Rz. 411

Die in der Abmahnung enthaltene Kündigungsandrohung ist nicht fristgebunden. Für den Zeitpunkt ihrer Erteilung nach der Pflichtwidrigkeit gibt es keine Regelausschlussfrist. Es handelt sich um die Ausübung eines vertraglichen Rügerechts, für das weder gesetzliche Fristen vorgesehen sind noch vertragliche oder tarifliche Ausschlussfristen Anwendung finden (BAG, Urteil v. 14.12.1994, 5 AZR 137/94[1] unter ausdrücklicher Aufgabe der früheren Rechtsprechung; BAG, Urteil v. 15.1.1986, 5 AZR 70/84[2]). Der Arbeitgeber ist in seiner Entscheidung frei, ob und welches Fehlverhalten des Arbeitnehmers er missbilligt und wann und ggf. mit welchen Zeitabschnitten er den Arbeitnehmer abmahnen will.

 

Rz. 412

Das Recht zur Erteilung einer Abmahnung kann verwirken. Verwirkt ist ein Anspruch oder ein Recht dann, wenn der Berechtigte längere Zeit hindurch untätig geblieben ist, er den Eindruck erweckt hat, er wolle das Recht nicht mehr geltend machen und sein Vertragspartner sich auf den dadurch entstandenen Vertrauenstatbestand eingestellt hat (BAG, Urteil v. 13.10.1988, 6 AZR 144/85[3]). Die Verwirkung verlangt neben einem Zeitmoment auch ein sog. Umstandsmoment; d. h., dass nicht nur eine längere Zeitspanne nach der Pflichtwidrigkeit vergangen sein muss, sondern zudem der Arbeitgeber in irgendeiner Art und Weise zu erkennen gegeben hat, dass der Arbeitnehmer mit einer Abmahnung nicht mehr rechnen muss. Dies kann z. B. darin liegen, dass der Arbeitgeber zwar ein klärendes Gespräch geführt hat, in dem er sich die Erteilung einer Abmahnung vorbehalten hat, mehrere Monate danach aber keine Abmahnung erteilt wurde. Ein Umstandsmoment kann auch ausnahmsweise in einer Inaktivität liegen, wenn der Arbeitgeber regelmäßig innerhalb einer bestimmten Zeitspanne Abmahnungen erteilt, im konkreten Einzelfall aber ohne weitere Erklärung von diesem Grundsatz abgewichen ist, obwohl ihm der Abmahnungssachverhalt bekannt war.

 

Rz. 413

Das Recht aus der Abmahnung, kann mit der Zeit seine Wirkung verlieren (BAG, Urteil v. 18.11.1986, 7 AZR 674/84[4]). D. h., dass es dem Arbeitgeber nach einer längeren Zeit einwandfreier Führung oder der unbeanstandeten Hinnahme weiterer Pflichtverletzungen verwehrt sein kann, sich allein auf früher abgemahnte Pflichtverstöße des Arbeitnehmers zu berufen. In diesem Fall bedarf eine verhaltensbedingte Kündigung einer erneuten vorangegangenen vergeblichen Abmahnung. Eine Regelfrist, nach deren Ablauf angenommen werden könnte, die Wirkungen der Kündigungsandrohung seien erloschen, kann aber nicht bestimmt werden, sondern lässt sich nur aufgrund der Umstände des Einzelfalls beurteilen (BAG, Urteil v. 27.1.1988, 5 AZR 604/86[5]; BAG, Urteil v. 21.5.1987, 2 AZR 313/86[6]).

[1] AP BGB § 611 Abmahnung Nr. 15.
[2] AP BGB § 611 Fürsorgepflicht Nr. 96.
[3] AP BGB § 611 Abmahnung Nr. 4.
[4] AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17.
[5] RzK I 1 Nr. 26.
[6] DB 1987 S. 2367.

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