Rz. 85

Der Tod des Arbeitnehmers beendet aufgrund der persönlichen Leistungsverpflichtung gem. § 613 Satz 1 BGB das Arbeitsverhältnis. Schon entstandene, aber noch nicht erfüllte Ansprüche gegen den Arbeitgeber aus dem Arbeitsverhältnis gehen auf die Erben über, soweit sie nicht ausnahmsweise höchstpersönlich sind oder von einer Sonderregelung erfasst werden.

Das BAG ist seit jeher der Ansicht, dass die Erben des Arbeitnehmers keinen Anspruch auf Urlaubsabgeltung erwerben. Dabei geht das BAG davon aus, dass der Urlaubsanspruch mit dem Tod des Arbeitnehmers untergeht, sodass ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung nicht entstehen und nicht vererbt werden kann. Eine Vorlage an den EuGH hielt das BAG zunächst nicht für erforderlich. Es handle sich um einen rein innerstaatlichen Sachverhalt. Die Erben seien von der Richtlinie 2003/88 nicht geschützt.[1] Das LAG Hamm hat dennoch den EuGH angerufen.[2] Dieser hat in der Entscheidung "Bollacke" klargestellt, dass der Urlaubsanspruch beim Tod des Arbeitnehmers nicht ersatzlos untergehen darf. Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung hat nach der Richtlinie 2003/88 nur 2 Voraussetzungen:

  1. die Beendigung des Arbeitsverhältnisses,
  2. den nicht voll ausgeschöpften Jahresurlaub.

Die Erben können die Urlaubsabgeltung auch dann verlangen, wenn der Arbeitnehmer noch keinen Urlaubsantrag gestellt hatte.[3]

Die Entscheidung "Bollacke" wurde von den Instanzgerichten umgesetzt.[4] Nunmehr hat das BAG dem EuGH 2 dieser Fälle zur Vorabentscheidung vorgelegt.[5] Da dem EuGH die Besonderheiten des deutschen Rechts aus dem Verfahren "Bollacke" bekannt sind, ist nicht zu erwarten, dass ein anderes Ergebnis erzielt wird. Auch nach § 7 Abs. 4 BUrlG hat der Anspruch auf Abgeltung nur die oben genannten 2 Voraussetzungen. Dabei ist es unerheblich, wie das Arbeitsverhältnis beendet wird. Indem das BAG den Tod aus dem Anwendungsbereich herausnimmt, wird § 7 Abs. 4 BUrlG teleologisch reduziert, zum einen, weil das Erbrecht entgegenstehen soll, zum anderen, weil der verstorbene Arbeitnehmer weder in den Genuss des Urlaubs noch den der Abgeltung kommt. Letzteres ist laut EuGH unerheblich. § 7 Abs. 4 BUrlG könnte man als Sonderregelung verstehen, dass der höchstpersönliche Anspruch ausnahmsweise auf die Erben übergeht (vgl. § 847 BGB a. F. zum Schmerzensgeld und § 1300 BGB a. F. zum Kranzgeld).

Stirbt der Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, wird der bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstandene Anspruch auf Urlaubsabgeltung als reiner Geldanspruch vererbt.[6]

[4] Zwar nicht vom LAG Hamm (das Verfahren wurde durch gerichtlichen Vergleich beendet), aber von anderen: LAG Düsseldorf, Urteil v. 13.1.2016, 4 Sa 888/15; LAG Köln, Urteil v. 14.7.2016, 8 Sa 324/16 hat zudem Abgeltung für den tariflichen Mehrurlaub (mangels klarer Unterscheidung im TVöD) und Abgeltung für den Zusatzurlaub als Schwerbehinderter zugesprochen.
[5] BAG, EuGH-Vorlage v. 18.10.2016, 9 AZR 45/16 (A), Arbeitgeber = Körperschaft des öffentlichen Rechts, Vorinstanz LAG Düsseldorf, Urteil v. 15.12.2015, 3 Sa 21/15), beim EuGH anhängig unter C-569/16, Bauer; BAG, EuGH-Vorlage v.18.10.2016, 9 AZR 196/16 (A), Arbeitgeber = Privatperson, Vorinstanz LAG Düsseldorf, Urteil v. 29.10.2015, 11 Sa 537/15, beim EuGH anhängig unter C-570/16, Willmeroth. Vgl. zum Thema auch Kamanabrou, RdA 2017, 162-166.
[6] ErfK/Gallner, 23. Aufl. 2023, § 7 BUrlG, Rz. 81. Nach früherer Rechtsprechung des BAG war der Anspruch auf Urlaubsabgeltung (beim Tod nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses) wie der Urlaubsanspruch nicht vererblich. Vererblich war nur der Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung des Anspruchs auf Urlaubsabgeltung bei Schuldnerverzug des Arbeitgebers. Das BAG hat die Surrogatstheorie, wonach der Anspruch auf Urlaubsabgeltung behandelt wurde wie der Urlaubsanspruch, nunmehr vollständig aufgegeben, vgl. BAG, Urteil v. 19.6.2012, 9 AZR 652/10. Der Anspruch auf Abgeltung unterfällt damit grds. auch tariflichen Ausschlussfristen, vgl. BAG, Urteil v. 14.5.2013, 9 AZR 844/11.

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