Rz. 294

Der Arbeitnehmer hat gegen den Arbeitgeber einen Anspruch auf Wiedereinstellung oder Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, wenn die Kündigung bei Zugang zwar sozial gerechtfertigt war, sich die Umstände im Nachhinein aber anders als prognostiziert entwickelt haben. Der Anspruch wird als notwendiges Korrektiv dafür angesehen, dass nur die Umstände bei Zugang der Kündigung maßgeblich für die Beurteilung ihrer Wirksamkeit sind.[1] Als Anspruchsgrundlage kommen in Betracht:

Ein Wiedereinstellungsanspruch kann grundsätzlich nur Arbeitnehmern zustehen, die zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung Kündigungsschutz nach dem KSchG genießen. Ob sich in Kleinbetrieben im Einzelfall ausnahmsweise aus § 242 BGB ein Wiedereinstellungsanspruch ergeben kann, ist offen (BAG, Urteil v. 19.10.2017, 8 AZR 845/15[4]).

 

Rz. 295

Der Arbeitnehmer darf i. d. R. darauf vertrauen, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis nur dann wirklich beendet, wenn die von ihm angegebenen Gründe auch bei Ablauf der Kündigungsfrist noch bestehen. Allerdings darf der Arbeitgeber seinerseits grds. darauf vertrauen, dass die Kündigung wirksam ist, und entsprechende Dispositionen im Hinblick darauf vornehmen, etwa eine Ersatzkraft einstellen. In einer Interessenabwägung ist zu ermitteln, welches Vertrauen schutzwürdiger ist.

 

Rz. 296

Nach h. M. ist der Anspruch insoweit befristet, als dass nur die tatsächlichen Entwicklungen bis zum Ablauf der Kündigungsfrist von Bedeutung sind.[5] Ist das Arbeitsverhältnis einmal beendet, überwiegt das Interesse an Rechtssicherheit den Vertrauensschutz des Arbeitnehmers. Nachwirkende Nebenpflichten des Arbeitgebers beziehen sich nur auf die Abwicklung des beendeten Arbeitsverhältnisses.[6] Gegen die Befristung des Anspruchs wird vorgetragen, dass bei Massenentlassungen Arbeitnehmer mit einer kürzeren Kündigungsfrist im Nachteil sind.[7] Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass Arbeitnehmer mit einer längeren Kündigungsfrist eine längere Betriebszugehörigkeit vorweisen können und damit zu Recht größeren Vertrauensschutz genießen.[8]

 

Rz. 297

Teilweise wird angenommen, der Wiedereinstellungsanspruch sei ausgeschlossen, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer nach der Kündigung einen Vergleich oder einen Aufhebungsvertrag geschlossen haben, um den Streit über die Wirksamkeit der Kündigung endgültig beizulegen.[9] Dagegen sind die Vereinbarungen nach Ansicht der Rechtsprechung gem. § 313 BGB an die veränderten Verhältnisse anzupassen (BAG, Urteil v. 27.2.1997, 2 AZR 160/96[10]).

 

Rz. 298

Gerichtlich durchsetzen kann der Arbeitnehmer den Anspruch auf Wiedereinstellung, indem er den Arbeitgeber auf Annahme (Abgabe einer Willenserklärung) seines Angebots verklagt, den Vertrag fortzusetzen bzw. einen neuen Vertrag abzuschließen. In der Klageschrift ist der Inhalt des Vertrages hinreichend deutlich zu machen. Anzugeben sind zumindest Art und Beginn der Arbeitsleistung (BAG, Urteil v. 14.3.2012, 7 AZR 147/11). Das Urteil wird gem. § 894 ZPO vollstreckt. Der rückwirkende Abschluss eines Vertrags ist nicht mehr nichtig. Damit ist auch eine dahingehende Verurteilung möglich (BAG, Urteil v. 9.11.2006, 2 AZR 509/05). Der Arbeitnehmer kann daher geltend machen, dass der Arbeitsvertrag rückwirkend zu dem Zeitpunkt beginnen soll, in dem der Arbeitnehmer die Wiedereinstellung verlangt hat. Eine Rückwirkung über das Verlangen bzw. das Angebot des Arbeitnehmers hinaus hat das BAG abgelehnt.[11]

[1] Vgl. Rz. 173.
[2] Linck/Krause/Bayreuther/Krause, KSchG, 16. Aufl. 2019, § 1 KSchG, Rz. 228.
[3] RdA 2001, 243, 245.
[4] NZA 2018, 436-439.
[5] Ausnahmen: Verdachtskündigung, vgl. Rz. 300; Betriebsübergang, vgl. Rz. 301.
[6] Raab, RdA 2000, 147, 155.
[7] Kiel/Koch, Die betriebsbedingte Kündigung, 2000, Rz. 860.
[8] Linck/Krause/Bayreuther/Krause, KSchG, 16. Aufl. 2019, § 1 KSchG, Rz. 233.
[9] Linck/Krause/Bayreuther/Krause, KSchG, 16. Aufl. 2019, § 1 KSchG, Rz. 241; Zwanziger, BB 1997 S. 42, 45.
[10] NJW 1997, 2257, 2258.
[11] BAG, Urteil v. 14.3.2012, 7 AZR 149/11; vgl. aber BAG, Urteil v. 25.10.2007, 8 AZR 989/06: Der Arbeitgeber war seit Anfang März 2005 zur Weiterbeschäftigung verpflichtet, sobald er den Beschluss gefasst hatte, die Abteilung nicht stillzulegen, sondern fortzuführen. Die Klägerin hatte sich allerdings erst Ende März 2005 auf die ausgeschriebene Stelle beworben.

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