Rz. 360

Das Verhalten eines Arbeitnehmers im privaten Lebensbereich steht außerhalb der Einflusssphäre des Arbeitgebers, so dass außerdienstliches Verhalten die berechtigten Interessen des Arbeitgebers oder anderer Arbeitnehmer nur dann beeinträchtigen kann, wenn es einen Bezug zur dienstlichen Tätigkeit hat. So kann z. B. die Nebentätigkeit eines im Krankenhaus beschäftigen Krankenpflegers als Leichenbestatter die berechtigten Interessen des Arbeitsgebers erheblich beeinträchtigen (BAG, Urteil v. 28.2.2002, 6 AZR 357/01[1]).

 

Rz. 361

Das Vorliegen von Lohnpfändungen oder Lohnabtretungen kann für sich gesehen noch keine Kündigung rechtfertigen. Sozial gerechtfertigt ist eine Kündigung ausnahmsweise nur dann, wenn im Einzelfall zahlreiche Lohnpfändungen oder -abtretungen einen derartigen Arbeitsaufwand des Arbeitgebers verursachen, dass dies – nach objektiver Beurteilung – zu wesentlichen Störungen im Arbeitsablauf (etwa in der Lohnbuchhaltung oder in der Rechtsabteilung) oder in der betrieblichen Organisation führt (BAG, Urteil v. 4.11.1981, 7 AZR 264/79[2]).

 

Rz. 362

Kündigungsrelevant kann ferner eine tendenzwidrige außerdienstliche Tätigkeit des Arbeitnehmers eines Tendenzbetriebs sein. Jeder Arbeitgeber, der sich mit seinem Unternehmen einer rechtmäßigen Tendenz widmet – etwa auf konfessionellem, politischem, gewerkschaftlichem, wissenschaftlichem, karitativem, künstlerischem Gebiet – hat ein berechtigtes Interesse an der Loyalität seines Arbeitnehmers. Die kündigungsrechtlichen Auswirkungen werden insbesondere von der Tendenznähe des sich tendenzwidrig verhaltenden Arbeitnehmers mitbestimmt.

 

Beispiel

Eine Ressortleiterin bei der Zeitung kann ihre vertraglichen Rücksichtnahmepflichten dadurch verletzen, dass sie sich gegen eine Veröffentlichung in der Presse des eigenen Arbeitgebers mit einer Gegendarstellung wendet und dies als eine unverhältnismäßige Reaktion auf einen Pressebericht darstellt (BAG, Urteil v. 23.10.2008, 2 AZR 483/07[3]).

 

Rz. 363

Strafbare außerdienstliche Handlungen sind nicht automatisch kündigungsrelevant. Ein solches Verhalten kann zwar Zweifel an der Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit eines Arbeitnehmers begründen (BAG, Urteil v. 20.6.2014, 2 AZR 583/12[4]). Generell müssen strafbare außerdienstliche Handlungen aber einen Bezug zum Arbeitsverhältnis haben. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn der Arbeitnehmer die Straftat unter Nutzung von Betriebsmitteln begeht. Ein Bezug kann aber auch vorliegen, wenn der Arbeitgeber oder andere Mitarbeiter sich staatlichen Ermittlungen ausgesetzt sehen oder in der Öffentlichkeit mit der Straftat in Verbindung gebracht werden (BAG, Urteil v. 28.10.2010, 2 AZR 293/09[5]).

 

Beispiel

Begeht ein im öffentlichen Dienst Beschäftigter ein vorsätzliches Tötungsdelikt, so ist es dem öffentlichen Arbeitgeber i. d. R. unzumutbar, ihn weiter zu beschäftigen, ohne dass eine konkret messbare Ansehensschädigung nachgewiesen werden müsste (BAG, Urteil v. 8.6.2000, 2 AZR 638/99[6]).

Ein Angestellter des Finanzamts hat in erheblicher Höhe Steuern hinterzogen. Trotz Selbstanzeige gem. § 371 AO setzt sich der Arbeitnehmer in Widerspruch zu den Aufgaben seiner Beschäftigungsbehörde, den Steueranspruch des Staates durchzusetzen (BAG, Urteil v. 8.6.2000, 2 AZR 638/99[7]).

 

Rz. 364

Für nicht hoheitlich tätige Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes gelten keine weitergehenden vertraglichen Nebenpflichten als für die Beschäftigten der Privatwirtschaft (BAG, Urteil v. 28.10.2010, 2 AZR 293/09[8]). Es bestehen allerdings weiterhin die sich aus dem Gebot der wechselseitigen Rücksichtnahme gem. § 241 Abs. 2 BGB ergebenden Pflichten. Es besteht insbesondere eine besondere Pflicht zur politischen Zurückhaltung und Verfassungstreue, deren Verletzung den Vertrauensbereich berühren kann (BAG, Urteil v. 10.12.1992, 2 AZR 271/92[9]; BAG, Urteil v. 6.9.2012, 2 AZR 372/11[10]).

 

Beispiel

Ein Verwaltungsangestellter ist verantwortlich für ein Flugblatt, mit dem Ausländer, "Zigeuner" und Asylanten pauschal als kriminelle Schmarotzer dargestellt werden (BAG, Urteil v. 14.2.1996, 2 AZR 274/95[11]).

 

Rz. 365

Auch vor Beginn des Arbeitsverhältnisses liegende und für das Vertragsverhältnis wesentliche, dem Arbeitgeber bei der Einstellung nicht bekannte Umstände oder Ereignisse können das Vertrauen des Arbeitgebers in die Zuverlässigkeit und Redlichkeit des Arbeitnehmers zerstören und ein Kündigungsgrund sein. So kann die Vertragsverletzung eines Angestellten in gehobener Stellung in Form von Vollmachtüberschreitung und Loyalitätsverletzung beim Vorarbeitgeber auf ein Folgearbeitsverhältnis im Konzern durchschlagen, wenn die Konzernzugehörigkeit im Folgearbeitsverhältnis volle Anrechnung findet und dies zur Unkündbarkeit des Arbeitsverhältnisses mit Beginn dieser Tätigkeit führt (LAG Köln, Urteil v. 28.3.2001, 8 SA 405/00[12]).

 

Beispiel

Manipulationen beim Vorarbeitgeber im Rahmen einer Fusionierung, welche zu einer Rechtsnachfolge der jetzigen Arbeitgeberin führte, wobei die Manipulationen hohe...

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