Rz. 700

Der Arbeitgeber trägt nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen eines betrieblichen Erfordernisses. Das Gericht muss auf der Grundlage des Vortrags prüfen können, ob im Zeitpunkt des Kündigungszugangs mit hinreichender Sicherheit feststand, das Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer werde mit Ablauf der Kündigungsfrist entfallen (BAG, Urteil v. 31.7.2014, 2 AZR 422/13[1]; BAG, Urteil v. 13.6.2002, 2 AZR 589/01[2]).

 

Rz. 701

Der Arbeitgeber muss daher vortragen, welche Gründe zum Wegfall des Beschäftigungsbedarfs führen. Der Umfang der vorzutragenden Tatsachen ist letztlich abhängig von dem Charakter der Kündigungsgründe. Beruft der Arbeitgeber sich allein auf außerbetriebliche Kündigungsgründe und bindet sich an die von ihm gesehenen Sachzwänge, kann das Gericht in vollem Umfang nachprüfen, ob die vom Arbeitgeber behaupteten Umstände zum Zeitpunkt der Kündigung vorlagen und zukünftig zu einem dauerhaften Rückgang des Beschäftigungsbedarfs führen (BAG, Urteil v. 20.2.2014, 2 AZR 346/12[3]). Der Arbeitgeber hat konkret darzulegen, welche außerbetrieblichen Umstände zum Wegfall des Arbeitsplatzes geführt haben. Er muss anhand seiner Auftrags- und Personalplanung im Einzelnen darstellen, warum nicht nur eine kurzfristige Abwärtsbewegung vorliegt, sondern ein dauerhafter Auftragsrückgang zu erwarten ist (BAG, Urteil v. 20.2.2014, 2 AZR 346/12[4]; BAG, Urteil v. 23.2.2012, 2 AZR 482/11[5]). Durch den Hinweis auf außerbetriebliche Umstände, auf die er mit der unternehmerischen Entscheidung zum Personalabbau nur reagiert, bindet sich der Arbeitgeber hinsichtlich des Beschäftigungsbedarfs und des Wegfalls von Beschäftigungsmöglichkeiten. Er beruft sich darauf, dass die Kündigung zwangsläufige Folge der außerbetrieblichen Ursachen ist. In diesen Fällen hat der Arbeitgeber darzulegen,

  • dass die außerbetrieblichen Umstände tatsächlich im behaupteten Umfang vorliegen und
  • dass diese Umstände sich unmittelbar zwingend auf der Grundlage der betrieblichen Gegebenheiten und vertraglichen Anbindung der Arbeitnehmer auf die Beschäftigungsmöglichkeiten auswirken.
 

Rz. 702

Ein solcher Vortrag wird dem Arbeitgeber nur sehr selten gelingen. Regelmäßig werden die äußeren Umstände nur Anlass für eine innerbetriebliche unternehmerische Entscheidung sein. So erfordert eine Veränderung der Marktsituation insbesondere bei größeren Unternehmen mit verschiedenen Hierarchieebenen und unterschiedlich gestalteten Arbeitsplätzen eine Organisationsentscheidung, wie eine verringerte Arbeitsmenge mit welchen Arbeitskräften zukünftig erledigt werden soll. Grundlage der Kündigung sind dann nicht mehr außerbetriebliche Gründe, sondern eine gestaltende Unternehmerentscheidung.

 

Beispiel

Ein Baubetrieb hat einen erheblichen Auftrags- und damit auch Umsatzrückgang zu verzeichnen. Der Arbeitgeber beschließt, Arbeitskräfte in großem Umfang auf sämtlichen Hierarchieebenen abzubauen und zugleich seine Baustellentrupps zu verkleinern. Kommt es zu Kündigungsschutzprozessen mit den betroffenen Arbeitnehmern, kann der Arbeitgeber nicht nur auf die Auftrags- und Umsatzzahlen verweisen. Er muss sein innerbetriebliches Personalkonzept konkret darlegen und nachvollziehbar vortragen, wie er die verbleibende Arbeitsmenge mit den restlichen Beschäftigten in Zukunft erledigen will.

 

Rz. 703

Sind die außerbetrieblichen Umstände nur Anlass eines unternehmerischen Konzepts oder beruft sich der Arbeitgeber von vornherein nur auf innerbetriebliche Umstände, hat er den Inhalt des unternehmerischen Konzepts plausibel darzulegen. Der Arbeitgeber hat vorzutragen,

  • dass und wann er eine unternehmerische Entscheidung getroffen hat – bei juristischen Personen gehört hierzu die konkrete Angabe, wer die Entscheidung getroffen hat,
  • dass er diese Entscheidung umgesetzt hat oder umsetzt,
  • dass die Umsetzung zu einem Wegfall des Beschäftigungsbedarfs führt.
 

Rz. 704

Zu dem Vortrag des Wegfalls des Beschäftigungsbedarfs zählen die Darlegung der verbleibenden Arbeitsmenge und der Verteilung dieser Arbeitsmenge auf die noch vorhandenen Arbeitskräfte. Gericht und Arbeitnehmer müssen anhand von Tatsachen nachvollziehen können, wie die verbleibende Arbeit mit dem verbleibenden Personal ohne regelmäßige überobligatorische Leistung bewältigt werden kann (BAG, Urteil v. 22.10.2015, 2 AZR 650/14[6]; BAG, Urteil v. 20.2.2014, 2 AZR 346/12[7]; BAG, Urteil v. 17.6.1999, 2 AZR 141/99[8]). Im Rahmen einer gestuften Darlegungslast hat der Arbeitnehmer sodann – soweit ihm dies aufgrund seiner bisherigen Tätigkeit möglich ist – auf diesen Vortrag zu erwidern.

 

Rz. 705

Entscheidender Zeitpunkt für die Beurteilung der sozialen Rechtfertigung der Kündigung ist der Zugang der Kündigungserklärung (BAG, Urteil v. 22.10.2015, 2 AZR 650/14[9]; BAG, Urteil v. 20.11.2014, 2 AZR 512/13[10]). Der Arbeitgeber muss darlegen, dass zu diesem Zeitpunkt die relevante unternehmerische Entscheidung vorlag und kein Beschäftigungsbedürfnis mehr bestand oder die zu die...

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