Rz. 925

Die Tarifvertrags- und Betriebspartner nehmen in der Auswahlrichtlinie eine Bewertung der in § 1 Abs. 3 KSchG genannten sozialen Gesichtspunkte vor und setzen Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung in ein bestimmtes Verhältnis zueinander. Die Gewichtung der Auswahlkriterien erfolgt regelmäßig durch ein Punkteschema.[1]

 

Rz. 926

Bei der Beurteilung und Kontrolle dieser Schemata kommt es zunächst darauf an, ob der Arbeitgeber alleine eine Punktetabelle entwickelt hat oder ob die Punktetabelle von den Betriebspartnern gemeinsam verhandelt wurde. Im erstgenannten Fall darf der Arbeitgeber anhand seiner Punktetabelle ohnehin nur eine bloße Vorauswahl treffen, an die sich stets eine individuelle Abschlussprüfung anschließen muss.[2]

 

Rz. 927

Ein Punkteschema, das von den Tarifvertrags- und Betriebspartnern in einer Auswahlrichtlinie festgelegt wird, kann dagegen für sich eine gesetzliche Richtigkeitsvermutung in Anspruch nehmen, sodass ein Arbeitsgericht die vorgenommene Bewertung nur auf grobe Fehler überprüft. Die Tarifvertrags- und Betriebspartner haben daher im Rahmen des § 1 Abs. 4 KSchG tendenziell einen größeren Spielraum, dessen genaue Grenzen durch die Rechtsprechung noch nicht definiert sind. Im Übrigen können die Parteien sich in ihrer Richtlinie zwar auf eine bloße Vorauswahl beschränken, nach h. M. bislang aber auch eine abschließende Gewichtung der Auswahlkriterien vornehmen (vgl. LAG Düsseldorf, Urteil v. 17.3.2000, 9 (6) Sa 84/00[3]). Die Auswahlrichtlinie darf dem Arbeitgeber indessen keinen über § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG hinausgehenden Beurteilungsspielraum gewähren (vgl. ArbG Essen, Urteil v. 30.8.2005, 2 Ca 670/05).

 
Hinweis

Das BAG hat wiederholt folgendes Punkteschema für zulässig gehalten (BAG, Urteil v. 18.1.1990, 2 AZR 357/89[4]):

 
Betriebszugehörigkeit  
  bis zum 10. Jahr je Dienstjahr 1 Punkt
  ab dem 11. Jahr bis maximal 55. Lebensjahr je Dienstjahr 2 Punkte
  maximal 70 Punkte
Lebensalter  
  je Lebensjahr bis maximal 55. Lebensjahr 1 Punkt
Unterhaltspflichten  
  Ehepartner 8 Punkte
  Kind 4 Punkte
Schwerbehinderung  
  Grad der Behinderung von 50 5 Punkte
  je weiteren Grad der Behinderung von 10 1 Punkt
 

Rz. 928

Das LAG Hamm (LAG Hamm, Urteil v. 21.8.1997, 4 Sa 166/97[5]) hat ein Punkteschema bestätigt, das den Mitarbeitern für jedes vollendete Lebensjahr einen Punkt und für jedes vollendete Jahr der Betriebszugehörigkeit 2 Punkte zuordnete. Unterhaltspflichten wurden mit 4 Punkten je unterhaltsberechtigter Person berücksichtigt. Schwerbehinderte Arbeitnehmer erhielten 5 Zusatzpunkte.

 

Rz. 929

Das BAG (BAG, Urteil v. 23.11.2000, 2 AZR 533/99[6]) hat ferner eine gestaffelte Bewertung des Lebensalters akzeptiert. Das Lebensalter von Mitarbeitern, die 20 Jahre oder jünger waren, spielte im Rahmen der Sozialauswahl keine Rolle. Mitarbeiter bis zum vollendeten 30. Lebensjahr erhielten einen Punkt, Mitarbeiter bis zum vollendeten 40. Lebensjahr bereits 3 Punkte. Bei Mitarbeitern über 57 Jahren war das Lebensalter schließlich 10 Punkte wert. Daneben wurden vollendete Jahre der Betriebszugehörigkeit mit einem Punkt sowie Unterhaltspflichten mit jeweils 3 Punkten berücksichtigt. Eine eventuelle Schwerbehinderung wurde – entsprechend der damaligen Rechtslage – nicht berücksichtigt; insofern wäre dieses Punkteschema heute ergänzungsbedürftig.

 

Rz. 930

Zentrales Element der beschriebenen Punktetabellen ist das Alter der Arbeitnehmer. Gerade dieses Kriterium stand seit der Einführung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) auf dem Prüfstand. Das BAG hat zwischenzeitlich jedoch bestätigt, dass sowohl die Berücksichtigung des Lebensalters als auch die Bildung von Altersgruppen bei einer sozialen Auswahl nach wie vor zulässig sind. Das Gesetz lege in § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG selbst entsprechende Kriterien für eine unterschiedliche Behandlung fest, indem es das Lebensalter als eines von 4 gleichgewichtig zu berücksichtigenden Merkmalen festschreibe. Ausschlaggebend sei dabei immer, dass die an das Alter anknüpfende Regelung ein legitimes Ziel verfolge, also etwa den Schutz älterer Arbeitnehmer angesichts schlechterer Chancen auf dem Arbeitsmarkt, den Schutz jüngerer Arbeitnehmer vor einer Überforderung oder die Wahrung der bestehenden Altersstruktur innerhalb des Betriebs (BAG, Urteil v. 6.11.2008, 2 AZR 523/07[7]).

Das BAG hat folgendes Punkteschema unter dem Gesichtspunkt einer Ungleichbehandlung wegen des Alters geprüft und nicht beanstandet (BAG, Urteil v. 12.3.2009, 2 AZR 418/07[8]):

 
Betriebszugehörigkeit je Dienstjahr 2 Punkte
Lebensalter je Lebensjahr bis maximal 59. Lebensjahr 1 Punkt
Unterhaltspflichten Ehepartner 5 Punkte
  Kind 10 Punkte
Schwerbehinderung Grad der Behinderung von 50 10 Punkte
 
Wichtig

Die Einführung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) wirft die Frage auf, ob Differenzierungen anhand des Alters der Arbeitnehmer als statthaft anzusehen sind.

Eine unterschiedliche Behandlung aufgrund des Alters ist nach § 10 AGG zulässig, wen...

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