Rz. 293

Die Frage, ob der Gleichbehandlungsgrundsatz im Kündigungsrecht anwendbar ist, wird teilweise verneint[1], weil der Grundsatz nur bei einer Maßnahme mit kollektivem Bezug anwendbar sei. Dieser bestehe zwar bei der betriebsbedingten Kündigung, doch seien hier die Grundsätze der Sozialauswahl anzuwenden. Der kollektive Bezug fehle bei der verhaltens- und der personenbedingten Kündigung, da diese auf den Einzelfall bezogen seien. Nach anderer Ansicht ist der Gleichbehandlungsgrundsatz durchaus anwendbar, und zwar unmittelbar.[2]§ 1 Abs. 3 KSchG stelle gerade die Umsetzung dieses Prinzips dar. Auch bei einer personenbedingten Kündigung etwa aufgrund von krankheitsbedingten Fehlzeiten oder Leistungsdefiziten könne ein Vergleich mit anderen Arbeitnehmern angestellt werden. Schließlich wird die Auffassung vertreten, der Gleichbehandlungsgrundsatz sei im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen (BAG, Urteil v. 28.4.1982, 7 AZR 1139/79[3]). Im Ergebnis ist man sich jedenfalls einig, dass eine herausgreifende Kündigung nicht zulässig ist, bei der der Arbeitgeber nur einem Arbeitnehmer kündigt, obgleich andere Arbeitnehmer sich ebenso verhalten haben.[4] Wer den Gleichbehandlungsgrundsatz anwendet, kommt zu dem Schluss, dass der Arbeitgeber keinen sachlichen Grund hat, nur diesem einen Arbeitnehmer zu kündigen. Insbesondere ist er nicht berechtigt, einen Arbeitnehmer zu bestrafen und an ihm ein Exempel zu statuieren. Ein sachlicher Grund für die Differenzierung kann aber z. B. die Zahl der vorausgegangenen Abmahnungen sein.[5] Wer den Gleichbehandlungsgrundsatz in die Interessenabwägung einfließen lässt, kommt zu dem Schluss, dass es dem Arbeitgeber durchaus zuzumuten ist, das Arbeitsverhältnis mit diesem Arbeitnehmer fortzusetzen, wenn er es mit den anderen fortsetzen kann.[6] Hat der Arbeitgeber ein bestimmtes Verhalten in der Vergangenheit toleriert, führt dies zu einer Selbstbindung.[7]

[1] Linck/Krause/Bayreuther/Krause, KSchG, 16. Aufl. 2019, § 1 KSchG, Rz. 222; APS/Vossen, 6. Aufl. 2021, § 1 KSchG, Rz. 67.
[3] NJW 1982, 2687, 2687.
[4] Zur diskriminierenden Kündigung, vgl. Sagan, NZA 2006, 1257 ff.; Diller/Krieger/Arnold, NZA 2006, 887 ff.
[5] Linck/Krause/Bayreuther/Krause, KSchG, 16. Aufl. 2019, § 1 KSchG, Rz. 224.
[6] Linck/Krause/Bayreuther/Krause, KSchG, 16. Aufl. 2019, § 1 KSchG, Rz. 223.
[7] HaKo-KSchG/Pfeiffer, 7. Aufl. 2021, § 1 KSchG, Rz. 185.

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