Rz. 296

Eine Beendigungskündigung scheidet nach § 1 Abs. 2 Sätze 2 und 3 KSchG aus, wenn der Arbeitnehmer auf seinem bisherigen Arbeitsplatz zu anderen Bedingungen oder auf einem anderen Arbeitsplatz im Betrieb oder Unternehmen weiterbeschäftigt werden kann.[1]

 

Rz. 297

Die Regelung konkretisiert den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie hat einen größeren Anwendungsbereich, als der Wortlaut vermuten lässt: Zum einen kommt es nicht darauf an, ob der Betriebs- oder Personalrat Widerspruch bzw. Einwendungen erhoben hat. Andernfalls würde die individualrechtliche Position des Arbeitnehmers wesentlich verschlechtert.[2] Zum anderen ist die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nicht nur bei der betriebsbedingten Kündigung zu prüfen, sondern auch bei der personen- und verhaltensbedingten Kündigung.

 
Hinweis

Die Kündigung ist unwirksam, wenn der Arbeitnehmer weiterbeschäftigt werden kann, weil im Betrieb oder Unternehmen (bzw. in der Dienststelle)

  • ein vergleichbarer Arbeitsplatz frei ist oder
  • ein Arbeitsplatz mit anderen Arbeitsbedingungen frei ist, mit dem der Arbeitnehmer einverstanden ist und
  • für den er die erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse besitzt oder
  • für den er sich durch Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen qualifizieren kann.
 

Rz. 298

Zunächst ist zu prüfen, ob ein Arbeitsplatz frei ist. Ob eine Stelle für einen freien Mitarbeiter frei ist, ist ebenso unbeachtlich wie die Frage, ob der Arbeitnehmer zur stufenweisen Wiedereingliederung nach § 74 SGB V beschäftigt werden kann.[3] Der Arbeitsplatz ist als frei anzusehen, wenn er

  • bei Zugang der Kündigung unbesetzt ist,
  • bis zum Ablauf der Kündigungsfrist mit hinreichender Sicherheit frei wird, etwa weil ein anderer Arbeitnehmer ausscheidet[4],
  • zu einem absehbaren Zeitpunkt nach Ablauf der Kündigungsfrist frei wird (und zwar nicht nur aufgrund der unternehmensüblichen Personalfluktuation) und dem Arbeitgeber die Überbrückung dieses Zeitraums zumutbar ist. Zumutbar ist ein Zeitraum, den ein anderer Stellenbewerber zur Einarbeitung benötigen würde, wobei je nach den Umständen eine Probezeitvereinbarung als Anhaltspunkt für die Bemessung einer Einarbeitungszeit herangezogen werden kann.[5]

Ob und für wie lange ein z. B. aus Krankheitsgründen vakanter Arbeitsplatz besetzt werden soll, unterliegt der nur auf Missbrauch und Willkür überprüfbaren unternehmerischen Entscheidung des Arbeitgebers.[6] Diese Grundsätze gelten auch für andere Vertretungsfälle, etwa bei Urlaub, Sonderurlaub oder Elternzeit. Die Gerichte würden, wenn sie diese Arbeitsplätze als "frei" ansähen, in den unternehmerischen Entscheidungsspielraum des Arbeitgebers eingreifen.

Deckt der Arbeitgeber den Vertretungsbedarf (nicht zugleich den sonstigen Beschäftigungsbedarf) durch rechtlich zulässig gestaltete Arbeitsverträge mit Arbeitnehmern ab, denen er durch "Rahmenverträge" verbunden ist, so ist das durch den Vertretungsbedarf beschriebene Beschäftigungsvolumen nicht "frei". Der Arbeitgeber muss den durchschnittlichen Umfang des Vertretungsbedarfs und die dem Umfang nach in etwa damit übereinstimmende dauerhafte und nachhaltige Vertragspraxis darlegen.[7]

Soweit Leiharbeitnehmer nicht nur zur Vertretung oder zur Abdeckung von Auftragsspitzen eingestellt wurden, sind deren Überlassungsverhältnisse vorrangig zu beenden.[8]

 

Rz. 299

Der freie Arbeitsplatz muss grds. im Beschäftigungsbetrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens vorhanden sein.[9] Der Arbeitsplatz in dem anderen Betrieb steht nicht zur Verfügung, wenn der dortige Betriebsrat seine Zustimmung zu der Einstellung nach § 99 BetrVG verweigert oder wenn der Betrieb im Ausland liegt.[10] Der 1. Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes ist nach. § 23 KSchG nur auf Betriebe anzuwenden, die in der Bundesrepublik Deutschland liegen. In diesem Sinne muss auch der Betriebsbegriff in § 1 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 KSchG verstanden werden.[11]

Gibt es einen freien Arbeitsplatz in einem anderen Unternehmen desselben Konzerns, kann der Arbeitnehmer dort nur beschäftigt werden, wenn dies ausnahmsweise rechtlich zulässig ist. Das setzt zunächst voraus, dass der Arbeitsvertrag eine konzernweite Beschäftigung vorsieht. Sodann muss der konzernangehörige, aber dennoch fremde Arbeitgeber sich ausdrücklich oder konkludent zur Übernahme verpflichtet haben.[12] Ansonsten ist ein bestimmender Einfluss des Beschäftigungsbetriebs bzw. des vertragsschließenden Unternehmens auf die "Versetzung" erforderlich. Die Entscheidung darüber darf grds. nicht dem Drittunternehmen vorbehalten worden sein.[13] Dabei spielt es keine Rolle, ob die Möglichkeit der Einflussnahme aufgrund eindeutiger rechtlicher Regelungen (z. B. aufgrund eines Beherrschungsvertrags) oder eher nur faktisch besteht.[14]

 

Rz. 300

Der freie Arbeitsplatz ist mit dem bisherigen vergleichbar, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf dem neuen Arbeitsplatz kraft seines Direktionsrechts weiterbeschäftigen kann, ohne dass es einer Änderung des Arbeitsvertrags bedarf.[15]

Gibt es keinen vergleichbaren Arbeitsplatz,...

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