Rz. 690

Die Beschäftigungsmöglichkeiten im Betrieb sind abhängig von Personalbestand und Personalbedarf. Letzterer wird durch die Organisationsentscheidungen des Arbeitgebers bestimmt. Für den Wegfall des Beschäftigungsbedarfs ist nicht auf den konkreten Arbeitsplatz des betroffenen Arbeitnehmers abzustellen. Beschäftigungsmöglichkeit i. S. d. Kündigungsschutzgesetzes ist die vertragliche Anbindung an bestimmte Verrichtungen. Der Arbeitgeber hat daher nicht darzulegen, dass der Beschäftigungsbedarf für einen bestimmten, räumlich und zeitlich fixierten Arbeitsplatz entfallen ist.[1] Entscheidend ist, ob aufgrund des Arbeitskräfteüberhangs das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers mittelbar oder unmittelbar entfallen ist und der Arbeitnehmer auf der Grundlage des Arbeitsvertrags nicht mehr eingesetzt werden kann (BAG, Urteil v. 30.5.1985, 2 AZR 321/84[2]). Bei der Prüfung des Beschäftigungsbedarfs sind jedoch nicht bereits alle vergleichbaren Arbeitsplätze des Betriebs in die Berechnung einzubeziehen. Diese sind erst bei der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG von Bedeutung. Anknüpfungspunkt ist immer die organisatorische Entscheidung des Arbeitgebers. Nur die insoweit betroffenen Arbeitsplätze fließen in die Berechnung ein.

 

Beispiel

Der Arbeitgeber baut aufgrund eines Auftragsrückgangs eine Produktionsmaschine ab. Es entfallen insoweit die Arbeitsplätze der an dieser Maschine eingesetzten Arbeitnehmer. Ob eine Kündigung eben dieser Arbeitnehmer letztlich sozial gerechtfertigt ist, hängt von den sonstigen Beschäftigungsmöglichkeiten auf freien Arbeitsplätzen und der auf 2. Prüfungsstufe durchzuführenden Sozialauswahl ab. Reorganisiert der Arbeitgeber den gesamten Produktionsbereich, ist der Arbeitskräfteüberhang in diesem Bereich zu prüfen. Legt der Arbeitgeber einen Betriebsteil still, ist die Beschäftigungsmöglichkeit für alle in diesem Teil Beschäftigten entfallen.

 

Rz. 691

Die Organisationsentscheidung muss sich konkret auf die Einsatzmöglichkeit des Arbeitnehmers auswirken und ursächlich für den vom Arbeitgeber behaupteten Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses sein (BAG, Urteil v. 22.9.2005, 2 AZR 590/04[3]). Arbeitsplätze in den von der Organisationsentscheidung nicht betroffenen Bereichen oder Betriebsteilen sind – sofern frei – für die Frage einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit[4] und – sofern mit einem anderen vergleichbaren Arbeitnehmer besetzt – für die Frage der Sozialauswahl[5] relevant.

 

Rz. 692

Ein die Kündigung rechtfertigender Arbeitskräfteüberhang ist gegeben, wenn hinsichtlich der zu verrichtenden Tätigkeit mehr Arbeitnehmer vertraglich gebunden sind, als die zur Verfügung stehende Arbeitsmenge erfordert (BAG, Urteil v. 31.7.2014, 2 AZR 422/13[6]; BAG, Urteil v. 17.6.1999, 2 AZR 141/99[7]). Die Feststellung eines Überhangs an Arbeitskräften erfordert daher zunächst die Feststellung der zur Verfügung stehenden Arbeitsmenge. Sodann hat der Arbeitgeber zu prüfen, welche Arbeitnehmer er auf ihrer vertraglichen Grundlage zur Erledigung dieser Arbeitsmenge einsetzen kann. Dabei spielen nicht nur der Inhalt des Arbeitsvertrags, sondern auch gesetzliche oder kollektivvertragliche Arbeitszeitvorgaben eine Rolle.

 
Hinweis

Der Arbeitgeber hat im Kündigungsschutzprozess bei der Darlegung der Arbeitsmenge und des Beschäftigungsbedarfs zu beachten, dass er sich bei der Arbeitszeitgestaltung an die Vorgaben eines einschlägigen Tarifvertrags oder einer Betriebsvereinbarung hält. So hat er z. B. bei der Gestaltung von Einsatzplänen nicht nur die wöchentliche Arbeitszeit, sondern auch Ruhezeiten, beschränkte Nachtarbeit oder Vorgaben für Sonn- und Feiertage zu beachten.

 

Rz. 693

Abgesehen von den normativen Grenzen fällt die Frage, welchen Schlüssel der Arbeitgeber zur Berechnung seines Personalbedarfs zugrunde legt, in den Bereich der Entscheidungsfreiheit des Arbeitgebers (BAG, Urteil v. 22.9.2005, 2 AZR 208/05[8]). Das der Berechnung zugrunde liegende Personalkonzept kann nur auf Willkürfreiheit überprüft werden. So kann auch die Entscheidung des Arbeitgebers, das Betriebsziel künftig mit weniger Arbeitnehmern zu erreichen, d. h. im Wege einer Leistungsverdichtung das Personal rationaler einzusetzen, zu einem Arbeitskräfteüberhang führen. Es gehört zur Organisation und Gestaltung des Betriebs, neben der Anschaffung von Maschinen, Gerätschaften sowie Vorrichtungen und der Gestaltung der Arbeitsabläufe auch die Stärke der Belegschaft, mit der das Betriebsziel erreicht werden soll, festzulegen. Dazu gehört die Entscheidung über die Kapazität an Arbeitskräften und an Arbeitszeit sowie die Verteilung der Kapazität (BAG, Urteil v. 24.4.1997, 2 AZR 352/96[9]; BAG, Urteil v. 2.6.2005, 2 AZR 480/04[10]). Die Unternehmerentscheidung kann somit auch darin liegen, künftig auf Dauer mit weniger Personal zu arbeiten. Der Arbeitgeber darf sich in einem Kündigungsschutzverfahren jedoch nicht auf den Vortrag der Leistungsverdichtung beschränken, sondern muss ein zugrunde liegendes Konzept darlegen.[11] Die Leis...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Personal Office Platin. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge