Rz. 634

Die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht oder der Verrat von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen können grds. eine verhaltensbedingte Kündigung sozial rechtfertigen. Es können sich in dieser Hinsicht bereits dann Sicherheitsbedenken ergeben, wenn der Arbeitnehmer freundschaftliche oder verwandtschaftliche Beziehungen zu Konkurrenten oder Arbeitnehmern in Konkurrenzunternehmen pflegt. Hier ist bei Arbeitnehmern in besonderer Vertrauensstellung eine personenbedingte Kündigung denkbar, wenn konkrete Tatsachen dafür sprechen, dass der Arbeitnehmer einem Interessenskonflikt unterliegt und deshalb der Verschwiegenheitspflicht nicht genügen wird (BAG, Urteil v. 26.10.1978, 2 AZR 24/77[1]). Sind bestimmte Sicherheitsanforderungen unmittelbar mit der Berufsausübung verbunden, kann bei einem Wachmann die personenbedingte (Änderungs-)Kündigung sozial gerechtfertigt sein, wenn er erforderliche polizeiliche Befugnisse verliert (BAG, Urteil v. 18.3.1981, 5 AZR 1096/78[2]; vgl. zum Verlust einer Ermächtigung zum Umgang mit Verschlusssachen eines Mitarbeiters beim Bundesamt für Verfassungsschutz BAG, Urteil v. 26.11.2009, 2 AZR 272/08[3]). Es ist dagegen nicht ausreichend, wenn eine Dienststelle lediglich erklärt, dass sie gegen einen Arbeitnehmer Sicherheitsbedenken habe, wenn sie dies nicht mit Tatsachen belegen kann (BAG, Urteil v. 21.3.1996, 2 AZR 479/95 sowie BAG, Urteil v. 20.7.1989, 2 AZR 114/87[4]).

 

Rz. 635

Im öffentlichen Dienst kann sich ein Eignungsmangel, der eine personenbedingte Kündigung rechtfertigen kann, aus begründeten Zweifeln an der Verfassungstreue des Arbeitnehmers ergeben. Solche Zweifel können etwa bei einer Mitgliedschaft in einer oder einem aktiven Eintreten für eine verfassungsfeindliche Organisation geweckt werden. Sodann ist zu prüfen, inwieweit in Abhängigkeit von der allgemeinen Aufgabenstellung des öffentlichen Arbeitgebers und dem konkreten Aufgabengebiet des Arbeitnehmers die außerdienstlichen Aktivitäten das Arbeitsverhältnis berühren (BAG, Urteil v. 12.5.2011, 2 AZR 479/09[5]). Allerdings müssen auch Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes, die nur eine "einfache" politische Treuepflicht trifft, ein Mindestmaß an Verfassungstreue aufbringen und dürfen z. B. nicht zu einem gewaltsamen Umsturz aufrufen. Diese Pflicht gilt sowohl für den dienstlichen wie auch den außerdienstlichen Bereich (BAG, Urteil v. 6.9.2012, 2 AZR 372/11[6]).

So fehlt etwa einem Lehrer die für eine Tätigkeit an einer staatlichen Schule erforderliche Verfassungstreue und damit die Eignung für die geschuldete Arbeitstätigkeit, wenn er in einem geheimen Netzwerk antisemitische Inhalte verbreitet, den Holocaust anzweifelt und sich demokratiefeindlich äußert (LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil v. 21.6.2022, 5 Sa 256/21[7]).

Angestellte im Polizeidienst, die u. a. mit der Überwachung von jüdischen Einrichtungen betraut sind, trifft eine gesteigerte politische Loyalitätspflicht. Begründete Zweifel an der erforderlichen Verfassungstreue mit der Folge des Fehlens der persönlichen Eignung für die Erfüllung der Arbeitsaufgaben können dann vorliegen, wenn sich der Angestellte entscheidende Fragestellungen der sog. Reichsbürgerideologie zu eigen macht (LAG Hamburg, Urteil v. 22.4.2022, 7 Sa 49/21[8]; zum Fall einer Polizeiärztin, die mit einer Zeitungsanzeige die gesetzgebenden Organe verächtlich machte, vgl. LAG Baden-Württemberg, Urteil v. 2.2.2022, 10 Sa 66/21[9]).

[1] AP KSchG 1969 § 1 Sicherheitsbedenken Nr. 1.
[2] AP BGB § 611 Arbeitsleistung Nr. 2.
[3] AP BGB § 626 Nr. 225.
[4] Juris und AP KSchG 1969 § 1 Sicherheitsbedenken Nr. 2.
[5] NZA-RR 2012, 43.
[6] NZA-RR 2013, 441.
[7] NZA-RR 2022, 586.
[8] Juris.
[9] NZA-RR 2022, 262.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Personal Office Platin. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge