abs. 1 Halbsatz 1 KSchG). Auf Antrag des Arbeitgebers kann sie dadurch verkürzt werden, dass die Arbeitsagentur der früheren Entlassung zustimmt (§ 18 Abs. 1 KSchG). Nach § 18 Abs. 2 KSchG kann sie im Einzelfall bis auf 2 Monate ab Eingang der ordnungsgemäßen Anzeige verlängert werden. Während der Sperrzeit kann Kurzarbeit angeordnet werden (§ 19 KSchG).

 

Rz. 4

Die Zuständigkeit innerhalb der Arbeitsverwaltung hinsichtlich der Entscheidungen nach § 18 Abs. 1 und 2 KSchG ist in § 20 Abs. 1 und 2 KSchG sowie § 21 KSchG näher geregelt. § 20 Abs. 3 KSchG enthält Verfahrensvorschriften und § 20 Abs. 4 KSchG Ermessensleitlinien für die Entscheidung der Arbeitsverwaltung.

 

Rz. 5

An die Sperrfrist schließt sich die Freifrist von 90 Kalendertagen nach § 18 Abs. 4 KSchG an. Die Freifrist hat aber praktisch kaum noch eine Bedeutung.[5]

[1] Hierzu Lembke/Oberwinter, § 17 Rz. 15 ff.
[2] Richtlinie 98/59/EG v. 20.7.1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen, ABlEG Nr. L 225 v. 12.8.1998, S. 16.
[3] BSG, Urteil v. 14.8.1980, 7 RAr 68/79, AP KSchG 1969 § 17 Nr. 2; BSG, Urteil v. 30.10.1959, 7 RAr 19/57, AP KSchG 1951 § 18 Nr. 1; BSG, Beschluss v. 15.10.2012, B 11 AL 64/12 B, BeckRS 2012, 75126; LSG Baden-Württemberg, Beschluss v. 8.1.2007, L 8 AL 3242/06, NJW 2007, 1839, 1840; LKB/Bayreuther, 16. Aufl. 2019, § 20 KSchG Rz. 27; EuArbRK/Spelge, 5. Aufl. 2024, RL 98/59/EG, Art. 6 Rn. 24b.
[4] BSG, Urteil v. 14.8.1980, 7 RAr 68/79, AP KSchG 1969 § 17 Nr. 2.
[5] BAG, Urteil v. 9.6.2016, 6 AZR 638/15, NZA 2016, 1202, Rz. 27; BAG, Urteil v. 23.2.2010, 2 AZR 268/08, NZA 2010, 944, Rz. 32; näher Lembke/Oberwinter, § 17 Rz. 38 ff.

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